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Malé leidet

Malediven: Nach Brand in Wasseraufbereitungsanlage bleibt die Lage in Hauptstadt weiter angespannt

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Langsam kommen die benötigten 20 Millionen US-Dollar zusammen, die die Malediven für die Reparatur einer havarierten Salzwasseraufbereitungsanlage benötigen. Am Mittwoch sicherte Malaysia 200.000 Dollar zu, Japan will sich mit rund 900.000 Dollar an dem staatlichen Krisenfonds beteiligen. Akuter Trinkwassermangel herrscht seit über zwei Wochen in der Hauptstadt Malé. Der nationale Notstand war deswegen ausgerufen worden. Mittlerweile gibt es wieder Trinkwasser, doch ist es noch immer rationiert.

In Malé bilden sich in den Wochen nach der Havarie lange Schlangen aufgebrachter Bürger vor Geschäften und Sonderstellen, an denen kostenlos Trinkwasser in Flaschen verteilt wird. In der dichtbevölkerten, sich über nur zwei Quadratkilometer erstreckenden Hauptstadt des Inselstaates im Indischen Ozean leben rund 120.000 Menschen. Ein Feuer hatte am 4. Dezember die Generatoranlage des Meerwasserentsalzungswerkes zerstört. Seitdem steht dort die Produktion von Trinkwasser weitgehend still.

Präsident Abdulla Yameen rief die Bürger zu Besonnenheit und Geduld auf und versprach, für »ständige und angemessene Bereitstellung« des kostbaren Nasses zu sorgen. Wann genau der Schaden behoben sein wird, ist noch immer nicht absehbar. Erst in der vergangenen Woche waren notwendige Ersatzteile aus Singapur eingetroffen.

Indien reagierte als erstes Land auf den Appell der maledivischen Regierung, die Notlage zu lindern. Premier Narendra Modi versicherte, »Schulter an Schulter« mit den Malediven die Situation zu meistern. Neu-Delhi schickte am ersten Wochenende nach dem Unfall fünf Transportflugzeuge mit je 200 Tonnen Trinkwasser in Flaschen. Per Schiff wurden zudem mehrere hundert Tonnen Trinkwasser und Anlagen zur Frischwasserproduktion sowie Mechaniker, Geräte und Material zur Reparatur der Entsalzungsanlage nach Malé geschickt.

Schnell handelte auch das benachbarte Sri Lanka. Es folgten China und die USA. Zwei aus China kommende Passagiermaschinen brachten am Samstag nach der Havarie je 20 Tonnen Trinkwasser.

Für Indien bietet der Trinkwassernotstand in Malé eine Gelegenheit, die im Rahmen der Südasiatischen Assoziation für Regionalkooperation abgegebene Verpflichtung zu erfüllen, die Nachbarstaaten großzügig zu unterstützen. Ein Aspekt dabei ist, dem wachsenden Einfluss Chinas zu begegnen und den Anspruch Neu-Delhis auf Führerschaft auf dem Subkontinent zu bekräftigen.

Peking hat mit seinem Konzept, eine »maritime Seidenstraße« zu entwickeln, auch die Malediven und Sri Lanka im Visier. Chinas Präsident Xi Jinping besuchte vor seiner Indien-Visite im September sowohl Colombo als auch Malé und unterzeichnete eine Reihe von wirtschaftlichen und strategischen Abkommen. Darunter das ambitiöse Projekt einer Brücke zwischen dem auf der Insel Hulhule liegenden Flughafen und der Hauptstadt.

Den aus 1.190 Inseln bestehenden Staat mit der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung besuchen im Jahr bis zu 750.000 Touristen. Doch dieser Industriezweig, der rund 30 Prozent des Bruttosozialprodukts ausmacht, wird kaum von der aktuellen Krise betroffen. Alle Ferienorte verfügen über eine eigene Strom- und Wasserversorgung. Malé hat zwar ein effizientes System zum Speichern von Regenwasser, doch das ist zum Trinken ungeeignet. Die Hauptstadt zählt aber nicht zu den Anziehungspunkten im tropischen Urlaubsparadies. Gäste halten sich hier gewöhnlich nur kurz im Transit auf, ehe sie per Boot zu einem der Hotels in dem Archipel weiterreisen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 20. Dezember 2014


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