"Sultan" Gayum lässt wählen
Präsidentenwahl auf den Malediven erstmals mit mehreren Oppositionskandidaten
Von Hilmar König, Delhi *
Der 71-jährige Maumun Abdul Gayum, seit 30 Jahren Staatsoberhaupt der Inselrepublik der
Malediven, erlaubt am Mittwoch (8. Oktober) erstmals Präsidentenwahlen in einem Mehrparteiensystem.
Natürlich kandidiert er, auch wenn eine neue Verfassung nur zwei Amtszeiten gestattet.
In der politischen Geschichte der 1965 unabhängig gewordenen Malediven – einer Gruppe von rund
1200 Koralleninseln im Indischen Ozean – stand bislang immer nur ein Name auf den Wahlzetteln: Maumun Abdul Gayum. Der Wähler hatte lediglich die Entscheidung zwischen einem Ja- und einem
Nein-Kreuzchen zu treffen. Und das Herrschaftsregime des »Sultans«, wie ihn viele Landsleute
wegen seines autokratischen Stils hinter vorgehaltener Hand nennen, sorgte dafür, dass ein solches
Referendum stets mit über 90 Prozent Ja-Stimmen abgehakt werden konnte. So kam es, dass
Gayum in Asien zur Stunde der Politiker mit der längsten Amtszeit ist. Diesmal stehen dem Wähler
vier weitere Bewerber zur Auswahl.
Die oppositionelle Maledivische Demokratische Partei (MDP) schickt den Kandidaten Mohamed
Nasheed ins Rennen. Er gilt als scharfer Kritiker Gayums und wird deshalb von dessen Partei
Dhivehi Raiyithunge verteufelt. Sie zauberte beispielsweise in den letzten Tagen vor der Wahl eine
offensichtlich gefälschte E-Mail aus dem Hut, in der Nasheed die Bemerkung unterstellt wird, seine
Partei wolle innerhalb eines Jahres den Inselstaat von einem rein islamischen in einen
multireligiösen umwandeln. Die MDP dementierte das glaubhaft.
Für die Republikanische Allianz tritt der angeblich erfolgreichste Geschäftsmann der Malediven,
Qasim Ibrahim, an. Weitere Bewerber sind der frühere Generalstaatsanwalt Hassan Saeed sowie
ein Repräsentant einer islamischen und einer kleineren Oppositionspartei. Zum Sieger erklärt wird
der Kandidat, der mindestens 50 Prozent der Stimmen der 209 000 Wahlberechtigten erhält. Schafft
das keiner, wird es zu einem noch offenen Termin einen zweiten Wahlgang zwischen den beiden
Bestplatzierten geben.
Ehe sich der »Sultan« zur Mehrparteienwahl und zu anderen Neuerungen aufraffte, bedurfte es
öffentlicher Proteste, erstmals im Jahre 2003, nachdem ein in Haft genommener Jugendlicher
offenbar durch Gefängniswärter ums Leben gekommen war. 2004 ließ Gayum sogar den Notstand
ausrufen, als prodemokratische Demonstranten ihrem Ärger in Gewaltaktionen Luft machten. Dem
folgte die Ankündigung von Reformen des politischen Systems.
Ein Jahr später wurden politische Parteien zugelassen. Im Verlaufe von vier Jahren wurde eine neue
Verfassung ausgearbeitet, die Gayum 2007 ratifizierte und in der Rede- und Versammlungsfreiheit
garantiert werden. Außerdem bildete man eine unabhängige Wahlkommission und stellte die Justiz
auf eigene Füße. Während durch das Reformpaket die Befugnisse künftiger Präsidenten beschnitten
wurden, darf das Parlament eine stärkere Rolle spielen. Gayum glaubt, damit seine Versprechen
eingelöst zu haben. In den Augen der Opposition bleibt das alles freilich nur ein bescheidener
Anfang auf dem Weg zu demokratischen Verhältnissen.
Die Malediven sind Mitglied der Südasiatischen Assoziation für Regionalkooperation und haben
besonders enge Beziehungen zum Nachbarn Indien. Die Entwicklung der Tourismusindustrie seit
der Unabhängigkeit von Großbritannien auf einigen der etwa 200 bewohnten Eilande brachte harte
Währung ins Land, die einerseits für den Import von Grundnahrungsmitteln und die Verbesserung
der Infrastruktur verwendet wurde und andererseits zum Wohlstand einer Minderheit beitrug.
Der Tsunami vom Dezember 2004 zerstörte auf 13 Inseln die gesamte Infrastruktur, neun waren
nicht mehr bewohnbar. Dies lenkte die Aufmerksamkeit erneut auf ein Überlebensproblem der
Malediven: Die meisten Inseln ragen nicht mehr als einen Meter aus dem Meer. Steigt durch globale
Erwärmung und Klimawandel der Spiegel des Ozeans weiter, dann gehören diese Inseln zu den
ersten, die von der Erdoberfläche verschwinden werden. Diese Gefahr bereitet den 300 000
Insulanern permanente Sorgen.
* Aus: Neues Deutschland, 8. Oktober 2008
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