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Maledivische Krisenspirale

Meutereien und Demonstranten erzwangen Präsidentenrücktritt *

Meuternde Polizisten und wochenlange Oppositionsproteste haben den ersten demokratisch gewählten Präsidenten der Malediven jetzt zum Rücktritt gezwungen.

»Ich glaube, dass die Leute dieses Landes mehr leiden würden, würde ich als Präsident der Malediven weitermachen «, erklärte der 44-jährige Staats- und Regierungschef Mohamed Nasheed zur Begründung seiner Demission. Vizepräsident Mohammed Waheed Hassan übernahm am Dienstag die Amtsgeschäfte in Male. Maledivische Medien hatten zuvor von einem Putschversuch auf der südasiatischen Inselkette berichtet. Urlauber auf den Malediven sind nach Angaben des dortigen Tourismusministeriums nicht von der innenpolitischen Krise betroffen.

Demonstrationen der Opposition wurden nach Nasheeds Rücktritt beendet. Sie beschränkten sich auf die Insel mit der Hauptstadt Male. Ausländische Urlauber sehen Male nur, wenn sie Tagesausflüge dorthin buchen. Der internationale Flughafen liegt auf einer Nachbarinsel. Von dort aus werden Touristen direkt zu ihren jeweiligen Resorts gebracht, die abgeschieden auf jeweils eigenen Inseln liegen.

Das Auswärtige Amt rät seit Dienstag Urlaubern vom Besuch von Male ab. Nach ersten Informationen waren keine deutschen Touristen von den Unruhen betroffen. Auf der Flughafeninsel und in den Ferienressorts sei die Lage ruhig, hieß es. Genaue Zahlen, wie viele Bundesbürger sich derzeit auf den Malediven aufhalten, gab es zunächst nicht. Nach den jüngsten Zahlen des Deutschen Reiseverbandes machen dort jedes Jahr mehr als 77 000 Deutsche Urlaub.

In einer »Botschaft an das Volk« auf seiner Homepage rief Waheed – noch in seiner Funktion als Vizepräsident – die staatlichen Institutionen auf, die Verfassung zu achten. Die unabhängige Nachrichtenseite »Minivan News« hatte zuvor gemeldet, Meuterer aus der Polizei hätten sich Demonstranten der Opposition angeschlossen. Das Büro des Präsidenten hatte mitgeteilt, die Regierung unternehme alles, um die Lage zu stabilisieren.

Die Spannungen auf den Malediven eskalierten, seit im Januar ein Richter festgenommen wurde, der die Freilassung eines Regierungskritikers angeordnet hatte. Der frühere politische Gefangene Nasheed war im November 2008 als erster demokratisch gewählter Präsident der Malediven vereidigt worden. Damit gingen 30 Jahre autokratischer Herrschaft auf der Inselkette zu Ende.

Das kleine südasiatische Land besteht aus 1190 Inseln im Indischen Ozean, von denen nur rund 200 bewohnt sind. Tourismus und Fischerei sind die Haupteinnahmequellen der muslimischen Bewohner.

* Aus: neues deutschland, 8. Februar 2012


Malediven: Nach Sturz der Regierung und Unruhen bleibt die Lage gespannt **

Male. Ein Gericht auf den Malediven hat am Donnerstag (9. Feb.) einen Haftbefehl gegen den am Dienstag gestürzten Staatschef Mohammed Nascheed erlassen. Die Polizei prüfe derzeit, ob der Haftbefehl verfassungsgemäß sei, sagte ein Behördensprecher in der Hauptstadt Male. Über den Grund, weshalb der frühere Präsident verhaftet werden soll, machte er keine Angaben.

Anhänger von Nascheed hatten sich am Mittwoch (8. Feb.) zu einer Protestdemonstration gegen den Sturz des Staatschefs versammelt, die am Nachmittag und Abend in schwere Ausschreitungen in dem Urlaubs­paradies mündeten (Foto). Auf unterschiedlichen Inseln des Archipels im Indischen Ozean wurden 18 Polizeistationen verwüstet und einige Gerichtsgebäude und Polizeifahrzeuge zerstört. Die Polizei nahm 49 Menschen fest. Am Donnerstag beruhigte sich die Situation, die Stimmung in der Hauptstadt Male blieb jedoch angespannt.

Nascheed war am Dienstag (7. Feb.) zurückgetreten, nachdem er seinen Worten zufolge mit Waffengewalt zu diesem Schritt gezwungen worden war. Sein Nachfolger Mohammed Waheed Hassan bestreitet dies. Auch Brigadegeneral Ibrahim Didi widersprach Nascheeds Darstellung. »Es gibt keinen Offizier beim Militär, der die Waffe auf den Präsidenten richten würde«, sagte Didi. Aus Nascheeds Partei wurden Spekulationen laut, Angehörige der maledivischen Polizei könnten hinter der Amtsenthebung stehen. In den vergangenen Wochen hatte es anhaltende Proteste wegen der Verhaftung eines hohen Richters gegeben. Der hatte die Freilassung des zuvor festgenommenen Oppositionsführers Mohammed Dschamil Ahmed angeordnet. Während der Proteste hatten sich viele Polizisten und Soldaten den Demonstranten angeschlossen.

** Aus: junge Welt, 10. Februar 2012


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