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Jetzt unerwünscht

Malaysia geht gegen illegale Gastarbeiter vor - und erntet dafür weltweit massive Proteste

Von Thomas Berger

Ihre Zahl beläuft sich auf schätzungsweise zwei Millionen – und ohne sie stünde das Land heute nicht an der Spitze der Wirtschaftsentwicklung Südostasiens. Zwei Jahrzehnte lang waren es in vorderster Linie auch die ausländischen Gastarbeiter, die Malaysia zu seinem ökonomischen Boom verhalfen. Doch nach dem altbekannten Sprichwort, daß der Mohr seine Schuldigkeit getan hat, sind die Wirtschaftswunder-Erbauer von einst mittlerweile zu unerwünschten Personen mutiert.

Die Regierung in Kuala Lumpur geht mit aller Härte gegen »die Illegalen« vor, wie sie nun zumeist benannt werden. Die konsequente Verhaftung und Abschiebung der Betroffenen sorgt dabei auch für außenpolitische Verstimmungen mit einigen Nachbarn. Nachdem mehrere Kinder von zum Rücktransport in die Heimat vorgesehenen Filippinos starben, haben philippinische Regierungsstellen eine genaue Untersuchung der Vorkommnisse angekündigt. Das diplomatische Verhältnis zwischen Kuala Lumpur und Manila hat in den letzten Tagen schon fast einen frostigen Tiefpunkt erreicht.

Alle Zahlenangaben basieren nicht auf statistischen Erhebungen, sondern nur auf Hochrechnungen verschiedener Stellen, die dann auch noch variieren. Nur rund 750.000 der bis zu zwei Millionen Fremdarbeiter, wird geschätzt, verfügen über gültige Aufenthaltspapiere. Der größere Rest hingegen hatte entweder nie welche – oder aber sie sind längst abgelaufen, das genehmigte Aufenthaltsdatum deutlich überschritten. Die seit fünf Wochen geltenden neuen Arbeits- und Ausländerrechtsbestimmungen sehen dafür empfindliche Geld- oder auch Haftstrafen vor. Wer nicht schon in Frühjahr und Sommer ausgereist ist, als die Regierung den »Illegalen« sozusagen eine Galgenfrist einräumte, muß nun bei Ergreifung die Konsequenzen tragen. Sammellager sind eingerichtet worden, und auf Fähren werden insbesondere die Filippinos in die Heimat verfrachtet. Vom östlich benachbarten Inselstaat sowie aus Bangladesch stammt der größte Teil der vor allem auf den Baustellen, aber auch in Handel, Gast- und Dienstleistungsgewerbe tätigen Fremdarbeiter.

Malaysias Premier Mohamad Mahathir beugt sich mit seinem Kurs dem innenpolitischen Druck. Obwohl es Malaysia im Vergleich immer noch recht gut geht, haben Asienkrise und aktuelle Weltwirtschaftsflaute auch hierzulande deutliche Spuren hinterlassen. Der Boom von einst ist ins Stocken gekommen, und die Gefahr besteht, daß aus dem gegenwärtigen Stillstand in der ökonomischen Entwicklung sogar eine herbe Rezession werden könnte. Die Arbeitslosigkeit unter den Einheimischen steigt, und der berechtigte Frust darüber entlädt sich auf jene, die auf der sozialen Leiter noch ein oder mehrere Stufen tiefer stehen.

Seit Ende der 70er Jahre waren die Arbeiter aus den ärmeren Ländern der weiteren Umgebung des südlichen Asien willkommen, um beispielsweise die Wolkenkratzer der Hauptstadt in den Himmel wachsen zu lassen. Daß der Wohlstand von Reichen und Mittelschicht auf dem Schweiß der nunmehr in die Illegalität Getriebenen basierte, wurde stillschweigend akzeptiert. Doch nicht nur in Kuala Lumpur haben sich die Vorzeichen geändert. Vielen Firmen geht es schlecht, und der Glanz von einst ist an vielen Stellen nicht nur stumpf geworden, sondern die Glitzerschicht blättert. Die ökonomische Krise trifft indes nicht nur die Malaien. Für Zehntausende Familien in den Heimatländern bleiben die regelmäßigen Überweisungen der ausländischen Gastarbeiter nun schon seit Monaten aus.

Aus: junge Welt, 5. September 2002


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