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Malawis Präsident weckt Empörung

Bingu wa Mutharika reagiert auf die wachsenden Proteste mit Repression

Von Kristin Palitza, Kapstadt *

Vor nur zwei Jahren war er noch der Liebling internationaler Geberländer. Seine zweite Amtszeit trat er mit 65 Prozent der Stimmen an. Doch das Blatt hat sich gewendet. Malawis Präsident Bingu wa Mutharika, der einst mit Kampagnen gegen Armut und Korruption beeindruckte, ist zum autokratischen Führer geworden.

Die Repression in Malawi hält an: Die für den 17. August geplanten landesweiten Proteste mussten abgesagt werden. Die Regierung hatte ein gerichtliches Demonstrationsverbot erwirkt. So fiel die zweite Protestwelle vorerst ins Wasser. Bereits am 20. Juli marschierten Tausende Malawier in den Straßen, um gegen Menschenrechtsverletzungen, Korruption und wachsende Armut zu demonstrieren. Die Regierung antwortete mit Gewalt: 19 Menschen wurden getötet, 58 schwer verletzt und 275 verhaftet.

Seitdem werden Anführer demokratischer Organisationen systematisch eingeschüchtert. »Ich werde euch verfolgen! Selbst wenn ihr euch in Löchern verkriecht werde ich euch ausräuchern«, warnte Präsident Mutharika jetzt im Fernsehen. Zu den Forderungen der Demonstranten nahm er nicht Stellung.

Doch die Empörten lassen sich nicht entmutigen. »Wir werden protestieren, bis die Regierung zu einem echten Dialog bereit ist«, sagte der Direktor des Zentrums für Menschenrechte und Rehabilitation, Undule Mwakasungula. Die Aktivisten versprachen, auf die Straße zu ziehen, sobald das Verbot aufgehoben ist. Und sie baten die Vereinten Nationen, Gespräche mit der Regierung zu vermitteln.

In einer 20-Punkte-Petition verlangen die Protestierenden, dass der Präsident sein aufgeblähtes Kabinett reduziert, die Korruption angeht, den Mangel an Devisen, Benzin, Elektrizität und Medikamenten beseitigt sowie Pressefreiheit und Menschrechte respektiert.

Internationale Geber reagierten auf Mutharikas autoritären Regierungsstil inzwischen mit der Streichung von Entwicklungshilfe. Seit Jahresbeginn haben der Internationale Währungsfonds (IWF), Weltbank, EU, Großbritannien, Deutschland und Norwegen insgesamt 400 Millionen USDollar auf Eis gelegt. Folglich klafft ein riesiges Loch in Malawis Haushalt, der zu 40 Prozent vom Ausland finanziert wird.

Auch die US-amerikanische Millennium Challenge Corporation (MCC) hält 350 Millionen Dollar zurück, die Malawi helfen sollten, seine Energiekrise zu überwinden. Das Geld wird nur überwiesen, wenn sich die Regierung zur Respektierung demokratischer Werte verpflichtet.

Als Mutharika 2004 an die Macht kam, wurde der frühere Weltbankökonom dafür gepriesen, dass er in einem Land, in dem 80 Prozent der Bevölkerung in ländlichen Gegenden leben, die Entwicklung der Landwirtschaft zur Priorität erklärte. Sechs Jahre starken Wachstums folgten, doch die Lebensbedingungen besserten sich kaum: Mehr als die Hälfte der 14 Millionen Malawier lebt unter der Armutsgrenze und hat umgerechnet weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Dafür versickern Gelder im korrupten Regierungsapparat. »Wir befinden uns praktisch in einer Wirtschaftskrise«, sagte Peter Chinoko, Sekretär der Katholischen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden.

Der Absturz begann mit Mutharikas zweiter Amtszeit 2009. Er erließ Gesetze, die seine Exekutivgewalt stärkten, und weigert sich, Kommunalwahlen anzuberaumen. Jüngst nominierte er seinen Bruder Peter, Malawis Bildungsminister, ohne Konsultation als Präsidentschaftskandidat für die Wahlen 2014.

Nun versucht Mutharika, die internationale Gemeinschaft zu besänftigen. Er wertete Malawis Kwacha gegenüber dem US-Dollar um zehn Prozent ab, um festgefahrene Verhandlungen über IWFKredite wiederzubeleben. Doch der Währungsfonds, der tiefgreifende Reformen des öffentlichen Finanzsystems fordert, ist nicht beeindruckt. »Diese geringfügige Entwertung [...] trägt wenig dazu bei, den schwerwiegenden Zahlungsverzug auszugleichen. Die Regierung muss sich ihren Problemen effektiver widmen«, sagte IWF-Missionsleiterin Janet Stotsky. Zwar ist zu bezweifeln, ob sich Malawis Probleme mit einer Strukturanpassung à la IWF in den Griff bekommen lassen. Doch wenn Mutharika die Probleme nicht angeht, könnte er bald seine Macht verlieren.

* Aus: Neues Deutschland, 18. August 2011


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