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IWF belobigt Malawi

Erst erpressen, dann Geld geben: Währungsfonds gewährt dem armen afrikanischen Staat nach Abwertung und Finanzmarktöffnung wieder Kredite

Von Christian Selz *

Wenn das Geld plötzlich nur noch die Hälfte wert ist, geraten in einem Entwicklungsland nicht nur die Allerärmsten in Not. Malawis Finanzminister Ken Lipenga mühte sich deshalb sehr um eine Erklärung der Abwertung: »Es ist wichtig zu unterstreichen, daß dies keine Maßnahme ist, die uns von außen, vom IWF, aufgezwungen wurde« sagte er in einem Interview und versuchte so, das Offensichtliche zu dementieren. Lipenga, der bereits unter dem kürzlich verstorbenen Präsidenten Bingu wa Mutharika diente, wehrt sich gegen Rücktrittsforderungen der Opposition. Die wirft ihm vor, das Parlament über den Zustand der Wirtschaft im Land wissentlich getäuscht zu haben.

Mutharika hatte nach seinem Bruch mit dem Internationalen Währungsfonds ein Null-Defizit-Budget vorgelegt. Dafür brauchte er aber offensichtlich Kredite von Privatbanken, die Lipenga verschwiegen hatte. Unter seiner neuen Chefin, der ehemaligen Vizepräsidentin Joyce Banda, muß der Minister nun ein anderes Lied singen. Als eine ihrer ersten Amtshandlungen kappte die Staatspräsidentin am Montag vergangener Woche die Bindung der Landeswährung an den US-Dollar – ein Schritt, der einer Abwertung des Kwachas von inzwischen knapp 50 Prozent gleichkam – und vom IWF außerordentlich begrüßt wurde.

Mutharika hatte sich bis zuletzt gegen die Abwertung gestemmt, weil sie die Inflation ankurbele und vor allem die Armen des Landes schmerzen würde. Knapp 40 Prozent der Malawier lebten bereits vor dem Währungsverfall von umgerechnet weniger als einem US-Dollar pro Tag, mit dem neuen Kurs dürfte sich dieser Anteil deutlich erhöht haben. Banda erhofft sich dagegen nun verstärkte Privatinvestitionen und diversifiziertes Wachstum. Der Plan scheint allerdings noch umfangreicher aufzugehen, als von der Neu-Präsidentin vorhergesehen. Bereits am vergangenen Freitag sah sich die Zentralbank des Landes gezwungen, ihren Leitzins um satte drei Prozent von 13 auf nun 16 Prozent zu erhöhen, um der »erwarteten, beschleunigten Inflation« Herr zu werden, wie der Finanzinformationsdienstleister Reuters den Schritt deutete. Knapp 60 Prozent des für die Inflationsberechnung herangezogenen Warenkorbes machen dabei in Malawi Lebensmittel aus, und die Teuerungsrate betrug bereits vor dem großen Ausverkauf der eigenen Währung sieben Prozent. Da die Transportkosten durch die Verteuerung der in US-Dollar gehandelten Treibstoffimporte nun in die Höhe schnellen, dürfte die Maßnahme auch rapide auf die Preise für Güter des täglichen Bedarfs durchschlagen, selbst auf solche, die im eigenen Land produziert werden. Bereits am Freitag waren Benzin (plus 30 Prozent) und Strom (plus 63 Prozent) deutlich teurer. Entsprechende Lohnerhöhungen sind freilich nicht einmal andeutungsweise in Sicht.

Während die Zentralbank fast schon zynisch verlauten läßt, daß von der »Währungsanpassung« eine Senkung der Nachfrage für Importgüter zugunsten vor Ort hergestellter Produkte erwartet wird – was ob der Tatsache, daß sich nun fast niemand in Malawi überhaupt noch Importgüter leisten kann, sehr wahrscheinlich erscheint – heimst Frau Banda, nicht verwandt mit Malawis erstem Präsidenten Hastings Banda, für ihren Schritt großes Lob ein.

»Ich bin ermutigt von Präsidentin Bandas frühen Fortschritten im Amt«, ließ der britische Staatssekretär für Internationale Entwicklung, Andrew Mitchell, vergangene Woche seiner Freude freien Lauf. Banda habe die Bürger Malawis ins Zentrum ihres Regierungsprogrammes gestellt, und »sie hört auf die sensiblen Ratschläge des IWF, wie die Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen ist«. Diese »Sensibilität« sah dabei exakt so aus: Als Bandas Vorgänger Mutharika sich weigerte, sein Finanzwesen nach dem Willen der selbsternannten Washingtoner Weltenretter aufzustellen, kappte die (als UN-Sonderorganisation getarnte) Bretton-Woods-Organisation seinem Land kurzerhand die Kreditzusagen. Die USA und Großbritannien, Haupt-»Geberländer« Malawis, stellten daraufhin die Zahlungen ein. Dem kleinen afrikanische Land, das mit einem Bruttoinlandsprodukt von knapp 700 Euro pro Kopf zu den ärmsten Staaten weltweit gehört und hauptsächlich von Tee- und Tabakexporten lebt, fehlten damit 40 Prozent des Staatsbudgets.

Inzwischen fließen die Finanzmittel wieder. Nach der Währungsabwertung dauerte es nur zwei Tage bis der IWF am vergangenen Mittwoch verlauten ließ, von einer ins Land entsandten Kommission spätestens im Juni positive Ergebnisse für eine Wiederaufnahme der Kreditzahlungen zu erhalten. Doch die Washingtoner Politikmacher am Geldhahn waren sogar noch ungeduldiger. Bereits am Donnerstag verschickten sie die Briefe an die Geberländer, in denen Malawi grünes Licht für neue Kredite erhielt und erneut nur einen Tag später, am Freitag, kündigte Großbritannien schließlich an, Malawi mit 30 Millionen Pfund (37 Millionen Euro) Soforthilfe zu unterstützen.

Analysten wie Fanwell Bokosi, Berater für Wirtschaftspolitik und Entwicklungshilfe am African Forum and Network on Debt and Development (Afrikanisches Forum und Netzwerk für Schulden und Entwicklung) in Harare, Simbabwe, warnen derweil, daß die Abwertung lediglich Symptome kuriere und Malawi statt dessen einen neuen strategischen Wirtschaftsplan inklusive besserer Berufsausbildung brauche. Blieben diese Schritte aus würden »›Abwertung‹ und ›Betteln bei Gebern‹ oder tatsächlich ›guter Wille‹ und ›Kredite Opfer opportunistischer Elemente« werden, »insbesondere derer, die die politische Kontrolle in Malawi haben«. Diese Probleme anzusprechen oder zumindest einen tatsächlichen Wirtschaftsplan zu verlangen, war dem IWF aber offensichtlich zu sensibel – oder in Anbetracht des gewonnenen Einflusses schlicht egal.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 15. Mai 2012


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