Mazedonien nach einem von Gewalt geprägten Wahlkampf:
Sieg der konservativen Regierungspartei - Albanerpartei ohne Chancen. Ergebnis und Hintergrund
Regierungspartei siegt in Mazedonien
Votum in Albanergebieten von Gewalt geprägt
Nach seinem Sieg bei einer von Gewalt überschatteten Parlamentswahl steht Mazedoniens
Regierungschef Nikola Gruevski vor der schwierigen Aufgabe, sein Land zur EU-Mitgliedschaft zu
führen.
Gruevskis konservative Partei VMRO-DPMNE errang bei dem Votum am Sonntag
48 Prozent der Stimmen, wie die nationale Wahlkommission am Montag in Skopje mitteilte. Wegen
Schießereien und anderer Gewaltausbrüche war die Abstimmung in rund 20 Wahlbüros ausgesetzt
worden. Die EU-Kommission und die Bundesregierung äußerten sich besorgt über den Wahlverlauf.
Die Abstimmung galt als Test für Mazedonien, das der EU und der NATO beitreten möchte.
Nach Angaben der Wahlkommission kam Gruevskis VMRO-DPMNE auf 48 Prozent, die
Sozialdemokraten (SDSM) als zweitstärkste Kraft nur auf 23 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei
knapp 60 Prozent. Die VMRO-DPMNE könnte nach Sitzen auf eine absolute Mehrheit kommen.
Gruevski erklärte sich bereits in der Nacht zum Montag zum Sieger. SDSM-Chefin Radmila
Sekerinska gestand die Niederlage ein.
Gewalt in Gebieten mit albanischstämmiger Bevölkerung hatte das Votum beeinträchtigt. In
Aracinovo, wo vorwiegend Bürger albanischer Abstammung leben, wurde ein Mensch erschossen.
Auch über Wahlbetrug und Einschüchterungsversuche wurde dort berichtet. Die Polizei sagte, neun
Menschen, darunter Anhänger der größten Albanerpartei DUI, seien im Zusammenhang mit der
Gewalt festgenommen worden. Auch in Cair im Norden gab es Schießereien, dort wurden zwei
Menschen verletzt. Gruevski kündigte an, in den betroffenen Gebieten werde die Wahl in zwei
Wochen wiederholt. Damit soll vor allem die EU zufriedengestellt werden. Die ehemalige
jugoslawische Teilrepublik hat seit 2005 den Status eines EU-Beitrittskandidaten.
* Aus: Neues Deutschland, 3. Juni 2008
Mazedonien bangt nicht nur um Namen
Vorgezogene Neuwahlen am Sonntag: Albaner lösten schwere Regierungskrise
aus
Von Marko Winter **
Am 1. Juni sind die mazedonischen Wähler aufgerufen, vorzeitig ein neues Parlament (Sobranje) zu
wählen. Am 12. März hatte der Vorsitzende der Demokratischen Partei der Albaner (DPA), Menduh
Thaci, die Koalition mit der slawisch-mazedonischen
VMRO-DPMN von Ministerpräsident Nikola Gruevski aufgekündigt.
Die Regierungskrise in Mazedonien fiel in eine denkbar ungünstige Zeit. Das Hauptaugenmerk der
Regierenden in Skopje richtet sich derzeit nämlich auf den Kampf um den Namen der Republik und
auf den Anschluss an die NATO. Der Staat ist zwar Mitglied der UNO, aber nur als FYROM –
»Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien«. Noch immer beansprucht Nachbar Griechenland
die Bezeichnung Mazedonien ausschließlich für einen Teil seines Territoriums. Eben deshalb
verhinderte Athen durch sein Veto beim Bukarester NATO-Gipfel die Aufnahme von Verhandlungen
über einen Beitritt der Republik zum Militärpakt. Für die Führung in Skopje war das eine böse
Überraschung, denn USA-Präsident George W. Bush hatte ihr einen Aktionsplan für den NATOBeitritt
fest zugesagt. Zum Verzicht auf den Namen Mazedonien ist man in Skopje jedenfalls bisher
nicht bereit.
Ebenso wenig war man bisher bereit, die einseitige Unabhängigkeitserklärung Kosovos
anzuerkennen. Gerade das fordern jedoch die mazedonischen Albaner, die etwa 35 Prozent der
Bevölkerung ausmachen. Mehr noch, Menduh Thaci verlangte von Ministerpräsident Nikola
Gruevski außerdem ein Gesetz zur Resozialisierung der Kämpfer der paramilitärischen Albanischen
Befreiungsarmee, die Anerkennung des Albanischen als offizielle Amtssprache, eine stärkere
Vertretung von Albanern im Staatsdienst, die Gleichstellung der albanischen Flagge mit der
mazedonischen und die Einstellung von Prozessen gegen Albaner wegen Kriegsverbrechen, wie sie
von Den Haag gefordert werden.
Die slawisch-mazedonische Führung ist sich offensichtlich bewusst, dass die albanischen
Forderungen eine direkte Gefahr für die Existenz Mazedoniens darstellen. Zumal Albaniens
Regierungschef Sali Berisha kürzlich vorschlug, am 10. Juni den 130. Jahrestag der Liga von
Prizren in Albanien, Kosovo und Mazedonien feierlich zu begehen. Idee dieser Liga war faktisch die
Schaffung eines Großalbaniens.
Der Beschluss über die Auflösung der Sobranje fiel am 12. April nach einer Marathonsitzung in
Abwesenheit der Opposition und gegen den Willen des Staatspräsidenten Branko Crvenkovski.
Nach Meinung der Opposition hätten Neuwahlen frühestens im Herbst nach einer Verständigung mit
Griechenland im Namensstreit und einer Entscheidung über die künftige NATO-Mitgliedschaft
stattfinden sollen. Doch die regierende VMRO-DPMN von Ministerpräsident Nikola Gruevski setzte
mit Unterstützung der zwei albanischen Parteien DPA und Demokratischen Union für Integration
(DUI) sofortige Neuwahlen durch. Sie liegt in Umfragen derzeit nämlich vorn.
Gruevski setzt auf eine kompromisslose Haltung in der Namensfrage. Die Sozialdemokratische
Union (SDSM), aus der Präsident Branko Crvenkovski kommt, scheint dagegen im Streit mit
Griechenland zu einem Kompromiss bereit zu sein. Die albanischen Parteien DUI und DPA sind
zwar zerstritten, dies aber vor allem bezüglich des eigenen Machtanspruchs. Dagegen hat der vom
Haager Jugoslawien-Tribunal freigesprochene frühere Kosovo-Premier Ramus Haradinaj zur
Vereinigung beider Parteien aufgerufen.
Die VMRO-DPMN tritt zu den Wahlen als Parteienbündnis unter dem Namen »Für ein besseres
Mazedonien« an, die Sozialdemokraten haben sich mit weiteren acht Parteien zum Bündnis »Sonne
– Koalition für Europa« vereint. Der Populismus blüht – und »Europa« fördert ihn nach Kräften.
NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer versprach Spitzenpolitikern in Skopje, Mazedonien
könne an Vorbereitungsgesprächen über einen Beitritt zum Militärpakt teilnehmen, sobald ein
Kompromiss mit den Griechen erreicht sei. Und die EU hat für diesen Fall umfangreiche
Wirtschaftshilfen und beschleunigte Aufnahmegespräche zugesagt. Wie sich das auf das
Wahlergebnis auswirken wird, bleibt abzuwarten.
** Aus: Neues Deutschland, 31. Mai 2008
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