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Widerstand in der Regierungskoalition gegen Bundeswehreinsatz in Makedonien wächst

Ein Papier der Bündnisgrünen Martina Fischer und Dieter Reinhardt

Einen Beschluss zum Einsatz der Bundeswehr an der Seite der NATO im Makedonien-Konflikt wird es im Bundestag nicht mehr so leicht geben wie 1998 in Sachen Kosovo. Zwar ist durchaus denkbar, dass die CDU/CSU/FDP-"Opposition" aus taktischen Gründen gegen einen entsprechenden Antrag der Regierungskoalition stimmen wird, es dürfte aber einige "Dissidenten" aus deren Reihen geben, die mit der Regierung stimmen werden. Damit wird es eine Mehrheit für einen Bundeswehreinsatz geben, auch wenn diesmal die innere Opposition stärker ist als vor drei Jahren. In der SPD-Fraktion kursiert eine Unterschriftensammlung gegen einen Militäreinsatz, die bereits von 23 Abgeordneten unterzeichnet worden sein soll. Regierungstreue Abgeordnete wie Gernot Erler, Gert Weisskirchen und Peter Zumkley halten dagegen und haben ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie ihr uneingeschränktes Ja zum Bundeswehreinsatz begründen (das Papier ist dokumentiert in der Frankfurter Rundschau vom 31. Juli 2001). Die Argumentation ist derart stromlinienförmig und in rührend naiver Weise NATO-gläubig, dass es nicht lohnt, dieses Papier hier wiederzugeben. Nur zwei Zitate sollen die peinliche Ignoranz der Verfasser des SPD-Papiers belegen:

"Die Unterstellungen zu einer proalbanischen Haltung des Westens sind nachweislich falsch und beruhen auf Schutzbehauptungen der mazedonischen Regierung in Anbetracht ihrer militärischen Schwäche (Verschwörungstheorie). Die KFOR unterbindet an der mazedonisch-kosovarischen Grenze Nachschublieferungen für die mazedonische UK (mehrere Konvois wurden in den letzten Wochen abgefangen), der Waffenstillstand im Kosovo wird von einer EU-Monitoring-Mission und von einer OSZE-Mission überwacht."
Das zweite Beispiel:
"Die Soldaten von "Essential Harvest" werden bestmöglich geschützt, aber ohne Ausrüstung und ohne Auftrag für einen Kampfeinsatz nach Mazedonien geschickt. Hält trotz ihrer Anwesenheit die politische Lösung nicht und kommt es zu einer Wiederaufnahme der Kampfhandlungen, dann hat die Nato nur eine einzige Option, nämlich die eigenen Kräfte wieder sicher herauszuholen. Auf keine andere Variante, also auch nicht auf irgendeine mit Kampfeinsätzen verbundene militärische Intervention, ist die Nato auch nur technisch vorbereitet. Eine politische Bereitschaft zu einem solchen anderen Einsatz ist bisher nirgends bei den Nato-Partnern zu entdecken."

Von einer anderen Qualität ist das Papier der beiden Vertreter der Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden der Grünen, Martina Fischer und Dieter Reinhardt, das dieser Tage an alle Abgeordneten der Bündnisgrünen geschickt wurde und aus dem wir im Folgenden die wesentlichen Teile dokumentieren.

Martina Fischer und Dieter Reinhardt schreiben:

... Wir, die Sprecher der BAG Frieden im Fachbereich Außenpolitik, kommen - ähnlich wie zahlreiche Stimmen aus der Friedensbewegung und -forschung - zu dem Schluss, dass die Mitglieder des deutschen Bundestages einem militärischen Einsatz mit derart unklarem Ausgang und unklarer Zielbestimmung auf keinen Fall zustimmen sollten.

Der von der Nato geplante 30-tägige Einsatz zum Einsammeln von Waffen ist unrealistisch. Zahlreiche Experten haben mit Recht darauf hingewiesen, dass es in dieser Zeitspanne allenfalls zu einer symbolischen Entwaffnung (sprich der freiwilligen Abgabe schrottreifer Bestände) kommen würde und dass die Frist von den gewaltbereiten Kräften eher für eine Atempause genutzt würde. Die Frage, ob die Bundeswehr sich an einem Nato-Einsatz beteiligen soll, ist eng verbunden mit der Beantwortung anderer umfassenderer Fragen: Warum war es nicht möglich, den Beginn der Kämpfe zu verhindern und warum verlaufen die Verhandlungen so schwierig? Welche Rolle haben die USA, die Nato, die EU und die OSZE dabei gespielt?

Die Situation: Zuspitzung zu einem bevorstehenden Bürgerkrieg

Seit Februar 2001 gibt es bewaffnete Überfälle der UCK (NLA). Bei der UCK im Kosovo steht das K für Kosoves, in Mazedonien hingegen für Kombetare, dem albanischen Wort für national; die UCK in Mazedonien heißt übersetzt Nationale Befreiungsarmee oder National Liberation Army / NLA in Mazedonien. Über 100 000 Menschen sind in den Kosovo geflüchtet oder sind Flüchtlinge im eigenen Land und der Hass zwischen den Bevölkerungsgruppen ist gewachsen.

In keiner anderen Konfliktregion gibt es eine so hohe Dichte von Vermittlern und Sondergesandten wie seit einigen Monaten in dem zwei Millionen Einwohner-Staat Mazedonien. In keiner anderen Krisenregion ist die so genannte "internationale Gemeinschaft" militärisch so massiv präsent: 40 000 Soldaten sind in Kosovo und viertausend Nato-Soldaten sind in Mazedonien stationiert, wo sich die logistische Zentrale der Kfor befindet.

Es ist folgerichtig und politisch wünschenswert, die mazedonische Regierung und die albanischen Parteien zu drängen, mit Hilfe einer neuen Verfassung das Land zu befrieden. Eine entscheidende Voraussetzung für eine solche Kompromissfindung wird jedoch sein, dass gleichzeitig das militärische Potenzial der UCK neutralisiert wird und dass die Nato und die UN massiven Druck auf die UCK im Kosovo und in Mazedonien ausüben. Hierzu fehlt aber offensichtlich der politische Wille oder genauer: es gibt unterschiedliche miteinander konkurrierende Strategien gegenüber der UCK zwischen den USA und der EU, eventuell sogar innerhalb der Regierungsadministration der USA. Hier wiederholt sich die falsche Politik der Nato gegenüber der UCK. ...

Konflikteskalierende Maßnahmen ausländischer Akteure in Mazedonien

Eine Reihe von Maßnahmen und Versäumnissen, die die so genannte internationale Gemeinschaft zu verantworten hat, haben letztlich zu der Eskalation in Mazedonien maßgeblich beigetragen:
  • Kurze Zeit, nachdem Nato-Kontingente in Kosovo einrückten, wurde erklärt, die etwa 20 000 Mann starke UCK sei entwaffnet und aufgelöst worden. Gleichzeitig wurde ein 5000 Mann umfassendes "Kosovo Protection Corps", KPC aufgestellt, in dem wiederum die vormaligen Befehlshaber der UCK das Sagen hatten. Niemand gab Erklärungen über den Verbleib der übrigen Kombattanten ab. Wenige Monate nach ihrer angeblich vollständigen Auflösung gelangten UCK-Einheiten ungehindert durch den US-amerikanischen Sektor in die demilitarisierte Zone und griffen von dort aus Ziele in Serbien an. Woher bezogen sie ihre Waffen und wie war es angesichts der Präsenz von 40 000 Kfor-Soldaten möglich, dass sie über eine international zu schützende Grenze hinweg Angriffe lancieren konnten?
  • Im Februar 2001 begannen ausgerüstete militärische Einheiten aus dem Kosovo auch die Lage in Mazedonien zu destabilisieren. Auch in diesem Fall wurde dies von der Nato/Kfor nicht verhindert. Es ist ein politischer Skandal, dass Nato/Kfor-Truppen die UCK militärisch und finanziell nicht soweit geschwächt haben und die Grenzgebiete so überwacht haben, dass sie zunächst vorübergehend in Südserbien Gewaltakte verüben und anschließend einen neuen Krieg vom Kosovo aus nach Mazedonien hineintragen konnten. Die Nato/Kfor verfügte und verfügt über ausreichend Machtmittel diese Angriffe zu verhindern. Dies lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass sich innerhalb der Nato/Kfor diejenige politische Position durchgesetzt hat, die das UCK-Vorgehen in Mazedonien toleriert oder aber sogar unterstützt hat und nach wie vor unterstützt.
  • Es ist bekannt, dass die UN-Polizei im Kosovo seit langem fordert, führende UCK-Mitglieder im Kosovo wegen nachweisbaren illegalen Delikten, wie Heroin- und Waffenhandels, Mord und Erpressung, zu verhaften. Deutsche Polizeibeamte kritisierten wiederholt, die Spitze des VN-Protektorats sei zu nachsichtig mit der UCK umgegangen und habe das ihr zur Verfügung stehende Instrumentarium nicht konsequent genug eingesetzt. Das Kosovo Protection Corps bilde eine wesentliche Säule der fortbestehenden UCK und sei aktiv am Waffenschmuggel über die Berge beteiligt. Die Kfor-Führung verhindert bis heute ein schärferes Vorgehen gegen die UCK.
  • Das Hamburger Abendblatt und BBC erhellten am 28. Juni 2001 darüber hinaus Erstaunliches: Die Zeitschrift berichtet von 17 ehemaligen US-Offizieren, die sich als "Instrukteure" den 400 UCK-Rebellen angeschlossen haben,die Mitte Juni einen Vorort von Skopje erobert hatten. Diese Rebellen und "Instrukteure" wurden BBC zufolge am 25. Juni unter dem Begleitschutz von insgesamt 80 amerikanischen in Mazedonien stationierten Soldaten mit Bussen aus dem Vorort abtransportiert. In von den USA zur Verfügung gestellten Bussen durften die Rebellen auch ihre Waffen mitnehmen, größtenteils hochmoderne US-Fabrikate, so das Abendblatt. ...
  • Aufklärung verlangt auch der Hinweis der Medien, die Rebellen verfügten über modernste Waffen. Glaubwürdige Beobachter aus der Region berichteten wiederholt, beide Seiten, das heißt sowohl die albanischen Kämpfer als auch die mazedonischen seien mit Waffen aus US-Beständen aus- und aufgerüstet worden. Auch die Armee Mazedoniens erhielt keineswegs nur von der Ukraine und Bulgarien Waffen und Söldner; wie ein internes Nato-Dokument (einer Meldung der Nachrichten Agentur Reuters vom 28. Juni 2001 zufolge) offenlegt, haben insgesamt zehn Nato-Mitgliedsländer in den letzten fünf Monaten Mazedonien mit Waffen beliefert.
  • Im Mai vermittelte der Amerikaner Robert Frowick Geheimabsprachen zwischen den beiden albanischen Parteien und der NLA. (Der Neuen Züricher Zeitung zufolge hielt sich Frowick in Mazedonien seit März als "Sondergesandter des amtierenden OSZE-Vorsitzenden" auf, des rumänischen Außenministers, ohne "jede Einbindung in die OSZE-Mission" in Mazedonien, NZZ-Online 25. Mai 2001) Diese Geheimabsprachen führten zu einem Eklat; die mazedonische Regierung forderte Frowick auf, das Land zu verlassen. In der Folge kam es nicht nur zu einer massiven diplomatischen Schwächung der OSZE in Mazedonien, sondern auch zu einer starken Beeinträchtigung der Verhandlungen zwischen den albanischen Parteien und der Regierung und insbesondere zu einer politischen Aufwertung der NLA.
  • Während Nato-Generalsekretär Robertson die NLA als "Terroristen" bezeichnete, unterhielt die Nato zur NLA gleichzeitig so genannte "technische Kontakte" bzw. wurde der NLA signalisiert, dass sie ein potenzieller Verhandlungspartner ist, und wurde ein Rückzug eskortiert.
  • Ähnlich, wie auch im Vorfeld des militärischen Eingreifens im Kosovo/Jugoslawien, wurden auch bei der Zuspitzung der Situation in Mazedonien die Vereinten Nationen an den Rand gedrängt bzw. deren Warnungen schlicht ignoriert. Die von den VN geführte UNPREDEP-Mission war ein vorbildliches Beispiel für präventive Diplomatie. Leider wurde sie - vermutlich durch eine diplomatische Intrige, oder aber durch unverzeihliche Ignoranz - zum Verlassen des Landes gezwungen, als ein aus den Vereinigten Staaten in die USA zurückgekehrtes Mitglied des jugoslawischen Staatsrats mit dem Versprechen eines Geldgeschenkes die mazedonische Führung zur Anerkennung Taiwans bewegte. China reagierte seinerzeit darauf mit einem Veto im Sicherheitsrat gegen die Verlängerung des UNPREDEP-Mandats. Der Abzug der Mission erleichterte die Entscheidung zur militärischen Intervention im Kosovo, führte jedoch in fataler Weise zu einer Destabilisierung der Lage in Mazedonien. Die Verantwortung für diese Entwicklung allein der Regierung Chinas zuzuschieben, erscheint zu simpel: Es fragt sich, warum weder die europäischen noch die amerikanische Regierungen versuchten, die mazedonische Führung von diesem folgenreichen Schritt (der Anerkennung Taiwans) abzuhalten.
Zusammenfassend lässt sich festhalten:

Die Mazedonische Regierung trägt zweifellos einen Anteil an der Zuspitzung der Situation. Die westliche Politik, die es versäumte, Ende der 90er Jahre eine gemeinsame Mission für Mazedonien und Kosovo anzustreben und stattdessen auf militärische Lösungen (wie z. B. die Bombardierung Jugoslawiens und eine anschließende Besetzung des Kosovo) setzte, hat allerdings eine Mitverantwortung für die weitreichende Destabilisierung. Im Zuge der Nato-Luftangriffe wurde aus Mazedonien 1999 ein kombiniertes Militär- und Flüchtlingslager. Die damit verbundenen Bevölkerungsverschiebungen und Belastungen trugen nicht unwesentlich zu den jetzigen Konfrontationen und Zerfallserscheinungen bei. Dies lässt sich - wenn überhaupt - sicher nicht mit weiteren fragwürdigen und planlosen Truppenentsendungen, sondern allenfalls mit gemeinsamen politischen Initiativen reparieren.

Bisher spricht alles dafür, dass weder die albanischen Kräfte noch die mazedonische Regierung zu ernsthaften Waffenstillstandsvereinbarungen und substanziellen politischen Abkommen bereit sind, sondern dass sie mit ihrem Verlangen nach Stationierung von Nato-Truppen unterschiedliche Interessen verfolgen: dass sie nämlich unter anderem darauf setzen, dass die Nato leicht über den Ablauf der anvisierten 30 Tage hinaus längerfristig im Lande gehalten werden und für die jeweiligen Machterhaltungsinteressen instrumentalisiert werden kann. ... So genannte "robuste Militäreinsätze", wie sie von den Nato-Verantwortlichen erwogen werden, werden nicht zu einer langfristigen Stabilisierung der Situation beitragen, sondern diesem Prozess eher zuwiderlaufen. Das Risiko ist groß, dass sie weitere Destabilisierung nach sich ziehen. ...

Stattdessen ist eine Reihe weiterer deeskalierender Maßnahmen denkbar: Maßnahmen zur Deeskalation statt "robuster" Militäreinsätze Zum Ersten sollte parallel zu den Vermittlungsbemühungen um Verhandlungen der Parteien in Mazedonien der Druck auf die UCK innerhalb Kosovos und Mazedoniens massiv erhöht werden.

Das bedeutet:
  • Strafbefehle gegen führende UCK-Führer auf Grundlage polizeilicher Ermittlungen auszustellen und diese vor Gericht zu stellen
  • Effektive Grenzkontrolle zu gewährleisten, eventuell durch eine Neuauflage von UNPREDEP, die dieses bis kurz vor dem Kosovo-Krieg erfolgreich getan hat.
  • Finanzielle Unterstützung aus dem westlichen Ausland zu stoppen. Erst am 15. Juli beschlossen die EU-Außenminister insgesamt 38 UCK und NLA Führern keine Visa für die Einreise in EU-Mitgliedsstaaten auszustellen. Derartige Maßnahmen, um das Vorgehen dieser Kämpfer zu delegitimieren und Druck auszuüben, hätten viel früher erfolgen müssen. Auch Bemühungen, die finanzielle Unterstützung der UCK/NLA aus dem Ausland zu unterbinden, erfolgen sehr zögerlich und hätten viel früher begonnen werden müssen. Jedoch bilden diese Sanktionsmaßnahmen Schritte in die richtige Richtung. Sie müssten jedoch mit Initiativen zur Unterbindung des Waffentransfers, insbesondere aus den USA und aus EU-Mitgliedsländern gekoppelt werden.
Zum Zweiten sollte der Vorschlag der griechischen Regierung, so bald wie möglich eine neue Balkan-Konferenz einzuberufen, aufgegriffen werde. Zum Dritten sollten erste Projekte im Rahmen der EU-Assoziierung Mazedoniens initiiert und damit der Regierung bzw. den albanischen Parteien positive Anreize für eine friedliche Konfliktbearbeitung geboten werden. Die Abgeordneten des deutschen Bundestags sollten sich auch dafür einsetzen, dass Kürzungen im Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit für den Stabilitätspakt in Osteuropa rückgängig gemacht werden und eine europäische Politik auf den Weg gebracht wird, die eine ökonomische, soziale und politische Entwicklung und die Integration Südosteuropas begünstigt.

Die Vereinten Nationen wieder ins Spiel bringen

Der von Nato-Truppen eskortierte Abzug der NLA hat zu einem sehr großen Vertrauensverlust in der slawisch-mazedonischen Bevölkerung geführt und wütende Proteste hervorgerufen. Der Friedensprozess war sogar vorübergehend gefährdet. Egal ob eine Parteinahme beabsichtigt war - es reicht, dass die Aktion als solche erschien und von den Konfliktbeteiligten so interpretiert wurde. Dadurch ist die Nato für einen Teil der Akteure nicht mehr vertrauenswürdig und als Schlichter "verbrannt". Um eine politische Lösung zu finden, die den Kosovo und Mazedonien einschließt, müssen die Vereinten Nationen als Schlichter ins Spiel kommen.

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags sollten sich daher dafür einsetzen, dass der Sicherheitsrat der VN und ihre Regionalorganisation, die OSZE, den Auftrag erhalten, den Prozess der Entwaffnung der albanischen Kämpfer zu überwachen. Dies hätte den Vorteil, dass Russland in die Verantwortung für eine friedliche Bearbeitung des Konflikts eingebunden wird. Allerdings müsste man ehrlicherweise davon ausgehen, dass ein solcher Auftrag, als "Schiedsrichter" noch zu schließende Abkommen und Vereinbarungen zwischen den Konfliktparteien zu überwachen, mehr Zeit in Anspruch nehmen wird, als 30 Tage. Die Frage, ob man für solche Zwecke Personal zu entsenden bereit ist, darf auf keinen Fall mit Fragen des Verteidigungshaushalts verknüpft werden. Auch ist fraglich, ob für einen solchen Auftrag überhaupt militärisches Personal vonnöten ist.

Es ist nicht zu spät, endlich Lehren aus dem Kosovo-Krieg zu ziehen Darüber hinaus sollten in einer öffentlichen Debatte hier zu Lande endlich Lehren aus den Versäumnissen der Vergangenheit und Schlussfolgerungen für einen zukünftigen präventiven Umgang mit Staatszerfall und sich anbahnenden ethnopolitischen Kriegen innerhalb und außerhalb Europas gezogen werden. ...

Eine sachliche Debatte über den Sinn und Zweck von militärischen Einsätzen und vor allem die Auswirkungen militärischer Intervention in ethnopolitischen Konflikten kann der Entscheidungsfindung in zukünftigen außenpolitischen Fragen nur dienlich sein. Es wird überdies der Überzeugungskraft dieser Partei nützen.

Der Versuch, stattdessen den Kosovo-Einsatz der Nato in einem Grundsatzprogramm nachträglich als "statthafte Ausnahme" zu legitimieren, noch bevor man sich überhaupt an einer öffentlichen Aufarbeitung seiner Auswirkungen zusammen mit Experten aus der Friedensforschung und -bewegung beteiligt hat, erscheint uns dagegen unzulässig. Dabei handelt es sich auch um den Versuch, einen in entscheidenden Fragen vorhandenen Dissens zuzudecken.

Wir werden uns deshalb dafür einsetzen, dass diese in letzter Minute vor der Veröffentlichung des Programmentwurfs aufgenommene Formulierung im endgültigen Programm ersatzlos gestrichen wird.

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