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Mazedonien: Ein neues Protektorat der NATO auf dem Balkan

Eine Bilanz des Jahres 2001

Solange Milosevic in Belgrad das Sagen hatte, war die Welt zumindest aus westlicher Sicht noch in Ordnung. Das heißt, man konnte die sprichwörtliche Unordnung auf dem Balkan, die verheerenden Kriege um die Loslösung aus dem jugoslawischen Staatsverband, die Revitalisierung nationalistischer, ethnischer oder religiöser Konflikte auf die Politik der serbischen Unperson Nr. 1 zurückführen. Seit Oktober 2000 regiert in Belgrad ein "demokratisches Regime", das mit dem beinahe korrekt gewählten neuen Präsidenten Kostunica und dem - im Dezember - demokratisch bestätigten Regierungschef Djindjic die besten Voraussetzungen erfüllte, vom Westen (der NATO und der EU) akzeptiert zu werden. Mit der Verhaftung des leibhaftigen Gottseibeiuns am 1. April 2001 und dessen umstrittene Auslieferung an Den Haag Ende Juni hat die Regierung Djindjic das Tor zum Westen noch ein Stück weiter aufgestoßen. Soweit könnte der siegreich beendete NATO-Krieg gegen Jugoslawien mit zweijähriger Verspätung also als voller Erfolg einer "robusten" Friedenserzwingung in die jüngste Geschichte des Balkan eingehen. Doch mit dem militärischen Sieg stellte sich keineswegs auch der politische Erfolg ein. Im Gegenteil: Weder konnte die politische "Stabilisierung" der Region erreicht noch das Versprechen eines multinationalen bzw. multiethnischen Kosovo eingelöst werden. Zwei Jahre nach dem "Kosovo-Krieg" ist das Kosovo faktisch von Serbien/Jugoslawien abgetrennt, albanische Separatisten setzten unter dem Signum UCPMB ("Befreiungsarmee von Presevo, Medeva und Bujanovac") ihre Terrorangriffe in südserbischem Gebiet fort, das Kosovo selbst ist zu einer von Serben, Roma und anderen Minderheiten weitgehend "befreiten" Zone geworden und über 200.000 Menschen sind - vermutlich auf Dauer - aus der Region vertrieben worden - über all das haben wir im letzten jährigen Friedens-Memorandum ausführlich berichtet.

Zu allem Überfluss wurde im Frühjahr 2001 die Republik Makedonija (im Folgenden verwenden wir die Schreibweise "Mazedonien"), die sich schiedlich-friedlich schon 1991 von Jugoslawien verabschiedet hatte, vom Krieg heimgesucht. Und was das Schlimmste dabei aus Sicht des Westens ist: Es gibt keinen Anhaltspunkt mehr dafür, dass der als "Hitler des Balkan" verfemte Ex-Präsident Milosevic seine schmutzigen Hände im Spiel hat. Die Hauptakteure des makedonischen Dramas gehören vielmehr zu den gehätschelten Weggefährten und Kampfesbrüdern der NATO: Es sind die albanischen "Rebellen", "Widerstandskämpfer", "Freiheitskämpfer" oder wie sie auch immer genannt wurden, die den Krieg über die Grenzen des Protektorats Kosovo hinaus- und nach Mazedonien hineingetragen haben. Tatsächlich geriet die NATO in Gefahr, Gefangene der eigenen Ideologie und Propaganda zu werden. Wochenlang operierte im Nordwesten des Landes, der mehrheitlich von Albanern bewohnt wird, eine "Befreiungsarmee", die sich wie ihre kosovarische Vorgängerin "UCK" nennt. Im Januar griff sie eine Polizeistation im westmazedonischen Tearce an. Im Februar lieferte sie sich Gefechte mit der mazedonischen Polizei, nachdem diese ihrem Hauptquartier im abgelegenen Bergdorf Tanusevci zu nahe gekommen war. Tanusevci, unmittelbar an der Grenze zum Kosovo gelegen, diente schon während des Bürgerkriegs mit den Serben im Kosovo als Trainings- und Nachschublager für die UCK. Die mazedonischen Behörden haben schon seit Jahren keinen Zugriff mehr auf diesen Ort. Von hier aus wird auch die UCPMB in Südserbien versorgt. Und ab Mitte März belagerte und beschoss die UCK von den Ausläufern des Sar-Gebirges herunter die zweitgrößte Stadt Mazedoniens, die 60.000 Einwohner große Stadt Tetovo. Damit erhielt der Guerillakampf zweifellos eine neue Qualität. Er sollte in die Städte hinein getragen werden und die albanische Minderheit in Mazedonien zum Aufstand aufwiegeln. Der UCK ging es um nicht mehr und nicht weniger als um eine Angliederung des albanisch majorisierten Teils Mazedoniens an das Kosovo mit der späteren Option eines großalbanischen Balkanstaates. Über die Etappen des "Kampfes" gab der Sprecher der UCK in Mazedonien, Sadri Ahmati, in einem taz-Interview bereitwillig Auskunft:

taz: Wir lauten die Ziele der UCK in Mazedonien?
Sadri Ahmati: Wir streben die Befreiung des gesamten Territoriums an.
taz: Wo ziehen Sie denn die Grenzen dieses Territoriums?
S. A.: Es handelt sich dabei um Territorien, in denen die Albaner die Bevölkerungsmehrheit stellen. Wir erheben jedoch auch Anspruch auf jene Städte, die historisch unsere Städte waren.
taz: Das heißt, Sie erheben auch Anspruch auf die Hauptstadt Skopje?
S. A.: Ja.
(taz, 22.03.2001)

Der NATO waren anfangs angeblich die Hände gebunden. Sie habe kein Mandat, in die Kämpfe in Mazedonien einzugreifen, hieß es noch im Februar in Brüssel - als habe die NATO bei ihrem Krieg gegen Jugoslawien vor zwei Jahren auf ein "Mandat" gewartet. Die Kämpfe seien eine innere Angelegenheit Makedoniens. Das Problem war allerdings, dass in Mazedonien NATO-Truppen und andere Einheiten von KFOR stationiert sind, unter anderem auch eine Einheit (rund 1.200 Soldaten) der Bundeswehr. Ein weiteres Problem bestand darin, dass Mazedonien mit der NATO kooperiert hatte, als es darum ging, in die "inneren Angelegenheiten" Jugoslawiens einzugreifen - 1999 nämlich, als die NATO ihren Krieg gegen Jugoslawien zum Teil von Mazedonien aus führte. Schließlich hatte sich Mazedonien großzügig an der Aufnahme von albanischen Flüchtlingen aus dem Kosovo während des Krieges beteiligt. Zum Dank dafür erklärte sich die NATO nun für nicht zuständig. Dafür gab es eigentlich nur zwei Erklärungen. Einmal musste es der NATO tatsächlich schwer fallen, den einstigen Verbündeten, die UCK, so ohne weiteres fallen zu lassen, auch wenn sie sich nicht mehr an die ursprünglich vereinbarten Spielregeln hält. Die Unabhängigkeit des Kosovo hatte man wohl in Aussicht gestellt, ein "Großalbanien" war den Albanern aber nicht versprochen worden. Zum anderen drohte der NATO, was sie schon während des Krieges gegen Jugoslawien fürchtete wie der Teufel das Weihwasser: eine Verwicklung in einen Bodenkrieg mit einer zu allem entschlossenen Bürgerkriegsarmee. Nur so waren auch die Appelle an die Regierung in Skopje zu verstehen, maßvoll zu handeln und eine Eskalation zu vermeiden, während der UCK signalisiert wurde, sie hätte von der NATO nichts zu fürchten, solange sie sich nicht an ihr vergreife.

Doch es kommt noch etwas hinzu. Der NATO waren keineswegs die Hände gebunden, die UCK im Kosovo zu entwaffnen, die Grenze vom Kosovo nach Mazedonien zu sichern und - zumindest für UCK-Kämpfer - undurchlässig zu machen. Dies hat sie gründlich versäumt. In einer Stellungnahme der Amerikanischen Juristenvereinigung AAJ (American Association of Jurists) vom März wurde auf die "kriminelle Mittäterschaft" der NATO-KFOR-Truppen hingewiesen. Diese Komplizenschaft hätte darin bestanden, dass eine multinationale Armee von 40.000 Soldaten, ausgestattet mit der modernsten Ausrüstung (most sophisticatet equipment), sich nicht in der Lage sah, die bewaffneten Gruppen im Kosovo "zu kontrollieren, zu neutralisieren, zu entwaffnen" - in einem Territorium von nur 11.000 qkm Größe. Insbesondere die US-Streitkräfte, verantwortlich für den Grenzabschnitt Südserbien und Nordmazedonien, hätten darüber hinaus den illegalen bewaffneten Banden aktive logistische Unterstützung geleistet (das berichtete auch der britische "Observer" vom 11.03.2001). Auch Willy Wimmer, CDU-Bundestagsabgeordneter kritisierte in einer Stellungnahme vor allem die US-Streitkräfte. Sie hätten die "albanischen Extremisten unterstützt", die jetzt makedonische Sicherheitskräfte angriffen. "Was wir hier erleben, ist kein Zufall, sondern unter den Augen und durch die Förderung der Armee der Vereinigten Staaten entstanden." (Welt am Sonntag, 18.03.2001) Im Kosovo könne sich "keine Maus bewegen, ohne dass die KFOR es mitbekommt", sagte Wimmer weiter. Wenn albanische Kämpfer in benachbarte Regionen einsickerten, müsse dies mit Billigung der USA geschehen sein. Wimmer tritt auch entschieden der Behauptung entgegen, der Konflikt in Makedonien sei in erster Linie "hausgemacht", eine Behauptung, die von der Verantwortung der KFOR-Streitkräfte im Kosovo ablenken soll. In einem Freitag-Interview erklärt er: "Es ist doch wirklich absurd, bei Mazedonien die These vom inneren Konflikt zu vertreten. Dieser Nachfolgestaat der ehemaligen jugoslawischen Föderation konnte sich zehn Jahre lang aus kriegerischen Konflikten heraushalten, auch weil Albaner mit ihren Parteien an der Regierung beteiligt sind. Ausgerechnet diesen Staat trifft es jetzt und man hat die Stirn zu sagen, bei eurer jetzigen Krise habt ihr es mit euren eigenen Angelegenheiten zu tun - das kann ich nicht verstehen." (Freitag Nr. 13, 23.03.2001)

Die Crux der westlichen Balkan-Politik lag aber vor allem darin, dass sie jenseits der Zerschlagung Jugoslawiens kein tragfähiges politisches Konzept für die Region anzubieten hatte und bis heute auch nicht hat. Sie war sich noch einig gewesen in der Entmachtung des Erzfeindes Milosevic, sie hatte aber keine Vorstellung, wie sie die nationalistischen Geister, die sie selbst gerufen hatte, wieder los werden konnte. Mazedonien ist ein Staat mit zwei Millionen Einwohnern, ein Viertel davon (die Albaner behaupten: ein Drittel) besteht aus ethnischen Albanern. Auf die Restgebiete gibt es historische Ansprüche von Seiten Griechenlands, aber auch Bulgariens. Rund 70.000 Menschen bekennen sich auch in der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro, das sich insgesamt selbstständig machen will, zur albanischen Entität. Bekannt ist auch, dass sich Kroaten und Serben aus dem in Dayton kreierten bosnischen Staatswesen lieber heute als morgen verabschieden würden. Eine mittlere Explosion Mazedoniens hätte also zu weiteren Kettenreaktionen führen können.

Das militärische Hantieren der UCK in Mazedonien brachte die Hilflosigkeit und Uneinigkeit des Westens zum Ausdruck. Während man der EU durchaus unterstellen kann, dass sie auf einen neuen Konfliktherd in Südosteuropa nicht gerade erpicht war, gilt das nicht unbedingt für die USA. Die Stabilisierung des Balkans stand auf der strategischen Wunschliste der US-Administration nie auf einem vorderen Rang. Wer wie die USA ausschließlich "geopolitische" Interessen verfolgt, kann von einem Krisenherd hier und einem Krieg dort sogar profitieren, weil man mit ihnen nach Belieben die Unentbehrlichkeit weltweiter militärischer Präsenz begründen kann. Die gezielte Förderung des albanischen Separatismus in Form der UCK war seit 1998 Teil dieser Strategie im Kosovo und ist es hinsichtlich Mazedoniens für die USA bis heute geblieben. Der "Observer" schrieb hierzu: "Die Vereinigten Staaten unterstützten heimlich die ethnisch-albanischen Extremisten, die nun Aufstände in Mazedonien und Südserbien anzetteln. Der CIA ermutigte ehemalige Kämpfer der Befreiungsarmee von Kosovo (UCK) zu Widerstandsaktionen in Südserbien, um damit das Regime des damaligen Präsidenten Slobodan Milosevic zu unterminieren - dies berichten übereinstimmend sowohl mehrere europäische Offiziere, die in der internationalen Friedenstruppe KFOR tätig waren, als auch führende mazedonische und US-amerikanische Quellen. Sie klagen die amerikanischen Streitkräfte und die KFOR an, den massiven Menschen- und Waffenschmuggel über die Grenze des Kosovo hinweg bewusst ignoriert zu haben." (The Observer, 11.03.2001) Die Terroraktionen der UCK in Nordmazedonien begleitete Washington mit demonstrativer Gelassenheit. Sollen sich doch die Europäer um ihren südosteuropäischen Vorhof kümmern. Sollen sie doch selber erklären, warum die UCK-Albaner im Kosovo - wie die Londoner "Times" schrieb - zu den "good Albanians", in Makedonien aber zu den "bad ones" gehören, einmal als "freedom fighters" gefeiert, das andere Mal als "mischief-makers" (Unruhestifter) verurteilt werden sollen. Sie selbst wusste schon, was sie wollten. Michel Chossudovsky vermutet in einer Analyse, die USA hätten den "heimlichen Krieg" in der Absicht geführt, "Amerikas Einflusssphäre in Südosteuropa (zu) festigen" (vgl.Chossudowski). Dieses Ziel diene direkt den Ölgiganten BP-Amoco-ARCO, Chevron und Texaco. Ihnen gehe es um den "strategischen Transport, Kommunikations- und Ölpipeline-´Korridor` Bulgarien-Mazedonien-Albanien vom Schwarzen Meer zur Adria." Mazedonien liegt dabei am wichtigen Knotenpunkt des genannten Korridors. Mittel zum Ziel ist die Schaffung eines "Flickenteppichs von Protektoraten" auf dem Balkan. Die UCK spielt hierbei lediglich die Rolle eines Gehilfen, für den am Ende möglicherweise die - teilweise - Befriedigung seiner albanisch-nationalistischen Gelüste steht.

Erst als der Terror der UCK den Strategen in NATO, EU und USA zu entgleiten drohte, besann sich der Westen auf ein abgestimmtes Vorgehen, das weder die Ansprüche der UCK vernachlässigen noch die Regierung in Skopje desavouieren sollte. Im Sommer drängten die deutsche Regierung, NATO-Generalsekretär Robertson und der EU-Beauftragte für Außenpolitik, Javier Solana, auf die Stationierung einer NATO-Truppe, welche die Waffen der UCK einsammeln und im Gegenzug die mazedonische Regierung veranlassen sollte, der albanischen Minderheit mehr Rechte einzuräumen. Am 24. Juni kam es in Aracinovo zu einer von der EU vermittelten Waffenruhe. Der EU-Gipfel einen Tag später in Luxemburg bot seine Vermittlerdienste an, beschloss aber gleichzeitig, alle Finanzhilfen an die mazedonische Regierung einzufrieren. Zuvor hatte die NATO beschlossen, für eine "freiwillige" Entwaffnungsaktion der UCK 3.000 Soldaten bereit stellen zu wollen (der Beschluss wurde am 29. Juni präzisiert). Am 25. Juni jedoch gaben NATO-Einheiten im KFOR-Gewande den UCK-Kämpfern freies Geleit beim Abzug aus ihrer Hochburg Aracino. Ihre Waffen und Ausrüstungen durften sie behalten! Aus der Waffenruhe von Aracino wurde am 5. Juli ein "unbegrenzter" Waffenstillstand, der zwischen den Konfliktparteien unter NATO-Vermittlung vereinbart wurde. Danach erarbeiteten - unterbrochen von einigen Rückschlägen - die Parteien des mazedonischen Parlaments ein Abkommen, das am 13. August von ihnen und von den Vermittlern François Léotard (EU) und James Pardew (USA) unterschrieben wurde. Die wichtigsten Vereinbarungen waren:
  • Die Präambel der Verfassung wird dahingehend verändert, dass Mazedonien nicht mehr, wie bisher, als Staat der - "slawischen" - Mazedonier, sondern als Staat aller seiner Bürger bezeichnet wird. Damit wird einem Staat, der erst vor einem Jahrzehnt sich als "Nationalstaat" etablieren konnte, ein modernes Staatsverständnis abverlangt, zu dem nicht einmal die modernsten bürgerlichen Nationalstaaten bereit sind. "Diese Vereinbarung ist ein Friedensvertrag, der zum Ziel hat, die Terroristen aus Mazedonien zu vertreiben. Dieses Abkommen soll die territoriale Integrität und Souveränität Mazedoniens und die Bürgergesellschaft garantieren. Wir haben ein Anrecht darauf in einer Gesellschaft der Individuen und nicht in einer Gesellschaft der ethnischen Gruppen und Minderheiten zu leben", betonte der mazedonische Präsident in seiner Ansprache nach der Unterzeichnung des Abkommens.
  • Neben dem Mazedonischen erhält auch die albanische Sprache den Rang einer offiziellen Staatssprache. Vorgesehen ist, dass jede Sprache, die von mindestens 20 Prozent der Bewohner gesprochen wird, als Amtsprache benutzt werden kann. Da der albanische Bevölkerungsanteil im Staat zwischen 23 und 30 Prozent beträgt, kann das Albanische in Gesamtstaatsangelegenheiten als Amtssprache benutzt werden. Dasselbe gilt in Städten und anderen Gebietseinheiten mit einem albanischen Bevölkerungsanteil von mehr als einem Fünftel.
  • Im Parlament sollen alle Minderheiten proportional vertreten werden. Dies geht über die bisherige Verfassungspraxis hinaus, wonach bei allen Fragen, welche die ethnischen Minderheiten betreffen, deren Vertreter zu beteiligen waren. Außerdem soll ein Parlamentausschuss für zwischenethnische Beziehungen gebildet werden, der aus je sieben Makedoniern und Albanern sowie aus (insgesamt fünf) Türken, Roma und anderen Minderheiten zusammengesetzt ist.
  • Skopje lässt albanisch-sprachige Hochschulen zu und beteiligt sich an deren Finanzierung. Solche Hochschulen (auch private) können in Regionen errichtet werden, in denen mindestens 20 Prozent der Bevölkerung Albaner sind. Auch bisher gab es schon eine albanische Universität in Tetovo, die aber immer wieder Probleme mit der staatlichen Anerkennung hatte.
  • 45 Tage nach der Unterzeichnung des Abkommens vom 13. August soll das Parlament ein neues Gesetz über die lokale Selbstverwaltung und über eine Gebietsreform (Grenzziehung unter Berücksichtigung nationaler Zugehörigkeiten!) verabschieden. Die Gemeinden sollen mehr Selbstverwaltungsrechte erhalten. Z.B. sollen die örtlichen Polizeichefs von den Gemeinden ernannt werden (das Innenministerium schlägt lediglich drei Kandidaten zur Wahl vor).
  • Im Gegenzug soll die UCK entwaffnet werden. Das Friedensabkommen spricht von der "vollständigen" freiwilligen Entwaffnung der albanischen Kräfte und ihrer "vollständigen" freiwilligen Auflösung ("complete voluntary disarmament of the ethnic Albanian armed groups and their complete voluntary disbandment", Art. 2,1). In den Verlautbarungen der NATO, die das Einsammeln der Waffen organisieren sollte ("Operationsname "Essential Harvest", "Wesentliche Ernte") war immer die Zahl 3.300 Waffen genannt worden. Diese Zahl findet sich nicht im Abkommen vom 13. August. Es musste also ein geheimes Abkommen oder zumindest ein stillschweigendes Übereinkommen zwischen NATO und UCK gegeben haben. Verschiedene Quellen berichteten von 70.000 bis 80.000 Waffen, die sich im Besitz der UCK befunden hätten. Des Weiteren wurde eine Amnestie für die UCK-Kämpfer in Aussicht gestellt.
In einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages beschlossen die Abgeordneten die Beteiligung der Bundeswehr an dem NATO-Einsatz. Es gab 130 Gegenstimmen (PDS-Fraktion geschlossen, 61 aus CDU/CSU, 10 aus FDP und 19 Spzialdemokraten und 5 Grüne) und acht Enthaltungen (darunter 2 Grüne). Die "Abweichler" aus der Regierungskoalition waren immerhin so zahlreich, dass Rot-Grün ihre eigene Mehrheit verlor und auf die Stimmen der Opposition angewiesen war. Der Einsatz war auf einen Monat begrenzt. Die Einwände der Friedensbewegung und mancher Friedensforschungseinrichtungen (z.B. das Bonner Konversionszentrum BICC) blieben also weitgehend ungehört. Einen Monat später (am 27.09.) stimmte der Bundestag - mit noch größerer Mehrheit - über die Verlängerung des Mandats ab. Das Einsammeln der 3.300 Waffen war inzwischen ohne größere Zwischenfälle "erfolgreich" abgeschlossen worden (stolz präsentierte die NATO fast 4.000 Waffen). Die NATO-Aktion, die zunächst auf weitere drei Monate begrenzt war (und im Dezember verlängert wurde), erhielt den Namen "Amber Fox" (Bernsteinfarbener Fuchs); deren Führung wurde dem deutschen Kontingent übertragen. Insgesamt sollten 700 Soldaten (darunter bis zu 600 der Bundeswehr) Überwachungs- und Schutzfunktionen in den bisher von der UCK kontrollierten Gebieten übernehmen, um mazedonischen Flüchtlingen und Polizeikräften die Rückkehr zu ermöglichen. Am selben Tag, als der Bundestag über die Verlängerung des Einsatzes entschied, gab der politische Führer der mazedonischen Albaner bekannt, dass sich die UCK aufgelöst habe.

Das aber glaubte kaum jemand, der mit der Materie vertraut ist (vgl. FR, 28.09.2001). UCK-Kämpfer, nun unter einem anderen Label, setzten denn auch ihre Terrorangriffe fort: Im November und Dezember kam es zu zahlreichen Schießereien und Attentaten in Tetovo und Umgebung, zu denen sich eine "Albanische Nationalarmee" (ANA) bekannte. Zögerlich wurden auf der anderen Seite aber auch die vereinbarten Verfassungsänderungen im Parlament von Skopje verabschiedet. Dabei zeigte sich, dass Parlament und Regierung sich immer wieder dem Druck der NATO bzw. der EU beugen müssen. Mazedonien ist faktisch ein Protektorat der NATO geworden. Im Januar 2002 trat der Friedensprozess weiter auf der Stelle. Die mazedonische Regierung rüstet ihre Armee vorsorglich weiter auf. So orderte sie weitere Kampfflugzeuge und Kampfhelikopter (Mi-24), auch für ihre Polizeikräfte. (FR, 16.01.2002)

Peter Strutynski


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