Erbitterter Machtkampf in Madagaskar
Protestkundgebung endete mit mit bis zu 40 Toten und 300 Verletzten - Zwei Meldungen
Trauertag in Antananarivo ausgerufen
Nach dem Blutbad unter Demonstranten ist die Lage in Madagaskars Hauptstadt
gespannt *
Der erbitterte Machtkampf auf der Tropeninsel Madagaskar ist am Wochenende durch die blutige
Niederschlagung einer Protestkundgebung mit bis zu 40 Toten und 300 Verletzten weiter eskaliert.
Antananarivo (dpa/ND). Für diesen Montag (9. Februar) steht in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo ein
nationaler Trauertag an, zu dem der selbst ernannte Präsidenten Andry Rajoelina (34) am Sonntag
aufgerufen hat. Am Vortag hatten Soldaten nach einer Kundgebung von Rajoelinas
Demokratiebewegung ohne Vorwarnung aus automatischen Waffen auf Tausende Demonstranten
geschossen und laut Medienberichten mehrere Dutzend von ihnen getötet. In ersten Berichten war
von bis zu 40 Toten und 300 Schwerverletzten die Rede. Unter den Toten ist ein madegassischer
Journalist; Meldungen, wonach auch ein ausländischer Berichterstatter getötet wurde, konnten
zunächst nicht bestätigt werden. Offizielle Angaben zu den Opferzahlen gab es nicht. Am Sonntag
herrschte gespannte Ruhe.
Allein das größte staatliche Krankenhaus der Hauptstadt zählte bis zum Sonntagmorgen 25 Leichen
und 173 Verletzte. Viele Opfer wurden auch in andere Hospitäler gebracht. Die Behörden hatten zu
Blutspenden aufgerufen und Ärzte sowie Medizinstudenten in die überfüllten Krankenhäuser
beordert. In den Straßen spielten sich verzweifelte Szenen ab, als Menschen unter den Opfern nach
vermissten Angehörigen suchten. Die Schüsse in der Umgebung des Stadtpalastes – eines Büros
von Präsident Marc Ravalomanana – hatten bis zum Abend angehalten.
Bei der Kundgebung hatte Rajoelina vor 25 000 Anhängern eine Gegenregierung zu der von
Amtsinhaber Ravalomanana präsentiert, dem er Machtmissbrauch vorwirft. Danach waren etwa 10
000 Menschen protestierend zum Palast gezogen, wo sich ihnen Soldaten in den Weg stellten. Nach
ersten friedlichen Verhandlungen stürmten einige Demonstranten vorwärts, die Soldaten eröffneten
daraufhin das Feuer. Unter den Opfern sollen auch Kinder gewesen sein. Im Fernsehen gaben sich
später die Kontrahenten gegenseitig die Schuld.
Während Ravalomanana den Opfern sein Beileid ausdrückte und Rajoelina vorwarf, seine Anhänger
ins Verderben geführt zu haben, hielt ihm Rajoelina Versagen vor. Nur Diktatoren ließen Soldaten
ohne Vorwarnung auf unbewaffnete Menschen schießen. Der für die Sicherheit zuständige Minister
kündigte am Sonntag Haftbefehle gegen die Verantwortlichen für den umstrittenen Marsch an. Der
Platz vor dem Palast war am Sonntag vom Militär abgesperrt.
* Aus: Neues Deutschland, 9. Februar 2009
Kontrahenten im Armenhaus "dialogbereit"
Madagaskar: Großkundgebung für den Präsidenten. Fruchten die UN-Vermittlungsversuche? **
Auf Madagaskar haben am Mittwoch etwa 50000 Menschen für den bedrängten Präsidenten Marc Ravalomanana demonstriert und damit den von der Opposition propagierten Generalstreik durchkreuzt. Deren Führer Andry Rajoelina, der sich selbst zum Präsidenten einer Übergangsregierung ernannt hat, hatte am Dienstag die Bevölkerung dazu aufgerufen, zu Hause zu bleiben und das öffentliche Leben zum Erliegen zu bringen.
Statt dessen forderte am Mittwoch die in einem Stadion der Hauptstadt Antananarivo versammelte Menge auf Transparenten ein Ende der Gewalt. Offensichtlich tragen, so die Agentur IPS, »die Bemühungen von UN-Sonderbotschafter Haile Menkerios um eine friedliche Lösung der politischen Krise erste Früchte«. Die Konfliktparteien hätten sich erstmals seit Ausbruch der bürgerkriegsähnlichen Unruhen Ende Januar »dialogbereit« gezeigt.
Im politischen Machtkampf in der verarmten Inselrepublik stehen sich Staatschef Marc Ravalomanana, der zugleich größter Unternehmer Madagaskars ist, und der Exoberbürgermeister der Hauptstadt, Andry Rajoelina, gegenüber. Rajoelina führt eine Protestbewegung an, die dem Präsidenten Korruption, Verschwendung öffentlicher Gelder und Verstöße des »afrikanischen Berlusconi«, wie Ravalomanana auch genannt wird, gegen die Pressefreiheit vorwirft.
Der Präsident steht auch deshalb in der Kritik, weil er sich im Armenhaus Madagaskar einen Präsidentenjet zum Preis von rund 60 Millionen US-Dollar geleistet hat. Nach Angaben des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) müssen rund 85 Prozent der 18 Millionen Einwohner mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen, 61 Prozent sogar mit weniger als einem Dollar.
Der Machtkampf zwischen den beiden politischen Widersachern führte zu zahlreichen Protesten, die am 31. Januar etwa 100 Menschen das Leben kosteten. Als eine Kundgebung der Opposition eine Woche später eskalierte, starben bis zu 40 Menschen im Kugelhagel der Sicherheitskräfte. Der Vorfall veranlaßte Verteidigungsministerin Cecile Manorohanta zum Rücktritt. (IPS/jW)
* Aus: junge Welt, 12. Februar 2009
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