Goldgräberstimmung vor Madagaskar
Deutschland möchte ab 2015 spektakuläre Metallfunde in der Tiefsee ausbeuten
Von Hermannus Pfeiffer *
Deutsche Forscher haben im Pazifik in
rund 3000 Meter Tiefe wertvolle Industrierohstoffe
gefunden. Die Bundesregierung
wird nun einen Claim
abstecken.
Eine überraschende Entdeckung
machten Forscher der Deutschen
Rohstoffagentur (DERA). Sie fanden
östlich von Madagaskar eine
»Goldgrube«: In Tiefen zwischen
2800 und 3400 Metern stießen die
Wissenschaftler der Rohstoffagentur
zwischen dem afrikanischen
Kontinent und Australien
auf Erze mit sehr hohen Kupferanteilen.
»Die Felder besitzen mit
Kupfergehalten von bis zu 24 Prozent
die höchsten Metallanreicherungen,
die bisher vom Meeresboden
bekannt sind«, sagte Ulrich
Schwarz-Schampera, Leiter der
Expedition, am Montag in Hannover.
Damit nicht genug – der
durchschnittliche Gehalt liegt sogar
deutlich oberhalb der üblichen
Kupferkonzentrationen in Lagerstätten
an Land. Außerdem fanden
die DERA-Forscher Hinweise auf
Edel- und Sondermetalle wie Gold,
Silber, Wismut, Selen und Indium
– unverzichtbare Bausteine für die
Nutzung der Sonnenenergie oder
in Geräten der Computerbranche.
Der Fund überraschte selbst die
maritime Szene. Noch kürzlich
hatte das Leibniz-Institut für Meereswissenschaften
(IFM-GEOMAR)
in Kiel dem Tiefseebergbau »nur
begrenzte Möglichkeiten« eingeräumt.
Nun rücken nicht allein die
möglichen Öl- und Gaslagerstätten
in der Arktis in den Fokus der Industrie,
sondern auch der Indische
Ozean und erneut der Pazifik.
Die 2010 gegründete Rohstoffagentur,
Bestandteil der Bundesanstalt
für Geowissenschaften und
Rohstoffe, sucht im Auftrag des
Wirtschaftsministeriums nach
Rohstoffen im Meer. Ziel der von
September bis Mitte November
dauernden Entdeckungsreise mit
dem Forschungsschiff »Sonne«
war es, metallreiche Ablagerungen
in der Tiefsee am Zentralindischen
Rücken zu erkunden. Dabei
haben die DERA-Experten Austrittsstellen
metallreicher Lösungen
am Meeresboden – sogenannte
Schwarze Raucher – untersucht.
Das Interesse in der Wirtschaft
ist groß. »Die Häufigkeit des Auftretens
der Erze und die hohen
Metallgehalte entlang aller ozeanischen
Spreizungszonen haben
kürzlich zu einer Neubewertung
des wirtschaftlichen Potenzials
durch die internationale Gemeinschaft
geführt«, so Forschungsleiter
Schwarz-Schampera. Von besonderem
Interesse sind dabei die
Schwarzen Raucher. Sie treten an
den Nahtstellen in den Ozeanen
mit einer Gesamtlänge von 55 000
Kilometern auf, wo die tektonischen
Platten der Kontinente aufeinander
treffen und Mineralien
aus dem Untergrund der Erde
sprudeln. Angesichts von stark
steigenden Preisen, Bürgerkriegen
und Ländermonopolen gibt es einen
weltweiten Trend zur Erkundung
am Meeresboden. Zudem
hängt die deutsche Industrie zu
beinahe 100 Prozent vom Import
von Metallrohstoffen ab.
Dabei ist auch das Meer außerhalb
der nationalen Wirtschaftszonen
von 200 Seemeilen
kein rechtsfreier Raum. Seit 1994
regelt das UN-Seerechtsübereinkommen
den Abbau von Rohstoffen.
Mit dem Übereinkommen
wurden mehrere Institutionen geschaffen,
darunter die Internationale
Meeresbodenbehörde, die den
Zugang zu den Funden regelt und
Lizenzen vergibt. Im Erfolgsfall
müsste sie dafür sorgen, dass auch
Länder ohne Tiefseebergbau am
wirtschaftlichen Nutzen teilhaben.
Bereits 2006 hatte die Bundesrepublik
einen Erkundungsclaim
im Pazifik abgesteckt, der größer
ist als Niedersachsen und Schleswig-
Holstein zusammen. Dort liegen
Manganknollen mit geringem
Mineralgehalt. Nach der jetzigen
Expedition, mit der auch die marine
Lebenswelt und Umweltbedingungen
dokumentiert wurden,
wird die Bundesregierung nun eine
Lizenz beantragen, um bis 2015
einen Claim im Indischen Ozean
abzustecken. Seit Juli haben China
und Russland bereits Explorationslizenzen
dort erworben.
* Aus: neues deutschland, 30. November 2011
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