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Abstimmung mit Putschversuch

Madagaskar: Offiziere erklären Staatschef für abgesetzt

Überschattet von einem Putschversuch, haben die Bürger in Madagaskar am Mittwoch über einen Verfassungsentwurf abgestimmt. Mit dem Referendum sollte die seit mehr als eineinhalb Jahren anhaltende Staatskrise in dem Inselstaat im Indischen Ozean beendet werden. Die neue Verfassung sieht unter anderem vor, die Trennung von Staat und Kirche wieder einzuführen. Der Verfassungsentwurf wurde jedoch von der Opposition heftig kritisiert, da das Mindestalter für einen Präsidentschaftskandidaten von 40 auf 35 Jahre gesenkt werden soll. Das würde dem 36jährigen Andry Rajoelina eine Kandidatur bei der für Mai geplanten Wahl eines neuen Staatschefs ermöglichen. Zwar beteuerte Rajoelina bisher, er wolle nicht für das Amt kandidieren. Trotzdem boykottierten die drei größten Oppositionsbewegungen die Abstimmung. Der frühere Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo hatte im März 2009 mit Hilfe der Armee den damaligen Präsidenten Marc Ravalomanana entmachtet und sich zum Übergangspräsidenten ausrufen lassen. Die USA und die EU froren nach dem Machtwechsel ihre Hilfsgelder ein, die Afrikanische Union verweigerte Rajoelina die Anerkennung als Präsident seines Landes.

Überschattet wurde die Abstimmung von einem Putschversuch. Der von etwa 20 Offizieren umringte Armeegeneral Noel Rakotonandrasana erklärte am Nachmittag (Ortszeit), ab sofort seien »alle Institutionen aufgelöst«, ein Militärkomitee übernehme die Führung des Landes.

Die madagassische Regierung trat daraufhin zu einem Krisentreffen zusammen. Regierungschef Camille Vital sagte der Nachrichtenagentur AFP, es werde eine Lösung »zur Beruhigung der Lage« gesucht, damit die Durchführung des Referendums nicht gefährdet werde. »Sie sind in ihrem Stützpunkt und es sind auch nur 18. Man sollte niemanden unterschätzen, aber unser Ziel ist der ruhige Ablauf des Referendums.« Beobachtungen eines AFP-Reporters zufolge kam es nahe des Flughafens der Hauptstadt Antananarivo, der sich in der Nähe des Militärstützpunktes befindet, zu Zusammenstößen zwischen Polizisten und Regierungsgegnern. Die Demonstranten errichteten Barrikaden aus Steinen und Autoreifen, die Polizei setzte Tränengas ein. Ansonsten blieb die Lage in der Hauptstadt aber ruhig. Auch Fernsehen und Radio sendeten ihr ganz normales Programm. (AFP/jW)

* Aus: junge Welt, 18. November 2010


Lage in Madagaskar wieder beruhigt

Putschversuch beim Referendum gescheitert **

Nach einem unblutigen Putschversuch in Madagaskar hat sich die Lage am Donnerstag (18. Nov.) wieder beruhigt.

Antananarivo (dpa/ND). Eine kleine Gruppe rebellischer Offiziere zog sich nach Angaben der staatlichen Sender in die Kaserne Bani nahe dem internationalen Flughafen Ivato zurück; sie wollten nicht aufgeben, wie es die Regierung gefordert hatte. Auf Marktplätzen und Straßen der Hauptstadt Antananarivo wurde derweil über die »stümperhafte Ausführung der Revolte« gelästert.

Am Mittwoch (17. Nov.), dem Tag des Referendums über eine neue Verfassung, hatten die abtrünnigen Militärs die angebliche Entmachtung der Übergangsregierung von Präsident Andry Rajoelina verkündet. Oberst Charles Andrianasoavina hatte sogar angekündigt, am Donnerstag werde der Flughafen geschlossen und der Präsidentenpalast gestürmt. Der Flughafen war jedoch regulär in Betrieb.

Rajoelina, der im März 2009 selbst durch einen Putsch an die Macht gelangt war, hatte den Aufstand bereits Stunden nach Bekanntwerden der Rebellion für gescheitert erklärt. Die Situation sei »voll unter Kontrolle«, betonte auch Ministerpräsident Camille Vital. Am Mittwochnachmittag (17. Nov.) hatte es lediglich kleinere Proteste gegeben, es wurden Straßensperren mit brennenden Reifen errichtet.

Die Ergebnisse der Abstimmung über die Verfassung sollen erst in den kommenden Tagen bekannt werden. Wichtigste Verfassungsänderung ist die Herabsetzung des Mindestalters der Präsidentschaftskandidaten von 40 auf 35 Jahre. Die Opposition glaubt, dass sich der frühere Bürgermeister und Ex-DJ Rajoelina (36) mit dem Referendum lediglich die Macht in dem armen Inselstaat im Osten Afrikas sichern will.

Schätzungen der Behörden zufolge lag die Wahlbeteiligung bei fast 50 Prozent, obwohl die Opposition zu einem Boykott aufgerufen hatte. Erste Auszählungen signalisierten eine deutliche Mehrheit für die neue Verfassung. Allerdings klagten viele Bürger über Unregelmäßigkeiten; zahlreiche Menschen hätten mangels Unterlagen nicht wählen können, verlautete aus Oppositionskreisen. In Majunga im Nordwesten der Tropeninsel versuchten junge Leute, deren Namen sich nicht in den Wahllisten fanden, das Wahlbüro anzuzünden.

** Aus: Neues Deutschland, 19. November 2010


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