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Luftraum für Ravalomanana gesperrt

Madagaskars Präsident darf nicht in sein Land zurückkehren

Von Johannes Stein, Antananarivo *

Am Wochenende ist die Rückkehr des seit 2009 im Exil lebenden ehemaligen Präsidenten von Madagaskar, Marc Ravalomanana, gescheitert. Obwohl der derzeitige Übergangspräsident des östlich von Moçambique gelegenen Inselstaates, Andry Rajoelina, ein Gesetz veranlaßt hat, das allen politischen Flüchtlingen eine Rückkehr erlaubt, mußte das Flugzeug Ravalomananas am Samstag (21. Jan.) nach Südafrika umkehren. Seitens der Airline hieß es, Madagaskar habe seinen Luftraum gesperrt und das Flugzeug so zur Rückkehr gezwungen.

Zehntausende Anhänger von Ravalomananas Partei Tiako I Madagasikara (TIM) hatten sich bereits in den frühen Morgenstunden zum Flughafen Ivato im Norden der Hauptstadt Antananarivo aufgemacht. Sie nahmen teilweise stundenlange Fußmärsche auf sich, um ihr 2006 offiziell wiedergewähltes Staatsoberhaupt endlich willkommen zu heißen. Schon im Februar des vergangenen Jahres wollte der in Südafrika lebende Präsident zurückkehren. Damals bekam er bereits vor dem Start von der Fluggesellschaft mitgeteilt, daß sie aufgrund offizieller Anweisungen der Regierung Madagaskars nicht abheben können.

Der damalige Bürgermeister von Antananarivo, Andry Rajoelina, hatte im März 2009 mit Militärunterstützung gegen Ravalomanana geputscht. Dem waren Unruhen vorausgegangen, die durch Kundgebungen der Opposition gegen die Schließung eines Fernsehsenders ausgelöst worden waren. Anhänger Rajoelinas und seiner Bewegung Tanora Malagasy Vonona (TGV) hatten im Verlauf der Demonstrationen eine staatliche Radiostation, ein Einkaufscenter, ein Öllager und eine private Fernsehstation, die mit Ravalomanana in Verbindung stand, angezündet, wobei mehrere Menschen starben. Regierungstruppen eröffneten im Verlauf der Unruhen das Feuer auf Oppositionsanhänger. Es wurden Dutzende Demonstranten und einige Journalisten getötet.

Rajoelina gewann die Unterstützung der Armee, jagte den Präsidenten aus dem Amt und errichtete eine Übergangsregierung. Ravalomanana wurde aufgrund des Todes von Demonstranten 2009 in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Bei seiner Rückkehr erwartet ihn also seine Festnahme. Er bestreitet die Tatvorwürfe jedoch und bezeichnet die derzeitige Regierung als »illegales Regime«.

Das Einflugverbot für die Passagiermaschine, die neben Ravalomanana, seiner Familie und ein paar Journalisten auch Zivilisten beförderte, in den madagassischen Luftraum, treibt das seit einem Jahrzehnt politisch instabile Land in eine noch tiefere Krise. Schon 2002 mußte der damalige Präsident Didier Ratsiraka nach einem Machtkampf zwischen seiner Andry sy Rihana Enti-Manavotra an’i Madagasikara (AREMA) und der TIM das Land verlassen. Beobachter vermuten, daß er den Militärputsch 2009 aus Rache unterstützt hatte.

Die Parteimitglieder der TIM sind nun aus der Übergangsregierung ausgetreten und wollen laut eigenen Angaben nicht an der nächsten Sitzungsperiode teilnehmen. Auch in den Reihen der Rajoelina-Anhänger macht sich Unmut über den Interimspräsidenten bemerkbar, unter anderem wegen Neubesetzungen von Stellen.

Rajoelina, der seine Karriere als DJ begann und mit seinen Nachtklubs reich wurde, steht nun seit fast drei Jahren an der Spitze der Übergangsregierung. Er wollte Neuwahlen organisieren, deren Datum nach mehrmaligem Verschieben noch immer unklar ist, sich aber vor allem um die breite arme Schicht des Landes kümmern, sich für niedrigere Grundnahrungsmittelpreise und Bildung einsetzen. »Er hat einfach keine Erfahrung!« meint jedoch Angelique, Lehrerin an einer Schule für Straßenkinder im Stadtteil Tsiadana, und fügt hinzu: »Ravalomanana hat uns wenigstens noch Straßen gebaut.«

Die Jungen im Land sind zumeist ratlos. Fast alle möchten einen neuen Kandidaten, eine neue Politik. »Nicht dieses Hin und Her zwischen den Ehemaligen. Die spielen doch Fußball mit der Macht«, so Namesix, ein bekannter Reggeamusiker aus dem Norden Madagaskars.

Trotz der spannungsgeladenen Situation wurde auf der Kundgebung der Ravalomanana-Anhänger am Samstag ausgelassen getanzt und gesungen, ein Lautsprecherwagen bahnte sich den Weg durch die Menge und feuerte sie an. An der Spitze der Demonstrationen war die Stimmung etwas aufgeheizter. Ein großes Militäraufgebot hatte den Flughafen abgeschirmt. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen. Nachdem bekanntgeworden war, daß der Präsident nicht ankommen würde, versuchten einige Demonstranten, die Absperrungen zum Flughafen zu durchbrechen. Auch in der Haupstadt kam es später noch zu kleineren Ausschreitungen.

* Aus: junge Welt, 25. Januar 2012


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