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Geberstaaten machen Madagaskar Hoffnung

Wegen Putsch auf Eis gelegte Entwicklungshilfe soll bald wieder fließen – auch aus Deutschland

Von Markus Schönherr, Kapstadt *

Madagaskar darf wieder hoffen. Nach fünf Jahren des politischen und wirtschaftlichen Stillstands, der auf einen Putsch folgte, könnte bald wieder die Entwicklungshilfe anlaufen.

Der Staatsstreich in Madagaskar von 2009 war auch ein Schlag ins Kontor: Die meisten Geberländer stellten ihre Entwicklungshilfe für die arme Insel im Indischen Ozean ein. Mit der Wahl eines neuen Präsidenten Ende Januar 2014 ist ein erster Schritt in Richtung Rückkehr zur formaldemokratischen Verhältnissen gemacht. Noch fehlt dem Inselstaat aber eine neue Regierung, erinnert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Diese sei jedoch entscheidend für die Wiederaufnahme der Kooperation.

»Für die Aufhebung der sogenannten Artikel-96-Maßnahmen der EU, ist die Bildung einer demokratisch legitimierten Regierung eine Voraussetzung«, so die Sprecherin des BMZ, Katharina Mänz, gegenüber »nd«. Erst nach der Aufhebung dieser Sanktionen sei es möglich, die normale Entwicklungshilfe wieder aufzunehmen.

2009 setzte Deutschland seine Entwicklungskooperation auf Regierungsebene aus. Die Hilfe wurde einzig über Nichtregierungsorganisationen und Kirchen weitergeführt – wie bei den meisten westlichen Ländern aber auf Sparflamme.

Das Vertrauen in der internationalen Gemeinschaft war gegen null gesunken, als sich der ehemalige Discjockey Andry Rajoelina an die Macht putschte. Er stürzte das Land in eine der schwersten Krisen seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1960. »Politisch, wirtschaftlich, sozial und auch entwicklungspolitisch ist der Inselstaat gelähmt – mit teils dramatischen Folgen für die Bevölkerung«, schreibt das BMZ auf seiner Website. Besonders hart traf die Isolation die Menschen, die von unter zwei US-Dollar am Tag leben – statistisch neuen von zehn Madagassen.

Der Verfall wurde bald sichtbar: Die Schlaglöcher wuchsen, die Preise mancher Lebensmittel stiegen auf das Doppelte und 80 Prozent der ländlichen Krankenhäuser mussten schließen. Der Direktor einer lokalen Hilfsorganisation, der aus Angst vor politischer Verfolgung anonym bleiben will, berichtet, wie unterbezahlte Ärzte willkürlich ihre Preise erhöht und arme Patienten teilweise unbehandelt nach Hause geschickt hätten. In der Geberlandschaft ist bekannt, dass der Gesundheitssektor nach und nach durch die UNESCO und andere UN-Organisationen ersetzt wurde.

Jetzt hat Madagaskar nach fünf Jahren die Chance, dem Stillstand zu entfliehen. Der Mann, der den Wandel bringen soll, ist Hery Rajaonarimampianina: Ein 55-jähriger Buchhalter, der in Kanada studierte. Bei seiner Amtseinführung versprach Rajaonarimampianina den Madagassen: »Wir werden das Land gemeinsam voranbringen.« Innerhalb der nächsten drei Monate will der neue Amtsinhaber eine Geberkonferenz abhalten – der Westen soll vom guten Willen überzeugt werden. Die Afrikanische Union hat ihre Sanktionen gegen Madagaskar nach den Wahlen bereits fallengelassen.

Noch herrscht jedoch Skepsis: Unter seinem Vorgänger arbeitete Rajaonarimampianina als Finanzminister und war damit Teil des Putsch-Regimes. Coup-Führer Andry Rajoelina unterstützt den neuen Präsidenten offen. Das bringt ihm ein Vergleich mit Russlands Wladimir Putin ein: Rajoelina wolle Ministerpräsident werden, die Macht habe er nur augenscheinlich abgegeben. Will der neue Präsident überzeugen, wird es am wichtigsten für ihn, sich von der alten Garde zu distanzieren. Auch müsse er mit der madagassischen Tradition der Kleptokratie brechen, meint Dr. Peter Masumbe, Professor für Internationale Politik an der Universität Buea in Kamerun: »Er sollte sich erinnern, dass politische Macht ein Gemeinschaftsgut ist und nicht personifiziert werden darf, egal wie süß sie schmecken mag.«

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. Februar 2014


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