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Wie litauische Nazis zu Partisanen wurden

Von Wladimir Beskudnikow *

Sobald die Frage der Kollaboration während des Zweiten Weltkriegs auftaucht, versucht die Mehrheit der Litauer sich von den Letten und Esten zu distanzieren.

„Es gab keine SS-Division aus Litauen“, behaupten die meisten Litauer gebetsmühlenartig.

Es stimmt ja in der Tat: Es gab keine litauische SS-Division, doch es stimmt ebenfalls, dass es spezielle Hilfseinheiten gab, Polizeieinheiten sowie Bataillone, die sogar außerhalb von Litauen in sehr schlechtem Ruf standen.

Nicht nur jüdische Bevölkerung Litauens, die in den Ghettos lebte und vernichtet wurde, und nicht nur die in die Gefangenschaft geratenen Rotarmisten, mussten unter der Willkür der litauischen Polizisten leiden. Zwölf Bataillone der litauischen Polizei unter dem Kommando von Major Antanas Impulevicius (Gesamtzahl: 485 Polizisten) haben ihre blutigen Spuren auch in Weißrussland hinterlassen, wo einige Dutzend Dörfer niedergebrannt worden waren.

Über 200 Einwohner des inzwischen weltbekannten Dorfes Chatyn, das zu einem Symbol des Leidens des weißrussischen Volkes wurde, waren außerdem auf Befehl des berüchtigten Majors Impulevicius lebendig verbrannt worden. Das litauische Zentrum für Völkermord erkannte offiziell an, das auf dem Gewissen der Impulevicius-Einheit die Ermordung von mehr als 20 000 unbeteiligten weißrussischen Zivilisten lastet.

Nach der Erlangung der Unabhängigkeit im Jahr 1991 hat Litauen mindestens teilweise versucht, die Verantwortung für die Gräueltaten zu übernehmen. Der ehemalige erste Sekretär des Zentralkomitees der litauischen Kommunistischen Partei, Algirdas Brazauskas, hatte sich 1995 nach seiner Wahl zum Präsidenten der unabhängigen Litauischen Republik im Namen des litauischen Volkes während seines Israel-Besuchs entschuldigt. An den Veranstaltungen zum Gedenken an die verbrannten weißrussischen Dörfer nahm regelmäßig der Botschafter der Litauischen Republik in Weißrussland teil.

Doch in den vergangenen Jahren hat sich die Situation hierzulande signifikant geändert. Die Juden bekommen immer häufiger Beleidigungen statt Entschuldigungen zu hören. Und dies obwohl am Tag des Genozids am jüdischen Volk, der im Litauen am 23. September begangen wird, der Vorsitzende des litauischen Parlaments, Ceslovas Jursenas, an der nicht weit von der Hauptstadt Vilnius gelegenen Gedenkstätte Panerai eine Rede gehalten hatte.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass der heutige Präsident Litauens Valdas Adamkus in der Zeit des Zweiten Weltkrieges sehr eng mit der deutschen Administration zusammenarbeitete und zu einer litauischen Hilfseinheit gehörte. Nicht zufällig hatte er 1944 das Land Hals über Kopf verlassen müssen. Er wanderte zuerst nach Deutschland aus und emigrierte kurze Zeit später in die USA.

Im Juni 1941, nachdem die deutsche Wehrmacht die UdSSR überfiel und die Rote Armee Litauen verlassen musste, wurden die litauischen Einheiten von Freiwilligen zusammengestellt, die unverzüglich damit begannen, die jüdische Bevölkerung auszurotten. Allein in der Stadt Kaunas wurden an einem Tag mehr als 9000 Juden ermordet.

Diese Freiwilligen-Einheiten waren sehr gut organisiert, so dass 80 Prozent der gesamten jüdischen Bevölkerung Litauens (das sind mehr als 200 000 Menschen gewesen) bis Ende 1941 getötet wurden. All das geschah unter dem Vorwand des Kampfes gegen die „bolschewistischen Handlanger“.

Heute leben in Litauen insgesamt 2800 Juden. Doch die Machtoberen versagen kläglich jedesmal, wenn es darum geht, die Sicherheit dieser Leute zu garantieren. Freundschaften zerbrechen, aus ehemaligen Freunden werden Feinde.

Die Staatsanwaltschaft Litauens verlangt seit September 2007 von Israel die Auslieferung des ehemaligen NKWD-Mitarbeiters (NKWD - Volkskommissariat für innere Angelegenheiten, sowjetische geheime Staatspolizei - Anm. der Redaktion), Yitzhak Arad, damit er sich vor Gericht für die Ermordung einiger deutscher Helfershelfer verantworten müsste, die jetzt stolz als Partisanen bezeichnet werden.

Die Behörden versuchen hartnäckig die deutschen und sowjetischen Verbrechen in einen Topf zu werfen. Es ist bereits alles erdenkliche getan worden, damit die Adjektive „sowjetisch“ und „faschistisch“ zu Synonymen werden.

Im Jahre 2000 hatte der litauische Präsident Valdas Adamkus einen Erlass über die Gründung einer Kommission für die Untersuchung nazideutscher und sowjetischer Verbrechen unterzeichnet. Gleichzeitig weigerte er sich nach Moskau zu reisen, um den 60. Jahrestag des Siegs im Zweiten Weltkrieg zu begehen. Was sagt man dazu? Vor einigen Monaten wurde in Litauen ein Gesetz verabschiedet worden, das die Nutzung von Nazi-Symbolen sowie Sowjet-Symbolen verbietet.

Sehr merkwürdig werden auch die Kriegsveteranen behandelt. Sie wurden kurzerhand vereint, ohne berücksichtigt zu haben, wer wo gekämpft hat, so dass die ehemaligen Nazis ohne weiteres durch die Straßen von Litauen marschieren können. Man muss aber einräumen, dass solche Märsche in Litauen noch nicht, wie in den benachbarten Estland und Lettland, zu einer festen Tradition geworden sind.

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum, das derzeit in Litauen recherchiert, um noch lebende und untergetauchte „willige Vollstrecker Hitlers“ ausfindig zu machen, erlebt immer häufiger den Widerstand der litauischen Behörden. Der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Ephraim Zuroff, hat bereits Informationen über mehr als 360 Verdächtige gesammelt. Er behauptet, dass die litauischen Behörden überhaupt nichts mit der Verfolgung von Nazi-Verbrechern zu tun haben wollen und darauf verweisen, dass manche Litauer selbst Opfer der Kriegsverbrechen wurden und somit keine Schuldigen seien.

„Die baltischen Staaten reden viel über das Leiden ihrer Länder während der Sowjetzeit, doch sie tun nichts, um die Mörder zu bestrafen, die mit den Nazis kooperiert haben. Es ist bist heute politisch unkorrekt und nicht populär offen zu gestehen, wie viele litauische Bürger an den Massentötungen beteiligt gewesen waren“, sagt Zuroff.

Im Moment steht Litauen auf der vom Simon-Wiesenthal-Zentrum zusammengestellten „Schwarzen Liste“ als ein Land, das zwar über eine entsprechende Rechtsbasis verfügt und doch nichts tut, um die Nazikollaborateure zu entlarven. Litauens Nachbarn auf dieser Liste sind Kroatien, Lettland, Estland und die Ukraine.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 7. Oktober 2008



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