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Gewalt und Chaos in Libyen

Regierung zurückgetreten. Islamistische Milizen weiter auf dem Vormarsch

Von Karin Leukefeld *

Nach der Einnahme des internationalen Flughafens der libyschen Hauptstadt Tripolis durch islamistische Milizen am vergangenen Wochenende versuchen diese in Libyen ihre Macht weiter auszubauen. Anfang der Woche beauftragten sie Omar Al-Hassi mit der Bildung einer »Errettungsregierung«. Zuvor hatten sie den im Juni aufgelösten Nationalkongreß wiedereingesetzt. Dieser habe die Regierung von Ministerpräsident Abdullah Al-Thinni »entlassen«, erklärte ein Sprecher in Tripolis. Al-Hassi habe für die Regierungsbildung nun eine Woche Zeit.

Am Donnerstag abend erklärte Al-Thinni den Rücktritt seiner Regierung und forderte das Parlament auf, eine neue Regierung zu bestimmen. Den Nationalkongreß und das Vorgehen der Islamisten bezeichnete Al-Thinni als »unrechtmäßig«. Das erst im Juni neu gewählte Parlament hatte die Aufgaben des libyschen Nationalkongresses übernommen, der bis zu den Wahlen im Juni 2014 von Islamisten dominiert worden war. Die hatten ihre Niederlage nicht akzeptiert und riefen eine Art Gegenparlament aus. Das neu gewählte Parlament und die Übergangsregierung von Abdullah Al-Thinni waren schon vor Wochen wegen der eskalierenden Kämpfe unter den Milizen in den Osten Libyens geflüchtet. Weder das Parlament noch die Regierung in Libyen verfügen über reale Macht. Mitte August war der Militärchef entlassen worden, weil es ihm nicht gelungen war, den vorrückenden Milizen in Tripolis und Bengasi Einhalt zu gebieten.

Die Islamisten werfen dem Parlament vor, mit Hilfe von Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten ihre Macht in Libyen festigen zu wollen. Beide Staaten werden für Luftangriffe zugunsten der Zintan-Milizen verantwortlich gemacht, die drei Jahre lang den Flughafen von Tripolis kontrolliert hatten.

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah Al-Sisi erklärte am Donnerstag, sein Land habe mit den Luftangriffen nichts zu tun. Ägypten sei durch die schlechte Sicherheitslage in Libyen zwar besonders gefährdet, dennoch fühle sich seine Regierung »der Nichteinmischung in die internen libyschen Angelegenheiten verpflichtet«. Das US-Außenministerium und das Pentagon hatten Anfang der Woche die Luftangriffe in Libyen ebenfalls Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten zugeschrieben und diese kritisiert. Ende der Woche allerdings hieß es im US-Außenministerium, man sei »nicht richtig« informiert gewesen.

Die neuen Herrscher über den Flughafen von Tripolis sind Milizen, die unter der Fahne des Islam kämpfen und aus Libyen einen Gottesstaat machen wollen. Sie stammen aus den Hafenstädten Misrata (Miliz Fadschir Libya) und Bengasi (Miliz Ansar Al-Scharia) und waren – wie auch andere Milizen – 2011 von westlichen und Golfstaaten militärisch und finanziell unterstützt worden, um den langjährigen Staatschef Muammar Al-Ghaddafi zu stürzen. Bei ihrem Vormarsch auf Tripolis hatten sie damals von NATO-Kampfjets und der katarischen Luftwaffe Schützenhilfe bekommen. Keiner der Kampfverbände war bereit, die erhaltenen oder eroberten Waffen wieder abzugeben. Statt dessen begann ein lukrativer Handel mit Waffen und Kämpfern, die wenig später nicht nur in Mali und Algerien, sondern auch in Syrien auftauchten.

Der ehemalige libysche Ministerpräsident Mahmud Dschibril hatte kürzlich namentlich Katar und der Türkei vorgeworfen, rund 1600 Milizen in Libyen finanziert und mit Waffen und Munition ausgerüstet zu haben. Der Emir von Katar sei für das Blutbad in Libyen verantwortlich, so Dschibril. Denn er habe »den politischen Kräften in Libyen erklärt, daß die Revolutionäre sich bewaffnen« müßten.

Der UN-Sicherheitsrat rief in einer Resolution am Mittwoch alle Parteien in Libyen zu einem sofortigen Waffenstillstand auf. Gewalt gegen Zivilisten werde verurteilt und müsse strafrechtlich verfolgt werden, so die Resolution.

* Aus: junge Welt, Donnerstag 30. August 2014


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