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Bengasi blockiert Friedenslösung

Der libysche Staatschef Muammar Al-Ghaddafi ist zur Umsetzung des Friedensplans der Afrikanischen Union bereit *

Ghaddafi habe einen sofortigen Waffenstillstand angeboten, an den sich allerdings alle Parteien halten müßten, sagte Südafrikas Präsident Jacob Zuma dem libyschen und südafrikanischen Fernsehen. Der Staatschef habe zudem gefordert, »dem libyschen Volk die Möglichkeit einzuräumen, seine Probleme selbst zu lösen«. Der NATO warf Ghaddafi vor, die UN-Resolution zu verletzen, indem sie »politische Morde« begehe und die Infrastruktur zerstöre. Zuma war am Montag (30. Mai) im Auftrag der AU nach Tripolis gereist, um mit der libyschen Regierung über eine Lösung des Konflikts zu verhandeln.

Bei den libyschen Rebellen ist die »Road Map« der AU auf Ablehnung gestoßen, weil sie neben einem sofortigen Waffenstillstand eine Transitionsperiode bis zu demokratischen Wahlen vorsieht. Der selbsternannte Nationale Übergangsrat in Bengasi lehnt jede Friedensinitiative ab, die keinen sofortigen Machtverzicht Ghaddafis beinhaltet.

Vor seinem Treffen mit dem libyschen Staatschef hatte Zuma die ­NATO-Angriffe auf das nordafrikanische Land scharf kritisiert. Sie behinderten die Bemühungen um einen Frieden, sagte er. So habe sich der Beginn der Mission wegen der Attacken verzögert. Nach Angaben des libyschen Staatsfernsehens setzte die NATO auch in der Nacht zum Dienstag ihre Luftangriffe fort. NATO-Kampfjets hätten »zivile und militärische Ziele« in Tripolis, dem Vorort Tadschura sowie in der 600 Kilometer weiter südlich gelegenen Stadt El Dschafra bombardiert.

Der arabische Fernsehsender Al-Dschasira strahlte unterdessen Bilder offenbar europäischer Elitesoldaten aus, die auf seiten der Rebellen gegen die libyschen Regierungstruppen kämpfen. Dabei soll es sich um frühere Soldaten der britischen SAS handeln, die offiziell für private Sicherheitsunternehmen tätig sind.(AFP/jW)

* Aus: junge Welt, 1. Juni 2011


Taube Ohren für Zumas Vermittlungsmission

Friedensfahrplan der Afrikanischen Union für Libyen – von Rebellen abgelehnt, von NATO ignoriert **

Der libysche Staatschef Gaddafi ist nach den Worten von Südafrikas Präsident Zuma zur Umsetzung eines Friedensfahrplans der Afrikanischen Union bereit. Gaddafi habe einen sofortigen Waffenstillstand angeboten, den die Rebellen aber offenbar nicht akzeptiert haben.

Südafrikas Präsident Jacob Zuma hat sich seit Montag (30. Mai) im Auftrag der Afrikanischen Union (AU) erneut um Vermittlung im Libyen-Konflikt bemüht. Wie Zuma am Dienstag mitteilte, habe Gaddafi gefordert, »dem libyschen Volk die Möglichkeit einzuräumen, seine Probleme selbst zu lösen«. Einen Waffenstillstand hatte Gaddafi bereits mehrfach angeboten, weigert sich aber, auf die Macht zu verzichten.

Die libyschen Rebellen lehnen weiterhin jede Friedensinitiative ab, die Gaddafi an der Macht belässt. Auch die »Road Map« der AU, die neben einem sofortigen Waffenstillstand eine Übergangsperiode bis zu demokratischen Wahlen vorsieht, stieß beim sogenannten Nationalen Übergangsrat in Bengasi auf Ablehnung.

Das libysche Fernsehen zeigte Aufnahmen Gaddafis, wie er Zuma am Eingang eines Gebäudes empfängt. Es war der erste öffentliche Auftritt des libyschen Revolutionsführers seit Wochen. Ein AFP-Korrespondent berichtete, dass Zuma nach zwei Stunden wortlos Gaddafis Residenz in Tripolis verlassen habe. Am Abend reiste er aus Tripolis ab.

Vor seinem Treffen mit Gaddafi hatte Zuma die NATO-Angriffe in Libyen scharf kritisiert. Sie behinderten die Bemühungen der Afrikanischen Union um einen Frieden in dem nordafrikanischen Land, sagte er dem südafrikanischen Fernsehen. Der Beginn der Mission habe sich wegen der Angriffe verzögert. Die AU habe zudem um »Erlaubnis« bitten müssen, nach Libyen einzureisen. Dies untergrabe die Integrität des Staatenbundes.

Nach Angaben des libyschen Fernsehens setzte die NATO auch in der Nacht zum Dienstag ihre Luftangriffe fort. NATO-Kampfjets hätten »zivile und militärische Ziele« in Tripolis, dem Vorort Tadschura sowie in der 600 Kilometer weiter südlich gelegenen Stadt El Dschafra bombardiert.

Die Führung der libyschen Rebellen hat unterdessen ihre Kämpfer zur Nationalen Befreiungsarmee umbenannt. Der neue Name solle die wachsende Professionalität der vorwiegend aus jungen Freiwilligen bestehenden Truppen im Kampf gegen Gaddafis Anhänger widerspiegeln, teilte der Nationale Übergangsrat mit. Gleichzeitig ging der erste Fernsehkanal der Rebellen auf Sendung. »Libya al-Hurra« (Freies Libyen) soll jeden Abend vier Stunden aus der Rebellenhochburg Benghasi senden.

Unterdessen ist wohl erwiesen, dass bereits NATO-Truppen auf libyschem Boden operieren. In einem Bericht des Senders Al Dschasira sind auf Seiten der Rebellen bei Dafniya unweit der umkämpften Stadt Misurata sechs britische Soldaten zu sehen. Ihre Anwesenheit an der Front ist offenbar notwendig, um den erwarteten britischen und französischen Kampfhubschraubern Ziele zuzuweisen. Das Büro von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wollte die Nachricht nicht kommentieren. Das UN-Mandat zur Errichtung einer Flugverbotszone über Libyen verbietet die Entsendung von Besatzungstruppen.

** Aus: Neues Deutschland, 1. Juni 2011


Keine Chance für Zuma

Von Roland Etzel ***

Zum zweiten Mal hat ein afrikanisches Staatsoberhaupt versucht, in Libyen zu vermitteln. Und erneut, so wird nüchtern vermeldet, sei die Mission gescheitert. Das ist allerdings weniger als die halbe Wahrheit. Dass es nicht den von ihm angestrebten Waffenstillstand gibt, kann man dem Südafrikaner Zuma am allerwenigsten ankreiden. Die Standpunkte blieben zwar unverrückt – doch ohne seine Schuld.

Die Rebellen wollen keinen Waffenstillstand. Sie fühlen sich von der NATO dazu aufgefordert, die Strategie »Alles oder nichts« zu verfolgen, in der Hoffnung, Sarkozy und Co. bomben weiter bis zum totalen Erfolg bzw. bis sich eine Handhabe findet, auch Bodentruppen auf »humanitäre Hilfsmission« zu schicken. Da die Aufständischen die deutlich schwächere Partei sind, bleibt ihnen – was immer ihre Wortführer selbst für praktikabel erachten mögen – auch gar nichts anderes übrig, als mehr oder weniger willenlos den Intentionen ihrer Mentoren zu folgen.

In diesen Intentionen aber ist eine Verhandlungslösung nicht vorgesehen. Wie wäre sie auch möglich, wenn sie darauf beruhen soll, dass zuvor eine der Seiten – Gaddafi – kapitulieren soll? Dieses Diktat soll möglichst nicht hinterfragt werden. Schon deshalb war die Initiative Zumas dem Westen so überaus lästig. Er tat das, was London oder Paris gemäß UN-Resolution selbst hätten tun müssen: nach Friedenslösungen zu suchen. Nur mit Mühe konnten sie sich bequemen, die Bombardierung libyscher Regierungsgebäude wenigstens während Zumas Visite auszusetzen. Vorbei die Zeit artiger Komplimente ans neue afrikanische Selbstbewusstsein und zurück mit ihnen an den Katzentisch der Weltpolitik.

*** Aus: Neues Deutschland, 1. Juni 2011 (Kommentar)


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