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"Heldenmut und französische Weisheit"

Libysche Aufständische danken Paris für Waffenlieferungen / Rebellenchef bei Westerwelle *

Der Übergangsrat der libyschen Aufständischen hat Frankreich für seine Waffenlieferungen gedankt. Ratschef Dschibril wirbt in Europa für weitere Unterstützung mit Militärgerät.

Der stellvertretende Vorsitzende des Übergangsrates, Abdul Hafis Ghoga, erklärte in Bengasi: »Dass die Libyer in den Nafusa-Bergen heute lebendig und in Sicherheit sind, ist einer Kombination aus libyscher Tapferkeit und Heldenmut mit französischer Weisheit und Unterstützung zu verdanken.« Am Mittwoch (29. Juni) war bekannt geworden, dass Frankreich Waffen an die Rebellen liefert. Die Golf-Emirate sollen heimlich ebenfalls Waffen zur Verfügung stellen. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte, das Bündnis sei in die französische Initiative nicht eingebunden gewesen.

»Wir brauchen Waffen, um möglichst schnell diesen Kampf zu gewinnen«, sagte der Vorsitzende der Übergangsregierung der Aufständischen, Mahmud Dschibril am Donnerstag (30. Juni) bei einem Besuch in Österreich. Anschließend reiste er nach Deutschland, wo er in Berlin mit Bundesaußenminister Guido Westerwelle zusammentraf. Dabei waren Waffenlieferungen nach offizieller Darstellung kein Thema. Der Rebellenchef bat Deutschland um Hilfe für Kriegsversehrte, die Freigabe von libyschem Vermögen und um Minenräumgerät. Westerwelle bekräftigte seine Entschlossenheit, die Rebellen zu unterstützen. »Wir stehen an der Seite der demokratischen Kräfte in Libyen«, erklärte der FDP-Politiker.

Unterdessen gibt es Befürchtungen, dass Waffen aus Libyen in die Hände des Terrornetzwerks Al Qaida gelangen. Dafür könnten die Terroristen die chaotische Lage in dem nordafrikanischen Kriegsland ausnutzen, sagte der spanische Innenminister Alfredo Perez Rubalcaba. Insbesondere die Sahelzone sei ein Trainingscamp für Al Qaida und ein Drehkreuz für Kokainschmuggel, Waffen- und Menschenhandel. Deswegen müsse in der afrikanischen Region verschärft Polizei eingesetzt werden; gleichzeitig müsse die Koordination mit der Afrikanischen Union intensiviert werden.

Die Staatschefs der Afrikanischen Union haben sich auf ihrem Gipfel in Malabo zunächst nicht auf eine gemeinsame Haltung zum Libyen-Konflikt einigen können. Die Verhandlungen seien vertagt worden, so der Präsident der AU-Kommission, Jean Ping, nach Gesprächen hinter verschlossenen Türen in der Hauptstadt Äquatorialguineas. Als Hindernis gelte die Frage nach Beteiligung des libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi an den Verhandlungen, hieß es. Die afrikanischen Staatschefs seien mit Gaddafis Rücktritt einverstanden, sagte der Vertreter der libyschen Rebellen in Frankreich, Mansur Saif al-Nasr. »Einige sagen das öffentlich, andere nicht.«

* Aus: Neues Deutschland, 2. Juli 2011


NATO bombardiert Gemüsemarkt

Libyen: Ghaddafis Tochter berichtet von Verhandlungen mit Rebellen. AU fordert Waffenstillstand **

Die libysche Regierung führt nach Angaben der Tochter von Staatschef Muammar Al-Ghaddafi direkte und indirekte Gespräche mit den Rebellen. Um das Blutvergießen in Libyen zu beenden, »sind wir bereit, uns mit dem Teufel zu verbünden, mit der Rebellenarmee«, sagte Aicha Ghaddafi in einem am Donnerstag (30. Juni) vom französischen Fernsehsender France 2 ausgestrahlten Interview. Ihr Vater sei weiterhin stark, erklärte Aicha Ghaddafi. Er sei in Libyen »ein Symbol, ein Führer« und könne das Land nicht verlassen. Sie selbst habe bei den Luftangriffen der NATO eine Tochter und einen Bruder verloren. Die Aggression fordert nach wie vor weiter zivile Opfer. So seien bei einem Luftangriff auf einen Gemüsemarkt in Tawrgha Shabia zwölf Menschen getötet worden, berichtete das staatliche libysche Fernsehen.

Unterdessen hat die Afrikanische Union am Freitag (1. Juli) in Malabo, der Hauptstadt von Äquatorialguinea, ihr XVII. Gipfeltreffen fortgesetzt, in dessen Mittelpunkt die Lage in Libyen stand. Während westliche Medien über »bröckelnde Unterstützung« der Afrikaner für Ghaddafi spekulierten, bekräftigte AU-Präsident Jean Ping aus Gabun die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand in dem nordafrikanischen Land. Er warnte, daß die gegenwärtige Situation zu einer Ausweitung des Bürgerkriegs, einer Spaltung des Landes oder zu einer »Situation wie in Somalia« führen könne. Die Konfliktparteien sollten die Anstrengungen des von der AU eingesetzten Vermittlerkomitees unterstützen, dem die Präsidenten von Südafrika, Mauretanien, Uganda, Mali und der Republik Kongo angehören.

Libyen ist auf dem AU-Gipfel mit einer verhältnismäßig kleinen Delegation vertreten, die von Ghaddafis Stabschef Baschir Saleh geleitet wird. Dieser forderte ein Ende der ausländischen Intervention: »Das ist ein internes Problem Libyens, und wir sollten es nach unseren eigenen Gesetzen lösen dürfen.« (dapd/PL/AFP/jW)

* Aus: junge Welt, 2. Juli 2011

Afrikanische Union bestätigt Beschluss vom 25. Mai:

The Assembly reiterated its deep concern at the prevailing situation in Libya, as well as its conviction that only a political solution will make it possible to fulfill the legitimate aspirations of the Libyan people and preserve the unity and territorial integrity of the country. It reaffirmed the decision on the peaceful resolution of the Libyan crisis adopted at its Extraordinary Session held on 25 May 2011.

Aus dem Abschlussdokument der Vollversammlung der AU, 1. Juli 2011; Internet: www.au.int [externer Link!]




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