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Afrikaner wollen in Libyen vermitteln

Mission nach Tripolis und Bengasi / Militärische Lage ohne erkennbare Überlegenheit einer Seite *

Angesichts der unentschiedenen militärischen Lage in Libyen verstärken regionale Kräfte ihre Bemühungen um eine Waffenruhe.

Eine hochrangige Vermittlergruppe der Afrikanischen Union (AU) forderte am Sonntag (10. Apr.) die sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen. Die Präsidenten Südafrikas, der Demokratischen Republik Kongo, Malis, Mauretaniens und Ugandas wollten am Sonntag und Montag Tripolis und Bengasi besuchen. Die Waffenruhe sollte eine »Übergangsperiode« für politische Reformen einleiten, hieß es in der Erklärung der Präsidentendelegation unter Führung des Südafrikaners Jacob Zuma. Ihre Vorschläge wollte die Abordnung auch in direkten Gesprächen mit dem libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi darlegen.

An diesem Montag (11. April) wollte sie nach Bengasi weiterreisen, um dort mit Vertretern des Übergangsrates, der provisorischen Regierung der Regimegegner, zu sprechen. Die panafrikanische Organisation hatte sich zuletzt wiederholt für eine Verhandlungslösung in Libyen ausgesprochen. Für die Forderung der libyschen Aufständischen und des Westens, dass Gaddafi die Macht abgeben und mit seiner Familie das Land verlassen müsse, tritt sie nicht ein. Die Vermittlermission der AU bricht die internationale Isolation Gaddafis auf, in die dieser geraten war, nachdem er Mitte Februar damit begann, die Proteste mit Gewalt zu unterdrücken.

Im Osten Libyens dauerten am Wochenende die Kämpfe um die strategisch wichtige Stadt Adschdabija an. Eine Reporterin des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira bemerkte am Sonntag im Westen des Ortes Rauchsäulen und Artillerielärm. Einzelne Stoßtrupps der Gaddafi- Streitkräfte seien in das Innere der von ihren Bewohnern weitgehend verlassenen Stadt eingedrungen. Adschdabija hatte in den vergangenen Wochen mehrfach die militärische Hoheit gewechselt.

Heftig umkämpft blieb am Wochenende auch Misurata, die drittgrößte Stadt des Landes 210 Kilometer östlich von Tripolis. Die bewaffneten Regimegegner drängten die Gaddafi-Truppen nahezu vollständig aus der Medizinischen Universität, berichtete ein Sprecher des Verteidigungskomitees in einer Tonbotschaft. Zwei Panzer seien zerstört und sechs Scharfschützen der Gaddafi-Trupps getötet worden.

Unterdessen legte ein Schiff des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz im Hafen von Misurata an, bestätigten eine Sprecherin der Organisation in Genf und das Verteidigungskomitee in der Stadt. Es hat 130 Kubikmeter medizinischer Hilfsmittel geladen und soll nun das Hauptkrankenhaus der Stadt versorgen. Die belagerte Stadt ist auch von der Strom- und Wasserversorgung abgeschnitten, die Abwasseraufbereitung ist zusammengebrochen.

Kampfflugzeuge der NATO zerstörten Munitionslager und zahlreiche Panzerfahrzeuge der Regierungstruppen. Dies teilte der Kommandeur des internationalen Militäreinsatzes in Libyen, der kanadische General Charles Bouchard, in seinem Hauptquartier in Neapel mit. Gaddafi benutze weiterhin die eigene Bevölkerung als Schutzschild für schwere Waffen, indem er diese nahe bei Wohngebäuden und Moscheen stationiere.

* Aus: Neues Deutschland, 6. April 2011


NATO-Krieg in Sackgasse

Von Karin Leukefeld **

Das militärische Patt in Libyen zwingt die ausländische Kriegsallianz zum Manövrieren. Das klarste Eingeständnis zur verfahrenen Lage, in die das Land unter Führung der NATO gebombt wurde, kam am Wochenende von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Er räumte im Spiegel ein: »Für diesen Konflikt gibt es keine militärische Lösung.« Den Vorwurf der Rebellen, die NATO verrate den Kampf gegen das Ghaddafi-Regime, wies Rasmussen zurück. Die Lufteinsätze seien teilweise durch schlechtes Wetter behindert worden. Die NATO hat bisher zweimal bewaffnete Rebellen »aus Versehen« getötet. Zudem gibt es Konflikte zwischen Militärs der Rebellen, wie Abdul Hafidh Ghoga, Sprecher des oppositionellen Übergangsrates bestätigte.

Angesichts der Situation unterstützt die Mehrheit im deutschen Bundestag einen »humanitären« Einsatz der Bundeswehr, sollte der von der UNO angefordert werden. Unter dem Schutz eines Sondereinsatzkommandos (SEK) der Bundeswehr solle medizinische Versorgung und Hilfe für die Flüchtlinge die Kriegsfolgen lindern, erklärte SPD-Fraktionsvize Gernot Erler. Das SEK gehört zur Schnellen Eingreiftruppe der EU, deren Ministerrat den Einsatz »Eufor Libya« am 1. April beschlossen hat. Bisher hatte die Bundesregierung erklärt, keine Soldaten nach Libyen in den Krieg zu schicken. Die EU-Außenminister hatten aber schon am 21.März erklärt, Hilfseinsätze in Libyen militärisch absichern zu wollen. Laut dpa, die sich auf Brüsseler Diplomaten bezog, steht eine Anfrage des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) kurz bevor. Am heutigen Montag (11. Apr.) will die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton mit Rasmussen das weitere Vorgehen besprechen, am Dienstag (12. Apr.) befassen sich die EU-Außenminister damit. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi sagte in einem Rundfunkinterview (WDR5), ein humanitärer Einsatz mache nur Sinn, »wenn es einen Waffenstillstand gibt.«

Hintergrund der Hektik hinter den Kulissen: Die Kämpfe in Libyen stecken weiterhin in einer Sackgasse, zugleich gibt es neue Friedensbemühungen der Afrikanischen Union (AU). Am Sonntag morgen flogen allerdings NATO-Kampfflugzeuge erneut massive Angriffe auf die Hafenstadt Misurata, in der Ghaddafi-Truppen stationiert sind. Auch in den Ölhäfen Brega und Adschdabija wird gekämpft. In Bengasi traf eine AU-Verhandlungsdelegation ein, die mit den Rebellen einen Waffenstillstand aushandeln will. Ziel sei es, »alle Feindseligkeiten sofort zu beenden«, hieß es in einer Erklärung. Die Delegation wird vom Präsidenten Mauretaniens, Mohamed Ould Abdel Aziz geleitet, mit dabei sind die Regierungschefs von Mali, Uganda, Südafrika und der Demokratischen Republik Kongo. Heute soll die Abordnung nach Tripolis weiterreisen. Ein AU-Angebot, zwischen Ghaddafi und der Opposition zu vermitteln, war vor Beginn des Kriegs von den Aufständischen und dem Westen ignoriert worden.

Zu einer Kontaktmission war vom Montag bis Mittwoch vergangener Woche der frühere Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt Bernd Schmidbauer auf Einladung der libyschen Regierung nach Tripolis gereist, wie er in Bild am Sonntag bestätigte. Er habe dort »hochrangige Regierungsmitglieder und Ghaddafis Sohn Saif Al-Islam getroffen.« Er sei sicher: »Libyen würde einem Waffenstillstand sofort zustimmen.« Am heutigen Montag werde er in Berlin entsprechende Stellen informieren. Die Bundesregierung bereitet nach Focus-Informationen die Ausweisung des libyschen Botschafters in Berlin, Jamal Ali Omar El-Baraq, und fünf weiterer Diplomaten vor.

** Aus: junge Welt, 11. April 2011


Echter Schutz

Von Olaf Standke ***

Nun dämmert es selbst NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen: Eine militärische Lösung in Libyen gibt es nicht. Auf die hat der Nordatlantik-Pakt, die eigenen geostrategischen Interessen im Hinterkopf, bisher aber gesetzt, auch wenn immer wieder der Schutz der Zivilisten im innerlibyschen Konflikt beschworen wurde. Denn von Anfang verstand die Allianz das UN-Mandat zur Durchsetzung einer Flugverbotszone über dem nordafrikanischen Land vor allem als Auftrag, den Aufständischen gegen die Gaddafi-Truppen Schützenhilfe zu geben, getötete Zivilsten und Kollateralschäden auch unter den Rebellen eingeschlossen.

Aber welche Schlussfolgerungen will man in Brüssel und Washington aus dem Eingeständnis von Rasmussen ziehen? Wurde bisher vor allem über mögliche Waffenlieferungen zur Unterstützung der Rebellen sinniert, dürfte es doch angesichts dieser Lageeinschätzung nur einen Weg geben – alle politischen Anstrengungen auf eine sofortige Waffenruhe zu lenken. Eine hochrangige Vermittlergruppe der Afrikanischen Union hat am Sonntag die umgehende Einstellung jeglicher Kampfhandlungen gefordert und will in Tripolis wie in Bengasi Wege hin zu einer »Übergangsperiode« für politische Reformen in Libyen suchen. Wenn es jetzt gelänge, beide Seiten schnell an einen Verhandlungstisch zu bekommen, würde das die Zivilbevölkerung in Libyen wirklich schützen – vor jederart Militäraktion.

*** Aus: Neues Deutschland, 11. April 2011 (Kommentar)


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