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Die USA und die NATO haben insgeheim einen entscheidenden Beitrag zu den Kämpfen in Libyen geleistet

Ein aufschlussreicher Beitrag, übersetzt von "Luftpost" - Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein *

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Rebellen, als in den Kämpfen in Libyen ein Patt drohte, von innerhalb des Landes verdeckt operierenden ausländischen Militärberatern angeleitet wurden, die auch die NATO-Flugzeuge einwiesen, die (libysche) Regierungstruppen bombardierten.

Diplomaten geben zu, dass NATO-Staaten und Partnerländer aus dem Mittleren Osten an den Geheimoperationen auf libyschem Boden beteiligt waren. Diese Operationen waren nicht in die NATO-Befehlsstruktur eingebunden, um Verstöße gegen das UN-Mandat zu vermeiden, das nur den Schutz von Zivilisten (durch die Errichtung einer Flugverbotszone für libysche Kampfjets) erlaubte.

Diese weitgehend im Verborgenen agierenden (ausländischen) Unterstützer halfen, die zusammengewürfelte Rebellen-Armee in eine Streitmacht umzuwandeln, die in der Lage war, Tripolis zu erstürmen.

[Am Dienstag (23. Aug.) gab der französische Außenminister Alain Juppé in einem Interview mit dem Radiosender Europe 1 zu, dass auch Frankreich "einige Instruktoren" für die Ausbildung der Rebellen-Kämpfer abgestellt hat.] (Dieser Satz, der in der ursprünglichen AP-Meldung enthalten ist, fehlt im Nachdruck von English Lybia TV.)

Die NATO teilte mit, weil es noch einzelne Widerstandsnester gebe, werde sie ihre Mission trotz der schnellen Fortschritte der Rebellen in Tripolis weiter fortsetzen. Obwohl das Bündnis bisher immer bestritten hat, irgendwelche (Boden-)Truppen in Libyen zu haben, gab ein Sprecher Anfang dieses Monats die Anwesenheit ausländischer Soldaten indirekt zu, als er erklärte, die NATO-Zielplaner stützten sich "auf Angaben von NATO-Informanten vor Ort".

Analysten haben festgestellt, dass die Luftangriffe immer präziser wurden und immer weniger Kollateralschäden verursachten, was auf die Anwesenheit von Zieleinweisern auf dem Schlachtfeld schließen lässt.

Deshalb waren auch gezielte Bombenangriffe auf die wichtigsten Kommunikationseinrichtungen des libyschen Oberbefehlshabers Muammar Gaddafi und auf seine geheimen Waffenlager möglich. Eine zunehmende Anzahl von US-Überwachungsund Killerdrohnen begleitete den Vormarsch der revolutionären Kräfte rund um die Uhr.

Diplomaten geben zu, dass verdeckt operierende Teams aus Frankreich, Großbritannien und einigen osteuropäischen Staaten den Rebellen auch am Boden wichtige Hilfe leisteten.

Nach Auskunft eines im NATO-Hauptquartier in Brüssel tätigen Diplomaten, der wegen seiner sensiblen Informationen anonym bleiben wollte, wurde die Rebellen-Armee von (den Nachschub organisierenden) Logistikern, Sicherheitsberatern, vorgeschoben Zieleinweisern, Geheimdienstagenten, Schadensbewertern und anderen Experten unterstützt.

Die CIA und andere US-Geheimdienste haben schon vor Beginn und während des Konflikts Informationen mit Hilfe von Kontaktpersonen gesammelt, die sie angeworben haben, als sie mit der Gaddafi-Regierung bei der Bekämpfung militanter, Al-Qaida-naher, islamistischer Gruppen in Libyen zusammengearbeitet haben.

Ein anderes Anzeichen für die Beteiligung ausländischer Bodentruppen war die schnelle Verbesserung der Operationsfähigkeit der Rebellen-Armee und besonders die bessere Koordination der Kampftätigkeit, die es zu Beginn des Konfliktes noch nicht gab.

"Das ist normalerweise mit ungeschulten Truppen kaum zu erreichen," sagte Barak Seener, ein Nahostexperte des Royal United Services Institute (des Königlichen Instituts der Vereinigten Streitkräfte, eines britischen Militärforschungsinstitutes). "Da sie so schnell gelernt haben, wurden sie offensichtlich von Spezialkräften ausgebildet."

Die ausländischen Militärberater haben die libyschen Rebellen-Truppen immer mit aktuellsten Aufklärungsergebnissen versorgt, so dass diese ihre begrenzte Feuerkraft optimal gegen Gaddafis Armee einsetzen konnten. Ein US-Offizieller, der unter der Bedingung, anonym bleiben zu können, dazu bereit war, auch über geheime Operationen zu sprechen, sagte, anfangs hätten nur Militärberater aus Katar mitgewirkt, die seien aber später durch französische, italienische und britische Berater verstärkt worden. Mit dem Einsatz der Militärberater seien mehrere Absichten verfolgt worden; man habe den Rebellen nicht nur helfen, sondern auch verhindern wollen, dass Al-Qaida-Leute zu viel Einfluss auf die Aufständischen bekommen.

Die Arbeit der Geheimdienste auf dem Boden wurde ergänzt durch eine ständig ausgeweitete Überwachungstätigkeit am Himmel, die vor allem dem Aufspüren von Angriffszielen diente. Mit bewaffneten US-Predator-Drohnen wurde der Weg für die vorrückenden Rebellen freigeräumt.

Der Einsatz der US-Drohnen auf dem libyschen Kriegsschauplatz sei für die Rebellen sehr wichtig gewesen, weil sie dadurch ständig neueste Aufklärungsergebnisse über ihre jeweiligen Umgebung bekommen hätten, sagte General Jean-Paul Palomeros, der Stabschef der französischen Luftwaffe.

"Je genauer die Aufklärungsergebnisse sind, desto wertvoller sind sie," erklärte Palomeros (der US-Nachrichtenagentur) The Associated Press / AP. "Das war Teil eines Gesamtpaketes: Viel Zeit wurde auch für das Organisieren der oppositionellen Kräfte verwendet."

Weil die USA in den letzten Wochen vermehrt Drohnen einsetzten, konnten sie auch näher bei den Städten Präzisionsschläge durchführen und den Rebellen einen raschen Vormarsch durch Zawiya und auf Tripolis ermöglichen.

Ein an den Sitzungen des britischen National Security Council (des Nationalen Sicherheitsrates) Beteiligter teilte mit, im Laufe der Zeit sei die Zusammenarbeit zwischen der NATO und den Rebellen-Gruppen besonders bei der Koordination von Luftangriffen immer besser geworden. Nachdem die libyschen Rebellen von Soldaten aus Großbritannien und anderen Nationen ausgebildet worden seien, hätten sich ihre militärische Fähigkeiten erheblich verbessert.

Unterstützt durch immer präzisere NATO-Luftangriffe, konnten die Rebellen die Gaddafi- Truppen allmählich zurückdrängen und deren Nachschubrouten blockieren; gleichzeitig floss der Opposition immer mehr Geld und Nachschub zu.

Die NATO-Bombenangriffe, die Durchsetzung der Flugverbotszone (für libysche Flugzeuge), das Waffenembargo (für die libysche Armee) und die vor der Küste patrouillierenden (NATO-)Kriegsschiffe verschafften den Rebellen genügend Luft, damit sie sich mit (auch von der NATO beschafften) Waffen und Munition versorgen konnten. So wurden sie befähigt, sich nach und nach in eine einigermaßen wirkungsvolle Kampftruppe zu verwandeln.

* Wir, die Herausgeber der "Luftpost", haben den sehr aufschlussreichen Artikel, der die Angaben des französischen Journalisten und Augenzeugen Thierry Meyssan bestätigt, komplett übersetzt und mit Ergänzungen und Links in Klammern versehen. Der englische Originalbeitrag befindet sich auf der Website des TV-Senders "Lybia for the free", ein Sender, der offensichtlich von den libyschen Rebellen betrieben wird und seit März 2011 aus Doha, der Hauptstadt Katars, sendet.

Originalbeitrag: "US, NATO were crucial, unseen hands in Libya fight", AP, 23. August 2011; http://english.libya.tv



Dokumentiert

"Die Vereinigten Staaten und ihre Partner agieren an mehreren Fronten"

Erklärung der US-Außenministerin Hillary Clinton zur aktuellen Lage in Libyen

Im Folgenden dokumentieren wir die Erklärung von US-Außenministerin Hillary Clinton zur aktuellen Lage in Libyen vom 25. August 2011. Die Übersetzung ins Deutsche besorgte der Amerika Dienst.

Hillary Clinton:

Die Ereignisse in Libyen diese Woche waren für die ganze Welt ermutigend. Die Situation bleibt instabil, aber es ist klar, dass sich die Gaddafi-Ära zu Ende geht und so der Weg frei wird für eine neue Ära in Libyen - eine der Freiheit, Gerechtigkeit und des Friedens.

Gemeinsam mit der libyschen Bevölkerung feiern wir die mutigen Menschen, die sich einem Tyrannen entgegengestellt und ihr Zuhause sowie ihre Gemeinden gegen die Gewalt Gaddafis verteidigt haben.

In den vergangenen sechs Monaten standen die Vereinigten Staaten und die internationale Gemeinschaft während vieler schwieriger Tage an der Seite der libyschen Bevölkerung. Gemeinsam haben wir ein Blutbad verhindert, und wir haben das Streben der Menschen nach Freiheit unterstützt. Wir werden sie weiterhin im Kampf gegen die Teile des Regimes unterstützen, die noch immer eine Bedrohung für die Zukunft Libyens darstellen, sowie bei der Sicherung der humanitären Bedürfnisse und beim Aufbau ihres Landes. Dies ist die Revolution der libyschen Bevölkerung, die auch weiterhin den Weg vorgeben wird, aber sie verdient unsere Unterstützung. Die Zukunft Libyens ist keinesfalls gesichert. Vor uns liegt noch viel Arbeit.

Die kommenden Tage und Wochen werden entscheidend sein. Die Vereinigten Staaten und ihre Partner agieren an mehreren Fronten sehr schnell und entschlossen.

Anfang dieser Woche sprach ich am Telefon mit dem Vorsitzenden des nationalen Übergangsrates (TNC - Transitional National Council), Mustafa Abd al-Dschalil, um zum Ausdruck zu bringen, dass wir die Bestrebungen des TNC unterstützen und um weitere Schritte zu erörtern. Ich habe darüber hinaus eine Telefonkonferenz mit vielen Außenministern der Libyen-Kontaktgruppe organisiert, um im Namen der libyschen Bevölkerung unsere humanitären, finanziellen, diplomatischen und anderen Bestrebungen zu koordinieren. Heute hat die Libyen-Kontaktgruppe ein Treffen in Istanbul abgehalten, um unser anhaltendes Engagement für Libyen zu demonstrieren und die drängendsten finanziellen Erfordernisse des TNC zu besprechen. Die Kontaktgruppe forderte eine schnelle Aufhebung der Sanktionen gegen libysches Vermögen. Die Vereinigten Staaten unterstützen diese Forderung.

Heute haben wir die Freigabe von 1,5 Milliarden US-Dollar an libyschem Vermögen sichergestellt, das zuvor eingefroren worden war. Das Geld wird der libyschen Bevölkerung zugute kommen. Wir fordern andere Länder auf, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen. Viele tun dies bereits.

Mit der Freigabe der Gelder muss auch der nationale Übergangsrat seiner internationalen Verantwortung nachkommen und das Versprechen einlösen, einen toleranten, geeinten, demokratischen Staat aufzubauen - einen der die allgemeinen Menschenrechte aller Bürger schützt. Es ist wichtig, dass der TNC umgehend die einzelnen Gemeinden und Anführer überall in Libyen einbindet, um Ordnung zu gewährleisten, den Bürgern wichtige grundlegende Dienste bereitzustellen und den Weg für einen umfassenden demokratischen Wandel zu bereiten. Die Zukunft Libyens wird nur friedlich sein, wenn die Anführer und die Bevölkerung Libyens einander im Geiste des Friedens die Hand reichen. Im neuen Libyen darf es keinen Platz für Rache und Vergeltung geben.

Der TNC ist auch gegenüber der internationalen Gemeinschaft verpflichtet. Wir werden genau hinschauen um sicherzustellen, dass Libyen seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt, dass seine Waffenlager nicht die Nachbarländer bedrohen oder in falsche Hände fallen und dass es sich gewalttätigem Extremismus entgegenstellt. Gleichzeitig rufen wir Gaddafi, seine Familie und seine Anhänger dazu auf, zum Wohle der libyschen Bevölkerung und der Zukunft Libyens die anhaltende Gewalt zu beenden.

Die Vereinigten Staaten haben von Anfang an eine zentrale Rolle in der internationalen Reaktion auf die Krise in Libyen gespielt. Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir Tausenden Menschen das Leben gerettet und die Konfrontation mit einem rücksichtslosen, unberechenbaren Diktator unterstützt, der bereit war, sein eigenes Volk abzuschlachten, um an der Macht zu bleiben. Die Vereinigten Staaten werden in den kommenden Wochen und Monaten an der Seite der libyschen Bevölkerung und ihrer internationalen Partner stehen, um den Menschen in Libyen zu helfen, das nächste Kapitel ihrer Geschichte zu schreiben.

Originaltext: Statement on Libya; www.state.gov/secretary/
Herausgeber: US-Botschaft Berlin, http://blogs.usembassy.gov/amerikadienst/



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