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Offensive mit NATO-Segen

Libysche Rebellen greifen Regierungstruppen südlich von Tripolis an *

Mit Rückhalt der NATO haben die libyschen Rebellen ihre angekündigte Offensive gegen die Truppen von Staatschef Gaddafi südlich der Hauptstadt Tripolis begonnen. Die NATO habe dafür am Morgen grünes Licht gegeben, erklärte ein Mitglied des Revolutionskomitees.

Gestärkt durch französische Waffenlieferungen und die Luftangriffe der NATO haben libysche Aufständische am Mittwoch Ziele im Gebiet Gualidsch, rund 50 Kilometer südlich von Tripolis angegriffen. Wie ein AFP-Korrespondent berichtete, war Artillerie-, Kanonen- und Granatenfeuer zu hören. Über dem Gebiet kreisten zudem NATO-Flugzeuge, die jedoch nicht in die Kämpfe eingriffen. Nach Angaben der Rebellen halfen sie, Markierungen zu setzen. Die von den Rebellen angegriffene Region ist von strategischer Bedeutung, da sich dort auch die Garnisonsstadt Gharjan befindet, die als Bollwerk der Regierung in den Bergen von Nafusa gilt.

Die libyschen Rebellen hatten die Offensive am Wochenende angekündigt. Sie wollen unter anderem den strategisch wichtigen Ort Bir el-Ghanam südlich von Tripolis zurückerobern. Zuvor hatten die Truppen von Staatschef Muammar el-Gaddafi die Aufständischen dort zurückgedrängt. Ein Rebellensprecher hatte erklärt, die Aufständischen wollten die Frontlinie weiter nach Norden in Richtung Tripolis verschieben. Dies soll geschehen, sobald die Rebellen Bir el-Ghanam und Gharjan eingenommen haben.

Die NATO erklärte, sechs Militärfahrzeuge in Gharjan zerstört zu haben, darunter vier Panzer der Gaddafi-Truppen. Vergangene Woche hatte das Militärbündnis seine Angriffe im Westen des Landes verstärkt und innerhalb einer Woche etwa 50 militärische Objekte zerstört.

Neben der Unterstützung durch die NATO hatten die Rebellen zudem kürzlich Waffen von Frankreich erhalten, die über den Rebellenstützpunkten abgeworfen wurden. Weitere Lieferungen seien aber nicht mehr notwendig, da die Gebiete der Aufständischen zunehmend autonom würden, wie der französische Verteidigungsminister Gérard Longuet am Dienstag gesagt hatte. Nachdem am Dienstag nach Rebellenangaben in der westlibyschen Stadt Misrata elf Zivilisten von Regierungstruppen getötet worden waren, erklärte ein Vertreter der Aufständischen am Mittwoch, an der Frontline im Osten seien neun Gaddafi-Kämpfer gefangengenommen worden.

Die internationale Libyen-Kontakt-Gruppe bereitet sich unterdessen auf ihr viertes Treffen am 15. und 16. Juli in Istanbul vor. Dabei soll es nach Angaben der Gruppe, die aus allen Ländern besteht, die am Krieg gegen Gaddafi teilnehmen, vor allem um die finanzielle Situation der Rebellen gehen. Die Diplomaten erwägen bereits, wie Libyen nach einem Rücktritt Gaddafis aussehen soll und sich ein Chaos wie in Afghanistan oder Irak vermeiden lässt. Vor dem Treffen der Kontaktgruppe werden Rebellenvertreter zudem erstmals bei der NATO in Brüssel zu Gesprächen erwartet.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Juli 2011


Uranbomben auf Libyen

Neue Hinweise auf Einsatz von radioaktiver Munition durch die NATO **

In Libyen verdichten sich die Hinweise auf den Einsatz von Uranmunition bei den Bombenangriffen der NATO. Wie das kanadische »Centre for Research on Globalisation« (CRG) berichtet, haben Wissenschaftler in den Trümmern von der NATO attackierter Gebäude erhöhte Radioaktivität festgestellt. Besonders in von Bomben des Militärpakts verursachten Kratern seien strahlende Isotope gefunden worden, schreibt Mahdi Darius Nazemroaya am Dienstag (Ortszeit) in dem vom CRG betriebenen Onlineportal Global Research.

Die »Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung« (IPPNW) forderten am Mittwoch, daß das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) unter Beteiligung kritischer Wissenschaftler diese Vorwürfe unabhängig untersuchen müsse. »Der mögliche Einsatz von Uranmunition widerspricht eklatant den angeblichen Zielen des Schutzes der Zivilbevölkerung. Über die tödliche Wirkung hinaus führt der Einsatz zu langfristigen schwerwiegenden Gesundheitsschäden«, warnte IPPNW-Vorstandsmitglied Sabine Farrouh und forderte eine generelle Ächtung dieser Waffen.

Bei Uranmunition wird ein Abfallprodukt verwendet, das bei der Herstellung von Kernbrennstoff für Atomkraftwerke und von waffenfähigem Uran für Atombomben entsteht. Es wird von der Rüstungsindustrie zur Herstellung von panzer- und bunkerbrechender Munition verwendet. Beim Einsatz letzterer entstehen Uranpartikel und -oxide, die als Schwebeteilchen und Staub die Umgebungsluft belasten. Dieser hochgiftige Feinstaub wird mit dem Wind weit verbreitet und immer wieder aufgewirbelt. Durch Inhalation, Wasser- und Nahrungsaufnahme oder durch die Haut kann das abgereicherte Uran als Aerosol oder als Uranoxid in den Körper gelangen und schwere Gesundheitsschäden verursachen.

In den Kriegen gegen Jugoslawien 1999 und gegen den Irak ab 2003 setzten die NATO bzw. die USA nachweislich solche Munition ein. Auch aus Libyen gab es bereits wiederholt Berichte über den Einsatz abgereicherten Urans durch die Invasoren, zuerst bereits im März durch die britische »Stop The War Coalition« (jW berichtete), dann im April durch Conn Hallinan, einen Mitarbeiter des US-amerikanischen Think-tanks »Foreign Policy in Focus«, sowie im Juni durch die frühere US-Kongreßabgeordnete Cynthia McKinney, die 2008 für die US-Grünen bei der Präsidentschaftswahl angetreten war. (jW)

** Aus: junge Welt, 7. Juli 2011


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