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Beziehungen "auf dem Prüfstand"

Von Rainer Rupp *

Der russische Präsident Dmitri Medwedew hat am Montag (4. Juli) mit Vertretern der NATO den Konflikt in Libyen erörtert. An dem Treffen in der russischen Schwarzmeerstadt Sotschi nahm auch der südafrikanische Präsident Jacob Zuma teil. Nach Einschätzung der beiden Amtsträger geht die Allianz mit ihrer massiven Bombardierung auch ziviler Ziele weit über den Rahmen der im März verabschiedeten UN-Resolution 1973 hinaus. Diese autorisiert die NATO-Staaten lediglich, »alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung« zu ergreifen.

Dennoch warb Nordatlantikpaktchef Anders Fogh Rasmussen in Sotschi um eine engere Partnerschaft mit Moskau. Diese stünde aber, so der russische Staatschef, wegen des NATO-Kriegs gegen Libyen »auf dem Prüfstand«. Medwedew und Zuma erklärten gemeinsam, daß sie sich »ein souveränes Libyen« wünschten, ohne Einmischung des Militärbündnisses.

Bereits am 14. Juni hatte Zuma, als er im Auftrag der Afrikanischen Union (AU) erneut in einer Vermittlungsmission in Libyen weilte, die NATO scharf verurteilt, weil sie die UN-Resolution 1973 »für einen Regimewechsel, für politische Morde und ausländische militärische Besatzung mißbraucht«. Zugleich warf er dem Pakt vor, »die Bemühungen der AU um eine diplomatische Lösung in Libyen zu untergraben«. Die Organisation beschuldigte insbesondere Frankreich und Großbritannien, durch Waffenlieferungen an libysche Rebellengruppen mit terroristischen Verbindungen in andere Länder der Region die Sicherheit ganz Afrikas zu destabilisieren.

London hat bisher nur eingeräumt, den Rebellen Uniformen, Schutzwesten und Kommunikationsmittel geliefert zu haben. Aber die französische Regierung sah sich vergangene Woche zu dem Eingeständnis gezwungen, aufständische Stämme in den Wüstengebieten südlich der libyschen Hauptstadt Tripolis aus der Luft mit größeren Mengen Kriegsgerät versorgt zu haben. Der auf verdeckte Waffenlieferungen spezialisierte britische Journalist Brian Johnson-Thomas warf im russischen Nachrichtensender »RT« am Dienstag zudem den Regierungen in Paris und London vor, sogar Al-Qaida-nahe Gruppen zu bewaffnen, nur um einen Sieg über Ghaddafi zu erzwingen.

Derweil hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (ICC) mit seiner Anklage gegen Ghaddafi, dessen Sohn, Saif Al Islam und den libyschen Geheimdienstchef eine schwere politische Niederlage einstecken müssen. Die Afrikanische Union hat prompt nach der Entscheidung vom Beginn vergangener Woche reagiert und alle Mitglieder dazu aufgefordert, die Haftbefehle des ICC zu ignorieren. 31 Staaten der AU sind Unterzeichner des ICC und stellen damit ein Drittel aller Länder dar, in denen das ICC-Mandat überhaupt gilt.

Der Vorsitzende der Afrikanischen Union, Jean Ping, hatte auf deren Gipfel in Äquatorialguinea am vergangenen Wochenende die Kritik am Internationalen Strafgerichtshof auf den Punkt gebracht: »Wir unterstützen den Kampf gegen Straflosigkeit, wir sind nicht gegen den ICC, aber wir sind gegen die Art und Weise, wie dort Recht gesprochen wird«, so Ping. Das Gremium sei nur daran interessiert, Afrikaner zu verurteilen, während es die Verbrechen ignoriere, die westliche Staaten in Irak, Afghanistan, Pakistan und Libyen begehen.

* Aus: junge Welt, 6. Juli 2011


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