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Rebellen von Ägypten und USA trainiert

NATO-Piloten töteten 13 aufständische Libyer *

Der Bürgerkrieg in Libyen fordert immer neue Opfer. Auch 13 Rebellen wurden Opfer eines NATO-Bombardements zwischen Adschdabija und Al-Brega. Die unerfahrenen Milizionäre hätten »aus Freude« mit Luftabwehrkanonen in den Himmel geschossen, hieß es in einem dpa-Korrespondentenbericht. Die Piloten des NATO-Geschwaders hätten keine Möglichkeit gehabt, dieses »Freudenfeuer« als »nicht feindlich« einzustufen, und feuerten gemäß ihren Einsatzregeln Luft-Boden-Raketen auf die Geschützstellung ab.

Offenbar um solche »Pannen« künftig zu vermeiden, bilden US-amerikanische und ägyptische Spezialisten libysche Rebellen aus. Das berichtete jedenfalls der Fernsehsender »Al-Dschasira«. Ein Informant aus den Reihen der Aufständischen sagte demnach, die Gaddafi-Gegner würden an einem geheimen Ort im Osten des Landes militärisch trainiert. Auch hätten sie Katjuscha-Raketen aus Ägypten bekommen, an denen sie ausgebildet werden. Bei Al-Brega setzten die Rebellen am Sonntag ihre Bemühungen fort, die Gaddafi-Truppen aus dem wichtigen Ölhafen zu verdrängen. Mit NATO-Luftunterstützung seien weite Teile der Stadt 240 Kilometer südwestlich von Bengasi eingenommen worden, hieß es. Al-Brega hat bereits mehrfach den Besitzer gewechselt.

* Aus: Neues Deutschland, 4. April 2011


"Zur falschen Zeit am falschen Ort"

NATO bombardiert versehentlich Aufständische in Libyen und tötet 13 Rebellen **

In Libyen hat die NATO am Wochenende 13 Aufständische getötet. Sie seien bei einem Bombardement zwischen Adschdabija und Al-Brega ums Leben gekommen, berichtete ein dpa-Korrespondent aus dem Kampfgebiet unter Berufung auf Krankenhausärzte und Rebellen. Ein Sprecher der Übergangsregierung in Bengasi bedauerte den Zwischenfall, sagte aber zugleich, daß man »das größere Bild im Auge« habe, zu dem auch die Rettung von Menschenleben durch die NATO-Angriffe auf die Truppen Ghaddafis gehöre. Zwischenfälle wie der Beschuß der eigenen Streitkräfte seien unter diesem Gesichtspunkt hinzunehmen, meinte Mustafa Gheriani am Sonntag im Fernsehsender Al-Dschasira. Die Opfer des betreffenden NATO-Angriffs »waren zur falschen Zeit am falschen Ort und hatten Pech«.

Der Angriff auf den Fahrzeugkonvoi der Rebellen in der Nacht zum Samstag soll dadurch ausgelöst worden sein, daß unerfahrene Freiwilligenmilizionäre aus Freude über den hörbaren Anflug von NATO-Kampfjets mit Flugabwehrkanonen in den Himmel geschossen hatten, erzählten Rebellen dem dpa-Korrespondenten.

Bei Al-Brega setzten Aufständischenverbände am Sonntag ihre Bemühungen fort, die Ghaddafi-Truppen aus dem strategisch wichtigen Ölhafen zu verdrängen, berichtete ein dpa-Korrespondent unter Berufung auf Rebellenkämpfer. Die ­NATO hat am Samstag 184 Lufteinsätze über Li­byen geführt. 70 davon seien »Angriffsflüge« gewesen, hieß es in einer am Sonntag (3. Apr.) veröffentlichten Pressemitteilung der Allianz.

US-amerikanische und ägyptische Spezialeinheiten bilden nach einem Bericht von Al-Dschasira libysche Rebellen aus. Wie ein namentlich nicht genannter Informant aus den Reihen der Aufständischen einem Korrespondenten des Senders sagte, würden die Regimegegner an einem geheimen Ort im Osten des Landes militärisch trainiert. Auch hätten sie Katjuscha-Raketen aus Ägypten bekommen, an denen sie von US-Amerikanern und Ägyptern ausgebildet würden. (dpa/dapd/jW)

** Aus: junge Welt, 4. April 2011


Tod aus Versehen

Von Roland Etzel ***

Die NATO-Offiziellen haben sich nicht lange mit dem Lamento aufgehalten. Eine untere Stufe auf der Skala offiziösen Bedauerns wurde für ausreichend befunden, nachdem am Wochenende in Libyen ein dutzend Menschen im Bombenhagel der »alliierten« Flugzeuge zu Tode kam: mindestens vier Zivilisten, deren Leben man doch eigentlich laut UNO-Resolution vor Gaddafi schützen wollte, und erst recht neun Anti-Gaddafi-Rebellen, für deren militärischen Sieg Frankreich diesen Luftkrieg anfing.

Ernsthafte Anstrengungen, den Sachverhalt zu dementieren, wurden angesichts absehbarer Erfolglosigkeit nicht unternommen. Auch der Versuch, die Toten einer üblen Intrige der Gaddafi-Truppen zuzuschreiben, scheiterte schnell. Und so gab es schon einen Tag nach dem »Versehen« am Sonntag eine Erklärung des Militärpaktes. Darin steht der Satz: »Informationen über zivile Opfer nehmen wir grundsätzlich ernst.« Ob den NATO-Gewaltigen der ausgesuchte Zynismus dieser Worte bewusst ist, bleibt unklar. Klar indes ist: Es wird weitergebombt.

Man kennt diese Art verbaler Vor- und Nachbereitung des Mordens aus der Luft seit Jahren aus Afghanistan. Vieles funktioniert wie dort. Auch das grundsätzliche Herangehen: Erst schießen, dann fragen. Der Straffreiheit gewiss, darf man auf alles feuern, was sich bewegt oder gar schießt, ohne auch nur annähernd genau zu wissen, was sich da unten abspielt. Ein Oberst Klein ist überall.

*** Aus: Neues Deutschland, 4. April 2011 (Kommentar)


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