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Hilfstruppe der EU

Sicherung der Ölanlagen und Flüchtlingsabwehr: Europäische Union bildet in Libyen paramilitärische Polizeikräfte aus. Auch Deutschland macht mit

Von Matthias Monroy *

Mehrere EU-Mitgliedsstaaten helfen der libyschen Regierung beim Aufbau einer militärischen Polizeitruppe, um sie dann zur Sicherung von Ölanlagen einzusetzen. Dies geht aus einem geheimgehaltenen Dokument des Europäischen Auswärtigen Dienstes hervor, das der französischen Internetseite Mediapart zugespielt wurde. Bislang hieß es, daß die neu geschaffenen »Border Guards« vor allem im Süden für den Grenzschutz zuständig sein sollen. Es handelt sich dabei um eine Gendarmerie, die nach dem Vorbild der italienischen Carabinieri dem Verteidigungsministerium untersteht. Berichten in libyschen Zeitungen zufolge trainieren die »Border Guards« zum Beispiel das Abseilen von Gebäuden. Den Angaben zufolge handelt es sich um eine Spezialtruppe, die auch bei Geiselnahmen angefordert werden soll. Im EU-Papier ist vom Schutz »sensibler Infrastruktur« die Rede. Gewöhnlich werden hiermit Anlagen zur Energieversorgung, aber auch Regierungsgebäude und Banken bezeichnet.

Nach Tunesien ist Libyen das zweite arabische Land, in dem westliche Regierungen enorme Kapazitäten zur Unterstützung einer »Sicherheitssektorreform« aufbringen. Seit Juni dieses Jahres fördert die EU deshalb den Aufbau eines »Integrierten Grenzmanagements«. Libyen will dadurch seine 4348 Kilometer lange Landesgrenze zurückerobern, die größtenteils von Milizen oder Stammesorganisationen kontrolliert wird. Vor einem Jahr hatte die Regierung deshalb in mehreren Provinzen den Ausnahmezustand ausgerufen und das Militär mit entsprechenden Kompetenzen versehen.

Bis zu 110 internationale »Experten« sollen nun verschiedene Sicherheitsbehörden bei der Grenzsicherung unterstützen. Auch das Bundes­innenministerium will 20 deutsche Polizisten entsenden, um libyschen Grenzwächtern beim »Ausbau ihrer operativen Fähigkeiten« zu helfen. Als Grund nennt die Bundesregierung »europäische Sicherheitsinteressen«, die in Libyen tangiert seien. Es geht auch um Öl: Immer wieder gibt es Proteste und Anschläge auf Förderanlagen, die deutsche Wintershall AG hat deshalb kürzlich ihre Arbeiten eingestellt. Insgesamt liegt die Fördermenge derzeit bei weniger als der Hälfte des Solls.

Nach dem von der NATO gelenkten Sturz Muammar Al-Ghaddafis vor zwei Jahren fehlt der EU die harte Hand des früheren Präsidenten. Vor allem Italien hatte im Rahmen seines 2008 mit Libyen unterzeichneten Freundschaftsvertrages zahlreiche Kooperationen verabredet, darunter die Lieferung von Radaranlagen für die Land- und Seegrenzen. Der damalige Premier Silvio Berlusconi kommentierte das Abkommen mit den Worten: »Wir werden mehr Gas und Benzin aus Libyen bekommen und weniger illegale Einwanderung.« Nun knüpft Italien an die Zeit unter Ghaddafi an: Laut dem Mediapart zugegangenen Dokument bildet die Regierung in Rom Hunderte ehemalige Rebellen zu Gendarmen oder Militärs aus, verspricht die eLieferung satellitengestützter Überwachungssysteme und repariert Patrouillenschiffe. Die militärische Küstenwache soll an italienische Kontrollzentren angeschlossen werden. Dadurch wird Libyen indirekt Teil der Überwachungsplattform EUROSUR, die von der EU im Dezember gestartet wird.

Vergangene Woche hatte der Europäische Auswärtige Dienst einen Vorschlag veröffentlicht, wonach Kriegsschiffe und Flugzeuge der NATO im Mittelmeer ebenfalls zur Migrationsbekämpfung eingesetzt werden könnten.

* Aus: junge welt, Mittwoch, 27. November 2013


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