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"Perfekter" Krieg in Libyen

London und Paris einig: Bombardement muss weitergehen *

Während die NATO in Libyen weiter bombardiert, nennen London und Paris den Kriegseinsatz "perfekt".

Bei NATO-Luftangriffen sind nach Angaben der libyschen Regierung in der Küstenstadt Sliten sieben Menschen getötet worden. Am Montag sei eine Krankenstation in der Stadt rund 150 Kilometer östlich von Tripolis bombardiert worden, erklärten die Behörden. Dabei seien sieben Menschen ums Leben gekommen. Behördenvertreter zeigten Journalisten ein vollständig zerstörtes Gebäude mit einem roten Kreuz am Eingang, außerdem waren verschiedene medizinische Gerätschaften zu sehen. Nach Angaben der Behörden wurden in der Ambulanz ansteckende Krankheiten behandelt.

Außerdem wurden die Journalisten zu Lebensmittellagern gefahren, die von NATO-Bomben getroffen worden sein sollen. Drei Lager waren zerstört, das vierte stand noch in Flammen. Nach Angaben eines Anwohners wurden sie am Montagmorgen von NATO-Flugzeugen bombardiert. Wie die NATO mitteilte, wurden in den vergangenen Tagen mehrere Dutzend militärische Ziele in der Region bombardiert.

Unterdessen stehen Großbritannien und Frankreich nach Angaben ihrer Außenminister »vereint« und in »perfekter Zusammenarbeit« hinter dem militärischen Einsatz in Libyen. Sowohl der britische Außenminister William Hague als auch sein französischer Kollege Alain Juppé wiesen bei einem Treffen in London Berichte zurück, die Länder seien sich in der Taktik in Libyen nicht einig. Zuvor hatte es unter anderem geheißen, Frankreich werde wegen fehlender Fortschritte ungeduldig.

Beide Länder seien weiterhin der Ansicht, dass zuerst der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi abtreten müsse, bevor man eine politische Lösung finden könne, sagte Hague. Durch das Eingreifen des UNO-Sicherheitsrates seien in Libyen viele Menschenleben gerettet worden. Außenminister Juppé betonte, dass weiter Druck auf Gaddafi ausgeübt werden müsse, und zwar mit denselben Methoden wie bisher.

Libyens Aufständische zeigen sich derweil zunehmend ungehalten über die Politik Ägyptens gegenüber der Gaddafi-Regierung. Kairo hat es nämlich – anders als die wichtigsten westlichen Länder – bisher versäumt, die Konten Gaddafis und seiner Angehörigen zu sperren. »Die ägyptische Regierung hat unsere diesbezüglichen Ansuchen ignoriert«, zitierte die Zeitung »Al-Masry Al-Youm« am Dienstag Ali al-Essawy, einen Spitzenfunktionär der Gegenregierung in Bengasi. Ein Sprecher der Gegenregierung bezeichnete diese Haltung als »nicht zu rechtfertigen«. »Aber wir werden weiter um das Geld ansuchen, das dem libyschen Volk gehört«, fügte er hinzu. Weder die Rebellenvertreter noch die ägyptischen Behörden machten Angaben, wie viel Geld Gaddafi und sein Clan im Nilland deponiert haben. Zugleich erkennen Gaddafis Gegner an, dass Ägypten seine Grenze zu dem von ihnen kontrollierten Ostlibyen völlig offenhält und das Flugverbot über Libyen unterstützt.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Juli 2011


Eine Bombenumverteilung

Von Roland Etzel **

Die libyschen Rebellenführer ärgern sich – über Ägypten. Das Nachbarland weigert sich nicht nur, ihnen Gaddafis Konten in Kairo zu überschreiben, der libysche Staatschef und seine Administration dürfen sich ihrer sogar noch bedienen. Das ist tatsächlich überraschend, denn ganz Westeuropa geht mit libyschen Staats(chef)- konten um, als wären es die eigenen; begnügte sich nicht mit dem Einfrieren, sondern ging bereits ans Umverteilen an, wie Frankreich es postulierte, »den rechtmäßigen Besitzer, das libysche Volk«. Sich selbst hat man dabei nicht ganz vergessen.

Es ist nicht weniger als eine neue atemberaubende Form des Devisentransfers; das Copyright dafür darf Sarkozy für sich reklamieren. Es geht so: Man spricht einer amtierenden Regierung – in dem Fall der Libyens – die Legitimation ab, erkennt eine Oppositionsgruppe als rechtmäßige Regierung an, erklärt letztere damit auch zur legitimen Eigentümerin der libyscher Auslandskonten. Dann versorgt man sie mit Waffen, Ausrüstungen und allem, was sie sich sonst noch für ihre Oppositionsarbeit wünscht; in der Hoffnung, die Rebellen werden in nicht allzu ferner Zeit siegen und dann aus den einstigen Gaddafi-Konten alles bezahlen.

Auch die Bundesregierung will da nicht nachstehen. Sie stellt dem »Nationalen Übergangsrat« der Rebellen ein Millionendarlehen zur Verfügung. Der »Kredit« sei durch »eingefrorene libysche Gelder« gesichert, Bei sieben Milliarden Euro allein in Deutschland ist da noch einiges ans Volk umzuverteilen. An welches auch immer. Die Methode hat nur einen Haken: Wenn die Rebellen nicht allein gewinnen, muss man nachhelfen. In Libyen tut man es mit Bombenkrieg seit inzwischen 130 Tagen.

** Aus: Neues Deutschland, 27. Juli 2011 (Kommentar)


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