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NATO beendet Einsatz nach Bombenerfolg

Operationen in Libyen werden eingestellt

Der Militäreinsatz der NATO in Libyen endet am Montag (31. Okt.). Dies beschlossen die Botschafter der 28 Paktstaaten am Freitag (28. Okt.) in Brüssel, teilte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen mit.

Am Montag (31. Okt.) läuft auch das UN-Mandat aus, das die NATO seit sieben Monaten als Legitimation ihrer Bombenangriffe betrachtet. Dieses Mandat erlaubte »alle nötigen Maßnahmen« zum Schutz der Zivilbevölkerung vor Übergriffen der Truppen von Staatschef Muammar al-Gaddafi sowie eine Seeblockade und eine Flugverbotszone. An dem Einsatz hatten 16 Staaten aktiv teilgenommen, davon zwölf NATO-Mitglieder. Der NATO-Rat bestätigte am Freitag eine bereits vor einer Woche gefasste vorläufige Entscheidung.

Derweil entdeckten die neuen libyschen Machthaber nach eigener Darstellung große Mengen chemischer Kampfstoffe, die Gaddafi in der Wüste versteckt haben soll. Es handele sich um eine Tonne Senfgas, die in einem Gebiet südlich von Al-Dschufra lagere, so die Zeitung »Qurayna al-Jadida«. Allerdings hätte Gaddafi das Gas nicht einsetzen können, da ihm die technischen Möglichkeiten fehlten.

* Aus: neues deutschland, 29. Oktober 2011

DOKUMENTIERT: Die Presseerklärung der NATO

Mit der nachfolgenden Erklärung vom 28. Oktober 2011 beendet die NATO ihren sieben Monate langen Krieg gegen die Gaddafi-Regierung in Libyen - an der Seite einer Rebellenarmee, die sich gegen das Machtzentrum in Tripolis erhoben hatte. Die NATO, ohne deren Eingreifen der Bürgerkrieg anders ausgegangen wäre, triumphiert in den höchsten Tönen: Dies sei eine der "erfolgreichsten Missionen" in der Geschichte der NATO, heißt es in der Erklärung. Dies gibt zu denken, denn solche "Erfolge" machen Appetit auf ähnliche Misionen in der Zukunft. Aber ganz so überzeugt ist die NATO doch nicht von der Nachhaltigkeit des militärischen Sieges: Sie werde die Situation in Libyen weiter beobachten, heißt es in der Erklärung, und wenn nötig, "werden wir auf Bedrohungen gegenüber Zivilpersonen antworten". Unter dem Vorwand des "Schutzes der Zivilbevölkerung" hat schließlich die NATO diesen Krieg Ende März begonnen.
Im Folgenden dokumentieren wir die Presseerklärung der NATO im Wortlaut:


NATO Secretary General statement on end of Libya mission

Press Release (2011) 136
Issued on 28 Oct. 2011


Today, we confirmed the decision taken by the North Atlantic Council a week ago. Our operation for Libya will end on October 31. Until then, together with our partners, we will continue to monitor the situation. And if needed, we will continue to respond to threats to civilians.

We have fully complied with the historic mandate of the United Nations to protect the people of Libya, to enforce the no-fly zone and the arms embargo. Operation Unified Protector is one of the most successful in NATO history.

We launched this complex operation faster than ever before. We conducted it effectively, flexibly and precisely with many partners from the region and beyond. And we are concluding it in a considered and controlled manner -- because our military job is now done.

I want to thank our commanders and our servicemen and women, for conducting this mission so well, so carefully and with such dedication.

We have done this together for the people of Libya. So they can take their future firmly and safely into their own hands. Libyans have now liberated their country. And they have transformed the region. This is their victory.

Of course, they still have a lot of work to do – to build a new Libya, based on reconciliation, human rights and the rule of law . A democratic Libya for all its people.

But the world stands with them. And NATO stands ready to help, if needed and requested. To help Libyans reform the security and defence institutions that all democracies need to remain free and safe.



Kreative Kriegführung

Von Roland Etzel **

Mit dem Spruch »unsere militärische Arbeit ist jetzt erledigt«, garnierte NATO-Generalsekretär Rasmussen gestern (28. Okt.) die Verkündung des Krieges in Libyen. Es klang ein bisschen wie das großspurige »Mission erfüllt« George W. Bushs im Mai 2003 nach der Kapitulation der irakischen Truppen. Wie man weiß, ist Irak danach in einem blutigen Chaos versunken, dessen Ende nicht abzusehen ist.

Ähnliches wird für Libyen, so wie sich die Sieger dort aufführen, täglich wahrscheinlicher. Die Art und Weise der Tötung Gaddafis wie seiner »Beerdigung« und die Massaker an Gefangenen lassen die Versöhnungsrhetorik des Übergangsrates als wohlfeiles Geschwätz zur Beruhigung kritischer Stimmen erscheinen. Damit wurde neuer Hass gesät. Den Keim für Bürgerkrieg und Separatismus gelegt zu haben, fürchten nun selbst jene Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, die den Schlamassel mit ihrer folgenschweren Entscheidung im März losgetreten haben.

Doch man muss ja nicht alles so schwarz sehen bzw. malen. Auch die neuerlich ins Haus oder in die Wüste stehende »militärische Arbeit« lässt sich bestimmt so fantasievoll attribuieren wie die nun für erledigt erklärte. Immerhin darf man seit März Luftkrieg ungestraft »Durchsetzung von Flugverbotszonen« nennen und den gewaltsamen Sturz einer Regierung ohne rot zu werden »Schutz der Zivilbevölkerung«. Und das Völkerrecht hält noch viele Passagen bereit, die unter dem kreativen Arbeitstitel »Schöner bomben mit der NATO« sprachlich geliftet werden könnten. Auch deutsche Politiker wollen sich da, wie nicht zu überhören war, nicht länger Denkverbote auferlegen lassen.

** Aus: neues deutschland, 29. Oktober 2011 (Kommentar)

Lesen Sie auch:

UN-Sicherheitsrat erklärt Krieg für beendet / Libya: Security Council ends mandate for international military operations
Bis zum 31. Okt. darf die NATO weiter bomben / Kritik an Vergeltungsmaßnahmen der Übergangsregierung (30. Oktober 2011)
"... mit dem Ausdruck seiner ernsten Besorgnis angesichts der anhaltenden Berichte über Vergeltungsmaßnahmen ..."
Resolution 2016 (2011) des UN-Sicherheitsrats vom 27. Oktober 2011 (deutsch): Der Libyen-Krieg wird für beendet erklärt (29. Oktober 2011)




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