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Internationaler Strafgerichtshof:

Antrag auf Haftbefehl gegen Gaddafi *

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) will den lybischen Machthaber Muammar al-Gaddafi vor Gericht bringen. Der Chefankläger in Den Haag beantragte heute internationale Haftbefehle gegen Gaddafi, seinen Sohn Saif al-Islam sowie Geheimdienstchef Abdullah Senussi.

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag hat am Montag (16. Mai) internationale Haftbefehle gegen den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi, seinen Sohn Saif al-Islam sowie Geheimdienstchef Abdullah Senussi beantragt. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, darunter Morde, Folter, die Verfolgung unschuldiger Menschen und Vergewaltigungen.

"Diese Verbrechen gehen weiter, während wir versammelt sind", sagte Chefankläger Luis Moreno-Ocampo bei einer Pressekonferenz in Den Haag. "Gaddafi hat die Verbrechen verübt, um seine Macht zu sichern." Die Verdächtigen sollen vor allem für blutige Überfälle von Sicherheitskräften auf friedliche Demonstranten sowie die Tötung von Zivilisten bei Angriffen seiner Truppen auf regierungsfeindliche Rebellen verantwortlich sein.

Der Chefankläger begründete die Haftanträge in einem mehr als 70 Seiten umfassenden Dossier mit von der Staatsanwaltschaft zusammengetragenem Beweismaterial. Die Akte wurde den drei Richtern der für Prüfungskammer des IStGH übergeben. Erst wenn sie entscheiden, dass die Vorwürfe hinreichend belegt sind und einen Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit rechtfertigen, können die Haftbefehle tatsächlich ausgestellt werden.

Die Staatsanwaltschaft wirft Gaddafi und den anderen Verdächtigen persönliche strafrechtliche Verantwortung für die Tötung von mindestens 500 bis 700 Demonstranten vor. Sie legt ihnen zudem den Einsatz schwerer und teils sogar verbotener Waffen - speziell Splitterbomben - gegen Zivilisten sowie gezielte Vergewaltigungen als Mittel zur Einschüchterung der Bevölkerung zur Last.

* Aus: Neues Deutschland, 17. Mai 2011


Tripolis bietet Waffenstillstand an

NATO antwortet auf Angebot für Feuerpause mit neuen Angriffen und läßt Haftbefehl gegen Ghaddafi beantragen **

Kampfflugzeuge der NATO haben am Montag (16. Mai) erneut Ziele in der libyschen Hauptstadt bombardiert. Die Angriffe können als unmittelbare Antwort auf ein Waffenstillstandsangebot aus Tripolis verstanden werden.

Die Vereinten Nationen bemühten sich derweil weiter um eine politische Lösung. Der UN-Sondergesandte Abdul Ilah Al-Chatib traf am Sonntag den libyschen Außenminister Abdelati Laabidi, während UN-Generalsekretär Ban Ki Moon mit Regierungschef Baghdadi Mahmudi telefonierte. Die libysche Regierung habe sich »offen und bereit« für ein umfassendes Engagement gezeigt, sagte Bans Sprecher in New York. Keine Angaben machte er zu dem libyschen Angebot einer Waffenruhe im Gegenzug für eine Feuerpause der NATO-Truppen und der Entsendung internationaler Beobachter. Einen entsprechenden Vorschlag habe die libysche Regierung Chatib unterbreitet, berichtete die amtliche Agentur JANA.

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag beantragte unterdessen Haftbefehl gegen den libyschen Staatschef Muammar Al-Ghaddafi, dessen ältesten Sohn Seif Al-Islam und den Geheimdienstchef Abdullah Al-Sanussi. Das Trio habe illegale Angriffe angeordnet, geplant und durchgeführt, sagte Luis Moreno-Ocampo am Montag in Den Haag. Die libyschen Streitkräfte hätten Zivilpersonen in ihren Häusern angegriffen, auf Demonstranten geschossen, Trauerfeiern unter Beschuß genommen und Scharfschützen stationiert, um Menschen zu töten, die Moscheen verließen. Richter müssen jetzt entscheiden, ob Haftbefehle erlassen werden. Moreno-Ocampo war vom UN-Sicherheitsrat mit den Ermittlungen gegen die libysche Führung beauftragt worden. Das Gremium hatte zuvor die NATO zu Angriffen auf das nordafrikanische Land autorisiert.

Ermittlungen gegen Staats- und Regierungschefs von NATO-Staaten wegen der Kriege in Afghanistan oder im Irak hat der IStGH abgelehnt.

** Aus: junge Welt, 17. Mai 2011


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