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Gaddafi kündigt Kampfende an

Rebellen stehen vor militärischem Aus *

Die libysche Armee will Angriffe auf Rebellen ab Sonntag (20. März) einstellen. Staatschef Gaddafi bietet ihnen eine Amnestie an. Der UN-Sicherheitsrat wollte gestern (17. März) abschließend über Libyen beraten.

Nach tagelangem Vorrücken auf Rebellenhochburgen hat die libysche Armee am Donnerstag (17. März) eine vorläufige Einstellung ihrer Kampfhandlungen angekündigt. Die Armee setze ihre Einsätze ab Sonntag um Mitternacht (Samstag, 19. März, 23.00 Uhr MEZ) aus, um den Rebellen Zeit zu geben, sich zu ergeben, meldete die libysche Nachrichtenagentur Jana unter Berufung auf das Verteidigungsministerium. Die Aufständischen, die gegen Libyens Staatschef Muammar el-Gaddafi kämpfen, könnten mit einer Amnestie rechnen, wenn sie die Waffen niederlegten. Wie lange die Kampfhandlungen ausgesetzt werden sollen, wurde nicht gesagt.

Bereits am Montag (14. März) hatte das libysche Militär angekündigt, zu den Aufständischen übergelaufene Soldaten würden straffrei bleiben, wenn sie sich den Regierungstruppen stellten. Wer sich wieder von den »bewaffneten Banden« abwende und seine Waffen abliefere, werde nicht bestraft, meldete das Staatsfernsehen.

Der UN-Sicherheitsrat hat am Donnerstag (17. März) abschließende Beratungen vor der Abstimmung über eine Flugverbotszone über Libyen aufgenommen. Die Sitzung begann am Donnerstag auf Expertenebene und wurde dann von den Botschaftern der 15 Mitgliedsstaaten fortgeführt. Der Sicherheitsrat hatte sich am Mittwoch auf einen vorläufigen Resolutionsentwurf geeinigt, der UN-Diplomaten zufolge eine Flugverbotszone vorsieht.

Mit einer Flugverbotszone über Libyen sollen Luftangriffe der libyschen Regierungstruppen auf Rebellen und Zivilisten verhindert werden. Vor allem Frankreich und Großbritannien hatten sich dafür stark gemacht. Die UN-Vetomächte China und Russland lehnten eine Flugverbotszone bislang ab. Auch die nichtständigen Mitglieder Deutschland, Indien und Südafrika sind skeptisch, weil sie nicht in einen militärischen Konflikt hineingezogen werden wollen.

Um eine Resolution im Sicherheitsrat zu verabschieden, müssen neun der 15 Mitglieder zustimmen. Jedes der fünf ständigen Ratsmitglieder USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich kann aber einen Beschluss durch sein Veto stoppen.

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte die Vereinten Nationen zu einer raschen Einigung über ein Vorgehen gegen Libyen aufgefordert. »Wenn Gaddafi die Oberhand gewinnt, wird dies das Signal senden, dass Gewalt sich auszahlt«, warnte Rasmussen am Donnerstag auf seiner Facebook-Seite. Dies sei aus »humanitärer und demokratischer« Sicht nicht hinnehmbar. »Aber die Zeit läuft ab.« Je schneller der UN-Sicherheitsrat sich auf ein Vorgehen einige, desto besser, fügte Rasmussen hinzu. Die NATO sei zum Schutz der libyschen Bevölkerung bereit, wenn es eine »nachweisliche Notlage, eine klare rechtliche Grundlage und eine starke Unterstützung der Region« gebe, schrieb Rasmussen weiter.

Europa muss sich laut EU-Kommission für eine »massive Flucht« von Menschen aus dem umkämpften Libyen rüsten. »Wir beten für das Beste, aber wir müssen auf das Schlimmste vorbereitet sein« sagte die für humanitäre Hilfe zuständige Kommissarin Kristalina Georgiewa am Donnerstag in Brüssel. Demnach fliehen immer mehr Familien, Frauen, Kinder und Alte aus dem Land. Bei ihrem Besuch im Grenzgebiet von Libyen und Tunesien Anfang des Monats hätten hingegen vor alle »junge, fitte Männer« das Land verlassen, die als Gastarbeiter dort gelebt hatten und in ihre Heimat zurückkehren konnten.

»Wir sind bereit, das Maß unserer Hilfe zu steigern«, sagte die Kommissarin. Mit Blick auf die Rebellenhochburg Bengasi müssten Evakuierungen über das Meer erwogen werden. Georgiewa forderte zugleich die ägyptischen Behörden auf, den aus Libyen in das Nachbarland Fliehenden beizustehen und die Verhältnisse der Aufnahme zu verbessern.

Mögliche Flüchtlingsströme von Nordafrika nach Europa waren am Donnerstag (17. März) auch Gegenstand eines Treffens der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström mit Italiens Innenminister Roberto Maroni. Italien wäre durch seine geographische Lage wahrscheinlich mit am stärksten betroffen.

* Aus: Neues Deutschland, 18. März 2011


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