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NATO bombardierte Flughafen von Tripolis

Radaranlage zerstört / Russland für »Dialog mit allen Seiten« / Rebellen verkünden Einnahme Bregas *

Die NATO bombardierte erneut die libysche Hauptstadt Tripolis. Derweil bestehen weiter gravierende Differenzen zwischen Europäischer und Afrikanischer Union in der Libyen-Frage.

Kampfflugzeuge der NATO haben am Montag (18. Juli) eine Radaranlage auf dem größten Flughafen der libyschen Hauptstadt Tripolis zerstört. Die Radarantenne habe ursprünglich zur Kontrolle von zivilen Flugzeugen gedient, sei jedoch nun von den Truppen des Staatschefs Muammar al-Gaddafi zum Aufspüren von NATO-Flugzeugen genutzt worden, begründete die Militärallianz in Brüssel das Bombardement. Zudem seien mit Hilfe der Radaranlage die Einsätze der Gaddafi-Truppen koordiniert worden.

Russland erkennt die Rebellen in Libyen weiterhin nicht als einzig legitime Volksvertretung in dem nordafrikanischen Land an. »Dies würde bedeuten, in einem Bürgerkrieg Partei zu ergreifen und gleichzeitig die Regierung in Tripolis zu isolieren«, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Montag in Moskau. »Wir treten für einen Dialog mit allen Seiten ein.« US-Außenministerin Hillary Clinton hatte beim jüngsten Treffen der Libyen-Kontaktgruppe dazu aufgerufen, den Rebellenrat in Bengasi als rechtmäßige Regierung zu akzeptieren. Sollte Gaddafi zurücktreten, könne er nicht auf Exil in Russland hoffen, betonte Lawrow.

Unterdessen beraten die EU-Außenminister in Brüssel darüber, wie in der EU eingefrorenes Vermögen der Gaddafi-Regierung den libyschen Rebellen überwiesen werden kann. »Wir müssen rechtlich korrekte Mittel finden, dass es eben auch dem Volk zur Verfügung gestellt werden kann«, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Das Geld solle der medizinischen Versorgung oder zur Betreuung von Flüchtlingen dienen.

Die Differenzen zwischen der Europäischen und der Afrikanischen Union über die Zukunft Libyens bleiben: Der Rücktritt Gaddafis könne nach Ansicht der afrikanischen Staaten nur ein Ergebnis von Verhandlungen zwischen den libyschen Parteien sein, sagte Südafrikas Präsident Jacob Zuma am Montag in Pretoria nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister David Cameron.

Erst müsse Gaddafi gehen, dann könnten die Verhandlungen über die Zukunft Libyens beginnen, betonte dagegen Cameron. Übereinstimmung zwischen EU und AU bestehe darin, dass die Kampfhandlungen in Libyen möglichst umgehend eingestellt werden müssten und dass am Ende Demokratie stehen müsse. Ein Waffenstillstand in dem nordafrikanischen Staat sei jederzeit möglich, »wenn Gaddafi die Angriffe auf sein eigenes Volk beendet«, sagte Cameron. Zuma meinte, Gaddafi werde nach seinem Eindruck einer Lösung des Konflikts nicht im Weg stehen. Allerdings wolle ein Mann nach 42 Jahren an der Macht wissen, wohin und unter welchen Bedingungen er gehe.

Die libyschen Rebellen haben nach eigenen Angaben die strategisch wichtige Hafenstadt Brega eingenommen. Ein Großteil der Truppen Gaddafis habe sich in Richtung der weiter westlich gelegenen Stadt Ras Lanuf zurückgezogen, sagte ein Sprecher der Aufständischen am Montag. Bis zu 200 Getreue Gaddafis halten sich demnach aber weiterhin noch in der Hafenstadt im Osten des Landes verschanzt.

Die Aufständischen hatten ihre Offensive auf Brega am Donnerstag (14. Juli) begonnen. Der Hafen am Golf von Sirte war im Verlauf des nunmehr fast fünf Monate dauernden Krieges bereits mehrmals von Gaddafi-Truppen und Rebellen eingenommen worden.

Die libysche Staatsagentur Jana berichtete von Vorbereitungen für einen Marsch der loyal zu Gaddafi stehenden Stämme zur »Befreiung« der westlichen Bergregionen. Der Marsch stehe unter dem Motto: »Wir verraten unsere Vorfahren nicht.«

* Aus: Neues Deutschland, 19. Juli 2011

Letzte Meldungen

Brega von Rebellen eingenommen? Russland will Rebellen nicht anerkennen

Die libyschen Rebellen haben nach eigenen Angaben die strategisch wichtige Hafenstadt Brega weitgehend eingenommen. Nur auf einer Ölanlage hätten sich weiter Kämpfer von Machthaber Muammar el Gaddafi verschanzt gehalten, sagte ein Sprecher. Gaddafis Regierung dementierte dagegen den Verlust Bregas, eine unabhängige Einschätzung lag nicht vor.

Ein Großteil der Regierungstruppen zog sich nach Angaben der Rebellen in Richtung der westlich gelegenen Stadt Ras Lanuf zurück. Nur noch 150 bis 200 Gaddafi-Getreue würden in Brega ausharren, allerdings seien sie von der Versorgung abgeschnitten. Die Aufständischen hatten ihre Offensive auf die Hafenstadt am Donnerstag begonnen, die seit April unter der Kontrolle von Gaddafis Truppen gestanden hatte. Die vollständige Rückeroberung wäre ein großer Erfolg für die Rebellen, da sie Zugriff auf Treibstoffreserven und Zugang zu einer Infrastruktur zum Ölexport erhalten würden. Gaddafis Sprecher Mussa Ibrahim warf den Rebellen vor, Fehlinformationen zu verbreiten. Brega sei "vollständig" unter der Kontrolle der Regierungstruppen, sagte er. Die Aufständischen hätten zwar versucht, die Stadt einzunehmen, seien aber zurückgeschlagen worden.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow bekräftigte derweil die Ablehnung Moskaus, die Rebellen als legitime Vertretung des libyschen Volks anzuerkennen. Die internationale Libyen-Kontaktgruppe hatte den Nationalen Übergangsrat der Aufständischen vergangene Woche als offizielles Organ mit Regierungsvollmacht anerkannt. Damit ergreife der Westen in einem Bürgerkrieg für eine Seite Partei, kritisierte Lawrow. Er wies auch Spekulationen westlicher Medien zurück, dass Russland bereit sei, Gaddafi und seiner Familie politisches Asyl zu gewähren.

Nachrichtenagenturen, 19. Juli 2011


Rede Gaddafis: "Millionen Libyer sind auf meiner Seite"

Libyens Machthaber Muammar el Gaddafi hat Forderungen nach seinem Rückzug erneut eine Absage erteilt. "Millionen Libyer sind auf meiner Seite", sagte Gaddafi in einer über Lautsprecher ausgestrahlten Rede in der Stadt El Asisija, 50 Kilometer südlich der Hauptstadt Tripolis. "Wir sind bei uns zu Hause und wir werden bis zum letzten Blutstropfen kämpfen, um unsere Ehre, unser Öl und unseren Reichtum zu verteidigen."

Der Krieg sei seinem Land "aufgezwungen" worden. Männer, Frauen und Kinder müssten nun mit allen Waffen kämpfen, um die Hochburgen der Rebllen in Bengasi, Misrata und den Nafusa-Bergen zu "befreien". Die libysche Armee werde die Städte von den "Verrätern und Söldnern der NATO" zurückerobern.

Nach Einschätzung der US-Regierung verliert Gaddafi dagegen zunehmend die Kontrolle über sein Land. Alles deute darauf hin, dass sich die Situation in Libyen "gegen Oberst Gaddafi" entwickele, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, in Washington. Er kontrolliere immer weniger Gebiete, während die Rebellen in vielen Gegenden auf dem Vormarsch seien. Der libysche Machthaber habe zudem immer weniger Treibstoff und Geld, sagte Carney.

Nachrichtenagenturen, 20. Juli 2011




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