Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Bani Walid: Warten in der Wüste

Offensive auf libysche Stadt verschoben / Übergangsratschef in Tripolis *

Erstmals seit dem Sturz der Gaddafi-Regierung ist der Vorsitzende des libyschen Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, in Tripolis eingetroffen. Derweil haben die Truppen der neuen Führung ihre geplante Offensive auf die belagerte Wüstenstadt Bani Walid erneut verschoben.

Hunderte Anhänger, Rebellen-Militärs und Honoratioren der Hauptstadt bereiteten Dschalil am Samstagabend (10. Sept.) einen begeisterten Empfang, berichteten Augenzeugen. Bisher hatte sich der führende Politiker der neuen Machthaber in der ostlibyschen Großstadt Bengasi aufgehalten.

Nach Medienberichten vom Sonntag (11. Sept.) warnte Dschalil im Kreise der Rebellenführung vor zu großem Optimismus. Gaddafi habe immer noch Geld, um Söldner anzuwerben. Der Aufenthaltsort des früheren Staatschefs ist weiterhin unbekannt, wird aber in Libyen vermutet. Die schon länger erwartete Ankunft Dschalils sollte auch dazu beitragen, die Kluft zwischen der politischen Führung des Aufstands und den Rebellen-Militärs in der Hauptstadt zu schließen.

Am Empfang für Dschalil am Militärflughafen Mitiga nahm auch der Militärkommandeur von Tripolis, Abdelhakim Belhadsch, teil. Einige westliche Beobachter misstrauen ihm wegen seiner Vergangenheit als Mitglied einer militanten Islamistengruppe. Belhadsch war 2004 von der CIA gefoltert und zwangsweise nach Libyen geschickt worden. Nach dem Umsturz hatte er erklärt, zu den demokratischen Werten zu stehen, zu denen sich der libysche Übergangsrat bekennt.

Kämpfer der Rebellen-Milizen unternahmen am Sonntag erneut keinen ernsthaften Anlauf, die von Gaddafi-Anhängern besetzte Wüstenstadt Bani Walid einzunehmen. Die Verbände der Aufständischen würden sich nun in der Umgebung der Stadt neu gruppieren, berichteten Reporter des Fernsehsenders CNN aus dem Frontgebiet. Offenbar erwarten die Belagerer eine Verstärkung der NATO-Luftangriffe. Am Vortag hatten sich Rebellen-Stoßtrupps mit Gaddafis Bewaffneten am Stadtrand heftige Gefechte geliefert. Die Kämpfer des ehemaligen Staatschefs leisteten mehr Widerstand als erwartet. Bani Walid, 150 Kilometer südöstlich von Tripolis, ist eine von vier Enklaven, die noch von Gaddafi-Streitkräften gehalten werden.

Rebellen begannen derweil, die Gaddafi-Hochburg Sebha, 600 Kilometer südlich von Tripolis, zu umzingeln. Der Übergangsrat hatte den Gaddafi-Anhängern ein Ultimatum gesetzt, um die Waffen niederzulegen. Es war in der Nacht zu Sonnabend abgelaufen.

Die Regierung im westafrikanischen Guinea-Bissau hat angekündigt, Gaddafi »mit offenen Armen« zu empfangen. Ministerpräsident Carlos Gomes Junior habe vor Journalisten sein Angebot von Anfang August erneuert, Gaddafi aufzunehmen, berichtete der Rundfunksender RDP.

* Aus: Neues Deutschland, 12. September 2011


Zurück zur Libyen-Seite

Zurück zur Homepage