Den Krieg gegen Libyen sofort stoppen!
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
- Deutsche Verlogenheit beenden!
- US-Militäreinrichtungen schließen!
- Friedensbewegung unterstützen!
Kassel/Berlin, 21. März 2011 - Zum Angriff von NATO-Staaten auf Libyen erklärten die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in einer Stellungnahme:
Selbst wer geglaubt hatte, mit der Einrichtung einer Flugverbotszone unblutig und in kurzer Zeit Angriffe auf die libysche Zivilbevölkerung verhindern zu können, muss sich bitter getäuscht fühlen.
Nicht nur, dass Massenbombardements mit US-Marschflugkörpern und aus Tarnkappenbombern Schäden unter der libyschen Zivilbevölkerung anrichten, nein, sie führen auch zur Ausweitung und Intensivierung militärischer Aktionen der Angegriffenen. Das vorgebliche Ziel der alliierten Invasoren, einen Waffenstillstand zwischen den libyschen Konfliktparteien herbeibomben zu wollen, ist schon im Ansatz gescheitert.
Eines ist jetzt schon sicher: Die Fortsetzung der westlichen Bombenangriffe wird den Blutzoll in Libyen weiter steigern. Hinzu kommt, dass der Konflikt nicht aus der Luft entschieden wird, sondern am Boden. Wir fragen: Wo liegt die Grenze des westlichen Kriegseinsatzes? Bisher ist der Einsatz von Bodentruppen durch die UN-Resolution 1973 (2011) ausgeschlossen. Auch die US-Regierung schließt einen Einsatz von Bodentruppen aus. Wie lange noch? Was ist, wenn es Gaddafis Truppen gelingt, nach Benghasi einzudringen? Werden dann westliche Bomben auf Benghasi gelenkt? Werden westliche Truppen in Benghasi eingesetzt? Was geschieht im umgekehrten Fall, wenn sich die Aufständischen mit Hilfe der westlichen Luftwaffe durchsetzen sollten? Wird dann spätestens vor den Toren der Hauptstadt Tripolis durch westliche Truppen dem Vormarsch der Aufständischen Einhalt geboten, weil die Zivilbevölkerung in der Hauptstadt geschützt werden muss?
Alle diese Fragen sind unbeantwortet, müssen aber beantwortet werden, denn das Ende einer Militärintervention müsste von Anfang an mitbedacht werden. Es sei denn, man legt es tatsächlich darauf an, sich in Libyen festzusetzen. Dieser Verdacht drängt sich förmlich auf. Von Anfang an scheint Regime-Change wie in Afghanistan und im Irak das wahre Ziel des Westens zu sein.
Denn der Nutzen eines Regime-Change wäre beträchtlich. Es winkt der uneingeschränkte Zugriff auf die Erdöl- und Erdgasressourcen Libyens. Das libysche Öl, die größten Vorkommen Afrikas, haben einen derzeitigen Marktwert von rund 5 Billionen, das Gas von etwa 500 Mrd. Dollar. Mehr noch: Nach einem Regime-Change könnten westliche Mächte wieder Militärbasen einrichten. Das würde den Status Libyens vor 1969 zu Zeiten König Idris wieder herstellen, dessen Stamm der Senussis heute zu den Aufständischen zählt.
Alt bekannte Lügenmuster über angebliche Massenvernichtungswaffen in Diktatorhand machen schon wieder die Runde. Jüngste Meldungen in US-Medien, wonach sich westliche Stellen besorgt darüber zeigen, dass das Gaddafi-Regime Senfgasbestände gegen die eigene Bevölkerung einsetzen könnte, gehören in diese Kategorie. Etwa 600 km von Tripolis entfernt lagern knapp 10 Tonnen Senfgas in Fässern, um sie unter Aufsicht der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) durch Verbrennung zu vernichten. Libyen hat bereits im Jahr 2004 sämtliche 3.300 Bomben zerstört, in denen es eingesetzt werden könnte. Senfgas auf andere Art und Weise zu transportieren ist extrem schwierig. Die aktuelle Erwähnung der libyschen Massenvernichtungswaffen von interessierter Seite soll einen Kriegsgrund nachliefern. Er ist an den Haaren herbeigezogen.
Während Russland und China ihr Bedauern über den brutalen westlichen Kriegseinsatz in Libyen zum Ausdruck gebracht haben, suchen wir diese Reaktion von der deutschen Regierung, die sich wie die beiden Vetomächte der Stimme im UN-Sicherheitsrat enthalten hatte, vergeblich. Zwar hat die Bundesregierung ihre berechtigte Skepsis gegenüber dem Erfolg des westlichen Krieges unterstrichen, aber ihre Handlungen unterstützen genau diesen Krieg.
Die Bundesregierung hat sämtlichen NATO-Beschlüssen zugestimmt, hat der US-Regierung die uneingeschränkte Nutzung ihrer Militärbasen in Deutschland gestattet und lässt es zu, dass das US-Kommando für Afrika (AFRICOM) in Möhringen bei Stuttgart den Angriff der USA auf Libyen koordiniert. Das Verhalten der Bundesregierung ist nicht nur doppelzüngig, sondern verlogen.
Mit ihrem überflüssigen Angebot Bundeswehrsoldaten für AWACS-Maschinen der NATO im Afghanistankrieg als Kompensation für deren Einsatz im Libyen-Krieg zur Verfügung zu stellen, weitet die Bundesregierung ihre Verstrickung in den Afghanistankrieg aus. Wochen zuvor noch hatte sie Anfragen der USA vehement abgelehnt. Denn diese Einsatzerweiterung wollte damals partout nicht zu ihrer Rhetorik des angeblichen Abzugs aus Afghanistan passen. Überflüssig ist dieses deutsche Angebot deshalb, weil allein die USA über 42 AWACS-Maschinen verfügt, die längst nicht alle im Einsatz sind.
Der Bundesausschuss Friedensratschlag fordert mit allem Nachdruck,-
die Angriffe westlicher Staaten auf Libyen unverzüglich einzustellen und
-
neutrale internationale Vermittler zu bestellen, die am ehesten von der Afrikanischen Union kommen könnten, um die Konfliktparteien in Libyen zu einer unverzüglichen Waffenruhe zu bewegen; die Waffenruhe könnte durch die Afrikanische Union überwacht werden.
Von der Bundesregierung verlangen wir, sich der Distanzierung vom Krieg, wie es die Arabische Liga, Russland und China getan haben, anzuschließen und den USA die Nutzung der Militärbasen und Militäreinrichtungen in Deutschland zu untersagen.
Den Bundestag fordern wir auf, den AWACS-Einsatz im Afghanistankrieg mit deutschen Soldaten abzulehnen.
Der Bundesausschuss Friedensratschlag unterstützt die Aktivitäten der Friedensbewegung, die sich in den kommenden Tagen überall im Lande für ein sofortiges Ende des westlichen Angriffs auf Libyen einsetzen.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Lühr Henken, (Berlin)
Peter Strutynski (Kassel)
Zum Beginn des Krieges der „Koalition der Willigen“ gegen das
Gaddafi-Regime erklärt das Netzwerk Friedenskooperative:
- Den Krieg gegen Libyen stoppen – Nein in der NATO gefordert
-
Weitere Eskalation und zivile Opfer zu befürchten
-
Flüchtlinge retten – der Bevölkerung politisch und zivil helfen
-
UN-Resolution ist ein fataler Präzedenzfall
Der Krieg der „Koalition der Willigen“ gegen das Gaddafi-Regime
zeigt schon kurz nach Beginn der Bombardements die
Eskalationsgefahren, vor denen viele Stimmen nicht nur aus der
Friedensbewegung gewarnt haben.
Unter Inkaufnahme zahlreicher ziviler Opfer in der libyschen
Bevölkerung – durch die eigenen Bomben und die Reaktionen des
Regimes – wandelt die Kriegskoalition den Bürgerkrieg zu einer
militärischen Intervention westlicher Staaten mit ungewissen Folgen
für die Menschen Libyen und der Gesamtregion. Der als humanitäre
Mission begründete Krieg wird im Bündnis mit Autokraten aus der
arabischen Liga geführt, die daheim brutal die eigene Bevölkerung
unterdrücken – Brüder im Geiste Gaddafis. Auch die jetzigen
Kriegsherren auf westlicher Seite haben Gaddafi bis vor kurzem
hofiert. Zu Recht wird vor Ort gemutmaßt, dass ihre Motive wenig mit
humanitärer Hilfe und sehr viel mit Öl zu tun haben.
Weitere Eskalation und mehr Opfer liegen in der Logik des Krieges.
Die westlichen „Helfer“ werden schon bald als Invasoren angesehen
werden und die libyschen Aufständischen als von ihnen gesteuert.
Bereits jetzt gibt es berechtigte Kritik wegen der zivilen Opfer der
Angriffe, z.B. aus der arabischen Liga, Russland und China.
Die Rolle der Bundesregierung ist mehr als zwiespältig. Nach der
Enthaltung im Sicherheitsrat, die vom Außenminister zum Teil mit
Argumenten begründet wurde, die von der Friedensbewegung abgekupfert
schienen, folgt aus bündnispolitischen Gründen ein Eiertanz der
Kanzlerin um indirekte Kriegsbeteiligung durch Entlastung der NATO
in Afghanistan (AWACS) und Nutzung der deutschen Stützpunkte für die
Kriegsführung.
Bündnissolidarität sollte kein Grund sein, falsche Entscheidungen
letztendlich doch mitzutragen und Helfershelfer zu sein. Deshalb
muss die Bundesregierung bei den laufenden NATO-Beratungen mit einem
Veto gegen den Kriegseintritt des Bündnisses stimmen und die Nutzung
der US-Stützpunkte dafür verweigern.
Innenpolitisch ist anscheinend eine Art „Pazifismusdebatte“
gegenüber und innerhalb der schwarz-gelben Koalition entbrannt.
Durchaus laute Stimmen aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen fordern
eigenes kriegerisches Eingreifen auf Seiten der Aufständischen. Für
pazifistisch orientierte Menschen ergibt sich vielleicht ein
mulmiges Gefühl, scheinbar mit Guido Westerwelle in einem Boot zu
sitzen.
Die Kriegsbefürworter folgen dabei dem Duktus der UN-Resolution, die
ein verhängnisvoller Präzedenzfall für künftige militärische
Interventionen werden könnte. Anders als noch 1990 nach dem
Einmarsch des Irak in Kuweit lag in Libyen keine Agression gegen
einen anderen Staat vor. Nunmehr scheinen Kriege gegen beliebige
Regierungen möglich, wenn die Mehrheitsverhältnisse im UN-
Sicherheitsrat demnach sind und als „humanitäre Intervention“
begründet werden können. Theoretisch wären jetzt also etwa 50
Interventionen angesagt, praktisch greifen die bekannten
Doppelstandards, die sich aus wirtschaftlichen Interessen und
innenpolitischer Meinungsmache ergeben.
Eine Sympathie für das Regime Gaddafis kann es nicht geben. In
Libyen ging es den Aufständischen wie zuvor in Tunesien und Ägypten
um die Beseitigung eines Despoten, um mehr Gerechtigkeit und
Freiheit, um die Respektierung ihrer Menschenrechte und eine
Entwicklungsperspektive für sich und ihre Region.
Statt durch Krieg wäre ihnen aber besser durch rasches ziviles
Eingreifen, Evakuierung und Aufnahme der vielen Flüchtlinge und
Gestrandeten, sowie die internationale Isolation des Regimes
geholfen, ähnlich, aber konsequenter als damals beim Apartheid-
Regime in Südafrika.
Manfred Stenner
Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative
Bonn, 20. März 2011
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