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Gespannte Atmosphäre am Litani-Fluss

Vor vier Jahren begann Israels 34-Tage-Krieg gegen den nördlichen Nachbarn Libanon

Von Karin Leukefeld *

Heute vor vier Jahren (12. Juli) begann der »Sommerkrieg« zwischen Israel und einem libanesischen Militärbündnis aus Hisbollah, Amal und Kommunistischer Partei. Die Streitkräfte des libanesischen Staates beteiligten sich nicht an den Kämpfen, wurden aber dennoch Opfer. 1200 Libanesen und 160 Israelis wurden getötet. Während die überwiegende Mehrheit der libanesischen Opfer Zivilisten waren, war das Verhältnis bei den Israelis umgekehrt. Der Krieg endete nach 34 Tagen mit der UN-Resolution 1701. Weite Teile der libanesischen Infrastruktur waren zerstört.

Spannungen zwischen Dorfbewohnern und UNIFIL-Truppen in Südlibanon haben in den vergangenen Tagen für erhebliche Unruhe im Zedernstaat und darüber hinaus gesorgt. Ausgangspunkt war ein Manöver der UNIFIL-Truppen in ihrem Operationsgebiet zwischen dem Litani-Fluss und der israelisch-libanesischen Waffenstillstandsgrenze, bei dem die UN-Schutztruppe in voller Stärke personell und materiell Präsenz zeigte. Die Bewohner einiger Dörfer fühlten sich dadurch irritiert, Steine flogen gegen die Soldaten eines französischen Kontingents, zwei von ihnen wurden verletzt. Nach Eingreifen der libanesischen Armee und politischer Vertreter der Region beruhigte sich die Lage schnell. Dennoch kam es schon wenige Tage später erneut zu Streitigkeiten.

Die UNIFIL-Mission dient der Überwachung des Waffenstillstandes und koordiniert sich dafür mit den israelischen und den libanesischen Streitkräften. Die UN-Resolution 1701 sieht eine waffenfreie Zone in Südlibanon von der israelischen Grenze bis zum Litani und vor der Küste Libanons vor. Libanon hat wiederholt kritisiert, dass sich Israel einem UNIFIL-Einsatz auf eigenem Boden verweigert. Stattdessen verletzt es nahezu täglich mit Flügen über libanesisches Territorium die Regeln des Abkommens. Vier Jahre verlief die Zusammenarbeit zwischen UNIFIL und den Libanesen problemlos, vor allem dank der gemeinsamen Kontrollfahrten und Übungen der Schutztruppe mit der libanesischen Armee. Beobachter stimmen außerdem darin überein, dass UNIFIL ohne Einbeziehung der Hisbollah kaum so hätte agieren können.

Die aktuellen Konflikte betreffen besonders die Soldaten des französischen Kontingents, die ohne Absprache und ohne Begleitung der libanesischen Armee Kontrollfahrten und Kontrollgänge in Dörfern abgehalten hätten. Vertreter der Hisbollah bezeichneten das Verhalten als Verstoß gegen die Resolution 1701. Aufgabe von UNIFIL sei es, die Libanesen zu schützen, Regierung und Armee im Süden zu stärken und nicht »Israel zu helfen«.

Den französischen UNIFIL-Truppen wird vorgeworfen, Fotos von Straßen und Gebäuden in verschiedenen Dörfern aufgenommen und an Israel weitergeleitet zu haben. Frankreich »hilft Israel, einen neuen Krieg gegen Libanon vorzubereiten«, erklärte ein Einwohner von Nabatiye, der anonym bleiben möchte, im Gespräch mit der Autorin. Die Vorwürfe gegen die Franzosen fallen zusammen mit angeblichen »Geheimdiensterkenntnissen über Waffenlager der Hisbollah in Südlibanon«, die Israel dieser Tage präsentiert hatte. Mit Karten, Fotos und einem Animationsfilm über den Ort Khiam will Israel nachweisen, dass die Hisbollah ein Netzwerk von Waffendepots und Kommandozentralen in mehr als 100 Dörfern in Südlibanon aufgebaut habe, in unmittelbarer Nähe von Schulen und Krankenhäusern.

Ob wahr oder nicht, die Vorwürfe gegen die Franzosen zeigen, wie groß das Misstrauen bei vielen Libanesen ist. Obwohl Vertreter aller libanesischen Parteien und die Regierung versicherten, Libanon fühle sich der UN-Resolution 1701 verpflichtet und habe keinerlei Einwände gegen den UNIFIL-Einsatz, reagierte der französische Außenminister Bernard Kouchner gereizt und forderte eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates sowie ein erweitertes Mandat für die UNIFIL-Truppen. Der UN-Sonderkoordinator für Libanon, Michael Williams, unterstrich die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Beiruts Armee und UNIFIL bei der Mission, forderte aber gleichzeitig uneingeschränkte Bewegungsfreiheit für UNIFIL. Es ist davon auszugehen, dass Israels Streitkräften die Spannungen ganz gelegen kommen und sie deshalb weiter versuchen werden, einen Keil zwischen Hisbollah und UNIFIL zu treiben, deren Kooperation in den vergangenen vier Jahren unproblematisch war.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Juli 2010


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