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Kriegstrommeln

Israel droht mit Angriffen auf Städte und Dörfer Libanons. Angeblicher Grund: Waffen der Hisbollah

Von Karin Leukefeld *

Während Zehntausende Touristen und Auslandslibanesen täglich in den Libanon einfliegen, um dort die Ferien zu verbringen, hat der Chef der israelischen Streitkräfte (IDF), Generalleutnant Gabi Ashkenazi, mit Angriffen auf Städte und Dörfer im Libanon gedroht. Hisbollah habe Waffen in städtischen, dicht besiedelten Gebieten versteckt, begründete Ashkenazi seine Drohungen. Angeblich habe die Organisation die Dörfer im Südlibanon zu »Boden-Boden-Raketen-Dörfern« gemacht. Derzeit sei es an der Waffenstillstandsgrenze allerdings »ruhig«, räumte Ashkenazi ein. Sollte es aber zum Krieg kommen, werde man nicht zögern, »anzugreifen«. Die Hisbollah habe ihre Präsenz »in bewohnten Gebieten gefestigt, wo die UNIFIL-Truppen der Vereinten Nationen die Waffen nicht entdecken können«, fügte Ashkenazi hinzu und unterstrich damit erneut, daß Israel die UN-Mission für untauglich hält. Täglich überfliegen israelische Kampfjets und Drohnen den libanesischen Luftraum, ein permanenter Verstoß gegen die UN-Resolution 1701.

Ein solches von Ashkenazi genanntes Angriffsziel könnte der Ort Khiam sein, der etwa vier Kilometer von der Waffenstillstandsgrenze entfernt liegt. Israel will dort illegale Waffenbunker der Hisbollah ausgemacht haben und beschuldigt die Organisation, sich hinter der Bevölkerung zu verstecken. Die israelischen Besatzungstruppen zogen sich aus Khiam 2000 zurück, in dem Ort befand sich ein berüchtigtes Foltergefängnis, das heute als Gedenkstätte viele Besucher anzieht. Das libanesische Tourismusministerium erwartet in diesem Sommer zwei Millionen Gäste, darunter viele jüngere Auslandslibanesen, die Eltern und Großeltern besuchen. Für viele ist der Besuch des Gefängnisses in Khiam oder eine Fahrt entlang der südlichen Waffenstillstandsgrenze zu Israel fester Bestandteil ihres Ferien- und Erinnerungsprogramms.

Mit den neuen Drohungen will Israel die Libanesen einerseits verunsichern, andererseits richten sie sich direkt gegen die Hisbollah, die mit zwei Ministern in der libanesischen Regierung vertreten ist. Das Kriegstrommeln werten die Libanesen als Teil einer andauernden psychologischen Kriegführung, die im April wieder anzog. Damals hatte der israelische Präsident Schimon Peres Syrien beschuldigt, SCUD-Raketen an die Hisbollah zu liefern, Beweise blieb er schuldig. Sowohl die libanesische Regierung als auch UNIFIL erklärten damals, daß keine SCUD-Raketen im Libanon seien.

Ein weiteres Thema der psychologischen Kriegführung ist das UN-Sondertribunal (STL), das den Mord am ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri (2005) untersucht und im Herbst vermutlich einen Bericht vorlegen wird. Hassan Nasrallah, Generalsekretär der Hisbollah, hatte das Tribunal kürzlich als »israelisches Projekt« kritisiert und das mit der ausgedehnten israelischen Spionagetätigkeit im libanesischen Telekommunikationssektor begründet. Das Tribunal konzentriert sich bei seinen Ermittlungen offenbar auf Telefongespräche, die leicht manipulierbar sind.

Die israelische Tageszeitung Haaretz scheint nun vorab Ermittlungsergebnisse erhalten zu haben, die eine »schwere politische Krise« im Libanon auslösen könne, wie das Blatt schrieb. Der STL-Bericht werde Namen von Tätern enthalten, die Zusammenarbeit zwischen der Mehrheitskoalition von Saad Hariri und der Hisbollah könne zerbrechen. Seit im Libanon eine Regierung der nationalen Einheit unter Einbeziehung der Hisbollah regiert, ist das Land politisch weitgehend ruhig. Mit Syrien, das zunächst als Drahtzieher des Attentats auf Hariri beschuldigt worden war, hat Libanon seine Beziehungen ebenfalls stabilisiert.

* Aus: junge Welt, 22. Juli 2010


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