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Tödliche Protestaktion in Libanon

Zahlreiche Tote und Verletzte bei Demonstration gegen Stromausfälle in Beirut

Von Karin Leukefeld *

In der libanesischen Hauptstadt Beirut kam es am Sonntag (27. Januar) zu blutigen Auseinandersetzungen. Wer geschossen hat ist unklar. Das parlamentarische Mehrheitslager macht Syrien verantwortlich.

Bei Protesten und Straßenblockaden gegen anhaltende Stromausfälle sind in Beirut mindestens acht Menschen getötet worden, 22 Personen wurden verletzt. Die Toten sind ausschließlich Demonstranten. Arabischen Medienberichten zufolge eskalierte der Protest, als ein Mitglied der oppositionellen Amal-Bewegung, Ali Hassan Hamza, bei dem Versuch, zwischen Demonstranten und libanesischer Armee zu vermitteln, hinterrücks erschossen wurde. Teilnehmer der Proteste sagten, die tödlichen Schüsse seien aus anliegenden Gebäuden abgegeben worden, nicht von der Armee. Andere Augenzeugen berichteten, vermummte Männer hätten das Feuer auf die Armee eröffnet, woraufhin diese zurückgeschossen habe. Die Armee erklärte, die Soldaten hätten lediglich den Befehl gehabt, in die Luft zu feuern, um die Demonstranten zu zerstreuen.

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Ereignisse in Beirut, kam es auch in anderen Teilen des Landes zu Protesten. Zwischen Tyrus und Sidon in Südlibanon sowie im Beeka-Tal wurden Straßen blockiert. Stromausfälle treffen diese Gebiete besonders stark. Während von offizieller Seite als Grund dafür die nach dem Bürgerkrieg (1975-1990) noch nicht wiederhergestellte Infrastruktur genannt wird, vermuten Einwohner dieser Regionen, dass sie von der Regierung bestraft werden, weil sie Amal und Hisbollah unterstützen. Der Mangel an Infrastruktur, an Schulen und Krankenhäusern in diesen Gebieten ist offensichtlich. Der extrem kalte Winter sorgt bei der armen Bevölkerung Libanons für Empörung über die langen Stromausfälle, weswegen Heizstrahler und Ventilatoren nicht funktionieren. Bei steigenden Preisen für Treibstoff können sich nur reiche Libanesen Hotels und Firmen Generatoren leisten.

Ebenfalls am Sonntag wurde bekannt, dass die Außenminister der Arabischen Liga einen Vorstoß Syriens zur Lösung der libanesischen Präsidentschaftskrise abgelehnt haben.

Syrien unterstützt die Forderung der Opposition in Libanon nach mehr Ministerposten in einer neuen Regierung, was die Arabische Liga zurückweist. Generalsekretär Amr Moussa wurde beauftragt, erneut zwischen den feindlichen Lagern zu vermitteln.

Zum erneuten Schlag gegen Syrien und Iran holte das parlamentarische Mehrheitslager um Saad Hariri aus, die Bewegung des 14. März. »Die Kräfte der syrisch-iranischen Achse stiften Unruhen«, hieß es in einer Stellungnahme zu den blutigen Protesten am Sonntag. Opposition und Hisbollah seien an dem Blutvergießen schuld.

Die Hisbollah machte hingegen die Regierung von Fuad Siniora verantwortlich und wies darauf hin, dass die Schüsse erst gefallen seien, als Verantwortliche der Hisbollah und der Amal-Bewegung versucht hätten, zwischen Armee und Demonstranten zu vermitteln. Sollten die Opfer durch Kugeln der Armee getötet worden sein, wolle man wissen, wer den Schießbefehl erteilt habe, hieß es in der Hisbollah-Erklärung. »Oder wurde von anderer Seite geschossen? Dann wollen wir wissen, von wem.«

* Aus: Neues Deutschland, 29. Januar 2008


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