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Spenden für die Armee

Libanon versucht, den Ausfall der US-Militärhilfe zu kompensieren

Von Karin Leukefeld *

Nachdem der US-Kongreß die Auszahlung von 100 Millionen US-Dollar Militärhilfe für die Libanesischen Streitkräfte (LAF) gestoppt hat, soll die Armee des Zedernstaates jetzt mit Spendengeldern aufgerüstet werden. Das kündigte der libanesische Verteidigungsminister Elias Murr an. Er selber und sein Vater hätten bereits 665000 Dollar eingezahlt, sagte Murr, der vor allem auf die Unterstützung der libanesischen Exilgemeinde hofft.

Seit dem Krieg 2006 hatten die USA den Libanon mit mehr als 720 Millionen Dollar unterstützt, das meiste davon wurde in Form von Sturmgewehren, Fahrzeugen, Raketenabschußrampen und Nachtsichtgeräten übergeben. Die schlecht ausgerüstete LAF war während des Sommerkrieges von israelischen Kampfjets mehrfach angegriffen worden, obwohl sie in den Krieg zwischen Israel und der libanesischen Widerstandsbewegung Hisbollah nicht eingegriffen hatte.

Die ausländische Militärhilfe an den Libanon sollte vor allem dazu dienen, die LAF gegenüber den gut bewaffneten Kämpfern der Hisbollah aufzurüsten. Doch die Armeeführung hält die Landesverteidigung gegen Israel für ihre wichtigste Aufgabe. Mehrfach hatte die LAF in den vergangenen Monaten versucht, völkerrechtswidrige Überflüge der israelischen Luftwaffe zu stoppen. Anfang August kam es zu einem tödlichen Schußwechsel an der Waffenstillstandslinie zum Nachbarland, die von der UNIFIL, den UN-Schutztruppen, auf libanesischer Seite überwacht wird. Schon vor diesem Vorfall hatte der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses im US-Kongreß, Howard Berman, aus Sorge, daß das Geld der Hisbollah zugutekommen könnte, die Auszahlung der Militärhilfe an den Libanon gestoppt. Berman gilt als Unterstützer Israels, das die US-Militärhilfe für den nördlichen Nachbarn scharf kritisiert. So warnte der stellvertretende israelische Außenminister Danny Ayalon vor einer »Hisbollahisierung« der LAF.

In Beirut machte Murr hingegen deutlich, der Libanon werde keine Militärhilfe akzeptieren, wenn sie an die Bedingung geknüpft sei, nicht gegen Israel zu kämpfen. Wer wolle, daß die Armee »Land, Leute und die Grenze nicht gegen israelische Angriffe verteidigen darf, sollte sein Geld behalten oder es gleich an Israel geben«, sagte er. Von politischen Beobachtern im Libanon wird der Spendenaufruf als symbolisch bewertet, möglicherweise auch, um die interne Debatte um die Notwendigkeit einer starken Armee und einer nationalen Verteidigungsstrategie zu fördern.

In den 1980er Jahren hatte die politische Elite um die Familie Gemayel, die zwei Präsidenten stellte, als Verteidigungsdoktrin ausgegeben, daß »die Stärke des Libanon seine Schwäche« sei, und militärische Ausrüstung der Armee u.a. an Pakistan verkauft. Das dafür eingenommene Geld floß auf private Konten. Heute gilt die LAF mit etwa 60000 Soldaten als besonders schlecht ausgerüstet. Fahrzeuge und Waffensysteme sind veraltet, eine Luftwaffe gibt es nicht. Gleichzeitig genießt sie bei der Bevölkerung jedoch großes Ansehen, zumal alle religiösen und ethnischen Gruppen des Landes in ihr vertreten sind. Die Hisbollah, die ausrüstungstechnisch der Armee als weit überlegen gilt, hat mehrfach ihre Bereitschaft erklärt, die Armee gegen einen Angriff Israels zu unterstützen.

* Aus: junge Welt, 18. August 2010


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