Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Libanon: Alle Seiten verkünden Sieg

Stimmung bei Nachwahlen angespannt

Von Karin Leukefeld *

Bei Nachwahlen zur Nationalversammlung in Libanon errang die Freie Patriotische Bewegung von General Michel Aoun einen knappen Sieg.

Der Wahlgang war erforderlich geworden, nachdem die beiden Abgeordneten Walid Eido und Pierre Gemayel durch Bombenanschläge im November 2006 und im Juni 2007 getötet worden waren. Der sunnitische Muslim Eido war bei der Zukunftspartei, während der maronitische Christ Gemayel zur Kata'ib-Bewegung gehörte, einer Abspaltung der Kata'ib-Partei, auch bekannt als Phalangisten. Ins Parlament war Gemayel 2005 als Mitglied der »Rafik Hariri Märtyrer Liste« eingezogen. Eido und Gemayel, der auch Industrieminister war, zählten zum Regierungslager.

Nach dem konfessionellen Proporzsystem in Libanon mussten für die beiden Plätze nun neue Kandidaten der jeweiligen Religion gefunden werden. Während die Wahl des Nachfolgers von Walid Eido eindeutig der Sunnit Mohammad al-Amin Itani für sich entscheiden konnte, fiel das Ergebnis in der Provinz Metn knapp aus. Amine Gemayel, der seinen ermordeten Sohn beerben wollte, hatte zunächst den Sieg für sich reklamiert. Doch im Laufe des Sonntagabends wurde klar, dass sein Gegenkandidat, Kamil Khoury von der dem Oppositionslager zugerechneten Freien Patriotischen Bewegung (FPM), mit einem Vorsprung von 418 Stimmen die Wahl für sich entscheiden konnte.

Khoury erreichte 39 534 Stimmen, Gemayel 39 116 Stimmen, fasste Innenminister Hassan Sabei das Endergebnis zusammen. Die internationalen Medien konzentrierte sich auf die Wahl im Wahlbezirk Metn im Gebiet der Maroniten, weil sie als Vorentscheidung für die Präsidentschaftswahl angesehen wurde, die für den 24. September vorgesehen ist. Gemäß der Verfassung ist der Präsident ein maronitischer Christ, während der Ministerpräsident Sunnit und der Parlamentssprecher Schiit ist. Der Präsident wird vom Parlament gewählt. Sowohl Amine Gemayel als auch General Michel Aoun wollen für das höchste Staatsamt kandidieren.

Die Nationalversammlung hat 128 Sitze – seit dem Abkommen von Taif (1989), das den 25-jährigen Bürgerkrieg beendete, sind 64 Sitze für Christen und 64 für die sunnitischen und schiitischen Muslime reserviert. Im Wahlbezirk Beirut 2, wo Al-Amin Itani gewann, hatten die Schiiten die Wahlen boykottiert. Auch im Bezirk Berg Libanon hatte die Hisbollah keine Wahlwerbung gemacht. Lediglich Plakate mit den verbündeten Führern der Opposition, Michel Aoun und Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah, zierten die Straßen. In Metn verkündeten später beide Seiten ihren Sieg. »Sie kommen an mir nicht vorbei«, so Aoun. Während der Gemayel-Verbündete Samir Geagea ebenfalls verkündete: »Das ist ein Sieg.« Hupende Autokonvois mit fahnenschwingenden Unterstützern beider Seiten blockierten am Sonntagabend die Straßen. 3000 Soldaten der Libanesischen Streitkräfte hatten den Urnengang gesichert.

* Aus: Neues Deutschland, 7. August 2007


Zurück zur Libanon-Seite

Zurück zur Homepage