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Nasrallah bleibt starker Mann der Hisbollah

Von Karin Leukefeld *

Auf dem Parteikongress der libanesischen Hisbollah in der vergangenen Woche ist Hassan Nasrallah in seinem Amt als Generalsekretär der Partei bestätigt worden. Der in Najaf (Irak) und Qom (Iran) ausgebildete Geistliche Nasrallah hatte das Amt 1992 übernommen, nachdem sein Vorgänger Abbas al-Mousawi mit seiner Familie durch einen israelischen Hubschrauberangriff ermordet worden war. Die Neuwahl hatte sich nach Angaben der Organisation wegen des Krieges mit Israel im Sommer 2006 und innerlibanesischer Spannungen um zwei Jahre verzögert.

Der Kongress verabschiedete auch ein neues politisches Manifest, das die Gründungserklärung der Organisation (1985) ablöst und auf neue Realitäten sowohl innerhalb der Hisbollah als auch im Libanon eingeht. Während die Organisation zum Zeitpunkt ihrer Gründung und in den Jahren danach den religiösen Charakter ihres Widerstandes betonte, wird in dem neuen Manifest die Rolle der Hisbollah als politischer Faktor im Libanon, im Mittleren Osten und international betont. Das Grundsatzpapier sei Ergebnis einer "Verantwortung, die wir aufgrund unserer opfervollen Erfahrungen übernehmen", erklärte Nasrallah am Montag in einer per Video übertragenen Pressekonferenz. Wegen israelischer Todesdrohungen und seit dem Krieg 2006 tritt Nasrallah kaum öffentlich auf. Die aktuelle Umbruchsituation müsse von Hisbollah bewertet werden, was der Widerstand politisch-militärisch tue, als auch hinsichtlich der "US-israelischen Vorherrschaft und Hegemonie", die falsch auf die Umbruchsituation reagiere. Militärische Niederlagen und die internationale Finanzkrise signalisierten, dass die Phase der USA als beherrschender Weltmacht zu Ende gehe und auch "das zionistische Gebilde" Israel dem Untergang geweiht sei.

Das Manifest mit dem Titel "Wir wollen einen starken, einigen Libanon" ist in drei Kapitel unterteilt und beginnt mit einer Analyse US-amerikanischer und westlicher Politik seit dem Zweiten Weltkrieg. Darin wird die Strategie des "Krieges gegen den Terrorismus" als gescheitert bezeichnet. Die amerikanische Arroganz lasse (den Völkern) keine Wahl, als sich weiter mit Widerstand für das Projekt einer menschlichen Zukunft in einer friedlichen und harmonischen Welt einzusetzen. Ausführlich befasst sich die Erklärung im zweiten Kapitel mit der Situation im Libanon. Erläutert wird die Position der Hisbollah zur politischen, sozialen und wirtschaftlichen Einheit des Landes und zur Rolle des Widerstandes, der eingebunden in eine nationale Verteidigungsstrategie mit der libanesischen Armee bestehen müsse. Eine Aufteilung des Landes "nach Religionen oder Föderationen" wird abgelehnt.

Behandelt werden ferner das Verhältnis zwischen Libanesen und Palästinensern, die Rolle Libanons in der arabischen Welt, seine Beziehungen zur islamischen Welt und die internationalen Beziehungen. Im abschließenden dritten Teil der Erklärung geht die Organisation kurz aber unmissverständlich auf die Situation in Palästina ein. Bewaffneter Kampf und militärischer Widerstand seien "der beste Weg, um die Besatzung zu beenden" heißt es, Verhandlungen hätten Israel nur "überheblicher und kriegerischer" werden lassen, ohne dass es sich an die Abkommen halte. Um den Libanon weiter verteidigen zu können, werde Hisbollah ihre "militärischen Kapazitäten erhöhen". Kategorisch lehne man jeden Kompromiss mit Israel oder dessen Legitimität ab, sagte Nasrallah: "Diese Position ist endgültig, auch wenn alle anderen Israel anerkennen."

Paul Salem vom westlich orientierten Carnegie Zentrum in Beirut bescheinigte der Hisbollah "Integration in das libanesische politische Leben", kritisierte aber, wie auch andere Kommentatoren, dass die Organisation weiter auf ihren Waffen bestehe. Positiv bezeichnete Salem, daß Hisbollah von einer "Zusammenarbeit zwischen einer starken Armee und dem Volkswiderstand" spreche. Ende November hatte die neue libanesische Regierung, der auch zwei Minister der Hisbollah angehören, eine Erklärung verabschiedet, in der das Recht der Hisbollah, ihre Waffen zur Verteidigung des Landes gegen israelische Angriffe einzusetzen, ausdrücklich anerkannt wird.

* Dieser Beitrag erschien - leicht gekürzt - unter dem Titel "Für die Einheit des Libanon" in: junge Welt, 3. Dezember 2009


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