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Mikati macht’s

Vor dem neuen libanesischen Regierungschef stehen schwere Aufgaben. Bisherige Opposition eingebunden

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Noch hat die neue libanesische Regierung nicht die notwendige Zustimmung der Mehrheit der 128 Parlamentsabgeordneten erhalten, doch schon häufen sich Verdächtigungen und Angriffe, die für Ministerpräsident Nadschib Mikati und sein Kabinett eine schwierige Zeit ankündigen. Ein interner Streit um den Umgang mit dem UN-Sondertribunal zur Aufklärung des Mordes an dem früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri und 22 seiner Begleiter hatte im Januar zum Sturz des damaligen Regierungschefs Saad Hariri geführt.

Während Syrien und Iran die Regierungsbildung erwartungsgemäß begrüßten, mahnte der UN-Sonderbeauftragte Michael Williams gegenüber Mikati an, daß die neue Regierung internationale Verpflichtungen einzuhalten und die Umsetzung der UN-Sicherheitsratsresolution 1701 voranzutreiben habe, die die »Entwaffnung aller Milizen« vorsieht. Damit ist die islamische Hisbollah gemeint, die im neuen Kabinett mit zwei Ministern vertreten ist. Ins gleiche Horn stießen auch Frankreich und die USA. Paris betonte, daß die neue Regierung das UN-Hariri-Tribunal uneingeschränkt unterstützen müsse, auch finanziell. Washington kündigte an, man werde die libanesische Regierung »an ihren Taten« messen.

Als »Hisbollah-Regierung« und »einseitig« bezeichnete der gestürzte Ministerpräsident Saad Hariri das neue Kabinett. Eine Politik »in der Mitte der Straße«, wie Mikati angekündigt habe, werde es nicht geben. Der neue Regierungschef setze auf Konfrontation sowohl mit anderen libanesischen Parteien als auch mit der internationalen öffentlichen Meinung. Die von Hariri geführte Koalition »14. März« hatte bereits im Februar erklärt, eine neue Regierung unter Mikati zu boykottieren.

17 Minister in der neuen Regierung kommen aus der bisherigen Oppositionsbewegung »8. März«. Das Bündnis umfaßt neben den beiden schiitischen Parteien Amal und Hisbollah die christliche Freie Patriotische Bewegung (FPM) von Michel Aoun und drei kleinere Parteien. Die FPM stellt zehn, Amal und Hisbollah jeweils zwei, die kleineren Parteien insgesamt drei Minister in der neuen Regierung. Die anderen 13 Kabinettsmitglieder werden von Drusenführer Walid Dschumblatt, Ministerpräsident Mikati und Staatspräsident Michel Sleiman direkt ernannt.

Am Mittwoch (15. Juni) trat das Kabinett erstmals zusammen, um eine Regierungserklärung auszuarbeiten. Eine Zustimmung im Parlament gilt als wahrscheinlich, da das Bündnis »8. März« zusammen mit den Abgeordneten der Progressiven Sozialistischen Partei von Walid Dschumblatt im Parlament über eine Mehrheit verfügt. Ein Komitee soll sich künftig mit den sensiblen Themen befassen, die vom westlichen Ausland angemahnt werden, so das Verhältnis zu Syrien, der Umgang mit den Waffen der Hisbollah und der UN-Sicherheitsratsresolution 1701 sowie mit dem UN-Sondertribunal.

Auch innenpolitisch hat die neue Regierung eine Menge Probleme zu lösen. Strom- und Wasserversorgung, Arbeitslosigkeit, Jugendförderung, Gesundheitswesen und Gesetzesänderungen, die den Status von Frauen verbessern sollen, sind nur einige Themen. Scharfe Kritik an Mikati und der neuen Regierung kam prompt von Frauenverbänden, weil dem neuen Kabinett keine einzige Ministerin angehört.

* Aus: junge Welt, 16. Juni 2011


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