Libanon zwischen Bomben und Blockaden
Innenpolitische Krisen dauert an. Geheimdienstoffizier bei Anschlag getötet. Soziale Misere provoziert Protest
Von Karin Leukefeld *
Erneut hat am vergangenen Freitag (25. Januar) eine schwere Explosion in Beirut Menschenleben gefordert. Ein mit Sprengstoff beladenes Auto am Straßenrand war per Fernzündung gesprengt worden, als Fahrzeuge des libanesischen Geheimdienstes (ISF) die Stelle passierten. Unter den zehn Getöteten befindet sich auch der 31jährige Wissam Eid, ein führender Geheimdienstoffizier, der gegen die Hintermänner mehrerer früherer Anschläge ermittelte. Syrien, das umgehend für den Anschlag verantwortlich gemacht wurde, wies die Anschuldigungen zurück.
Die Debatte um einen Lösungsplan der Arabischen Liga für den innenpolitischen Konflikt im Libanon wird in Beirut derweil unterschiedlich interpretiert. Gegenseitige Beschuldigungen bis hin zum Vorwurf, die von der Hisbollah geführte Opposition wolle den Zedernstaat teilen, nehmen zu. Die Wahl eines neuen Staatspräsidenten wurde zum 13. Mal verschoben und soll nun Mitte Februar stattfinden. Ministerpräsident Fuad Siniora gerät zusätzlich unter Druck, seit Anfang des Jahres massive Preiserhöhungen vor allem für Strom und Benzin die Verärgerung der Libanesen anheizten. Die Allgemeine Arbeitervereinigung (GLC) forderte daher eine Anhebung der Löhne und Gehälter um bis zu 20 Prozent. Finanzminister Jihad Azour signalisierte daraufhin zumindest Entgegenkommen mit der Anhebung des Mindestlohns, der derzeit bei 300000 Libanesischen Pfund, rund 130 Euro, liegt.
Am vergangenen Donnerstag, einen Tag vor dem neuen Anschlag, waren Taxi- und Busfahrer sowie die organisierten Bauern in einen eintägigen Streik getreten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Vor genau einem Jahr hatte die libanesische Regierung bei einer internationalen Geberkonferenz in Paris die Zusage für 7,6 Milliarden US-Dollar erhalten, um das hochverschuldete und durch den Krieg 2006 zerstörte Land wieder aufzubauen. Bei der Bevölkerung ist von dem Geld so gut wie nichts angekommen. Aufgebrachte Einwohner der südlichen Vororte von Beirut protestierten daher kürzlich mit einer zweitägigen Blockade der Autobahn zum Internationalen Rafik-Hariri-Flughafen gegen die täglichen Stromausfälle. Bei anhaltenden Minustemperaturen leiden darunter vor allem ärmere Familien. In einigen Vierteln Beiruts sorgen zumindest Großgeneratoren für Energie. Sie wurden von der Hisbollah aufgestellt.
* Aus: junge Welt, 28. Januar 2008
Weitere aktuelle Meldungen
Festnahmen nach Tod von mindestens sieben Demonstranten im Libanon
Nach dem Tod von mindestens sieben Demonstranten bei Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften sind in Beirut mehrere Verdächtige festgenommen worden. Soldaten stürmten ein Gebäude in dem Unruheviertel und führten nach Augenzeugenberichten mindestens vier Menschen ab. Ministerpräsident Fuad Siniora erklärte den heutigen Montag (28. Jan.) zum Trauertag. Der Protest richtete sich gegen häufige Stromabschaltungen. Das Militär hatte nach eigenen Angaben Warnschüsse über die Köpfe der Demonstranten abgegeben.
dpa, 28. Januar 2008
Armee nach Ausschreitungen in Beirut aufmarschiert
Am Tag nach den schweren Ausschreitungen im Libanon ist die Armee in Beirut aufmarschiert. Soldaten errichteten Straßensperren zwischen schiitischen Stadtvierteln in südlichen Vororten und den vorwiegend von Christen bewohnten Gebieten der Hauptstadt, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Die örtliche Presse brachte die Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften am Sonntag mit einem drohenden Bürgerkrieg in Zusammenhang. "Die Dämonen der Zwietracht versuchen die Feuer des Bürgerkriegs wieder zu entfachen", titelte die französischsprachige Zeitung "L'Orient Le Jour".
Zu den Auseinandersetzungen war es bei Protesten der Bevölkerung gegen ständige Stromausfälle gekommen. Sicherheitskräfte schritten ein und gingen gewaltsam gegen die Demonstranten vor. Dabei kamen sieben Menschen ums Leben, 40 weitere wurden verletzt. Unter den Opfern waren Mitglieder der schiitischen Oppositionsbewegungen Hisbollah und Amal. Regierungschef Fuad Siniora hatte für heute Staatstrauer angeordnet. Alle Schulen und Universitäten sollten geschlossen bleiben.
AFP, 28. Januar 2008
Arabische Liga gegen stärkeres Gewicht der Hisbollah im Libanon
Die Außenminister der Arabischen Liga haben sich gegen eine stärkere Vertretung der Hisbollah und ihrer Verbündeten in der libanesischen Regierung ausgesprochen. Dies erklärten Delegierte nach einer Sondersitzung des Gremiums in Kairo. Die Minister hätten eine entsprechende Forderung ihres syrischen Kollegen zurückgewiesen, hieß es. Den syrischen Vorstellungen zufolge hätte die Hisbollah dann praktisch ein Vetorecht in allen Fragen gehabt. Der Libanon steckt derzeit in einer tiefen Krise. Bislang konnten sich die streitenden Parteien noch nicht auf einen Nachfolger für den am 23. November aus dem Amt geschiedenen Staatspräsidenten Emile Lahoud einigen. Dis Hisbollah macht die Wahl eines Kompromisskandidaten davon abhängig, dass sie mehr Macht bekommt.
AP, 28. Januar 2008
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