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Drohungen gegen Beirut

Israels Verteidigungsminister spricht von "nächstem Krieg" gegen das Nachbarland Libanon. Angebliche Raketenlager der Hisbollah als Grund

Von Karin Leukefeld *

Im »nächsten Krieg gegen Libanon« werde Israel weniger Rücksicht nehmen »als beim letzten Mal«. Das erklärte der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak am Donnerstag in einem Interview mit dem israelischen Rundfunk. Drei Jahre nach Ende der Invasion im Libanon, die vom 12.7. bis 14.8.2006 dauerte, rührt Tel Aviv wieder die Kriegsrommel. Damals waren 1200 Libanesen getötet und große Teile der libanesischen Infrastruktur zerstört worden.

Als Reaktion auf eine Aktion der Hisbollah gegen israelische Soldaten im Grenzgebiet, so die Begründung für den Angriff damals, marschierte die Armee ein und erlitt mit 160 Toten ihrerseits hohe Verluste. Mit der UN-Resolution 1701 wurde der Krieg beendet. Die seit 1978 in der Region stationierten Blauhelmtruppen wurden aufgestockt, Südlibanon wurde bis zum Litani-Fluß zur entmilitarisierten Zone erklärt. Israel jedoch akzeptiert auf seiner Seite der »Blauen Linie« keine UN-Truppen. Deutschland schickte einen Flottenverband ins Mittelmeer, um Waffenschmuggel für die Hisbollah zu unterbinden.

Dem UNIFIL-Einsatz, der Ende August um weitere sechs Monate verlängert werden soll, scheint Israel nicht zu trauen. »Hisbollah bewaffnet sich weiter, und wir müssen sicherstellen, daß bestimmte Waffen nicht in den Libanon gelangen«, sagte Barak. »Jeder Konflikt an der nördlichen Grenze wird von uns mit aller notwendigen Gewalt beantwortet werden.« Mit seinen Drohungen mischte sich Barak auch in die libanesische Regierungsbildung ein, die zwei Monate nach den Wahlen kurz vor dem Abschluß steht. Entsprechend dem in Doha 2008 vereinbarten »nationalen Konsens« soll auch die Opposition in der Regierung in Beirut vertreten sein.

Die westliche Dauermahnung an Syrien und Iran, sich aus dem Libanon herauszuhalten, scheint für Barak nicht zu gelten. Israel werde nicht akzeptieren, wenn »in der Regierung eines benachbarten UN-Mitgliedsstaates Vertreter einer Miliz sitzen, die mehr als 40000 Raketen hat«, sagte Barak. Anfang der Woche hatte die britische Tageszeitung The Times geschrieben, die Hisbollah habe 40000 neue Raketen ins Land geschmuggelt und bilde ihre Kämpfer aus, um Tel Aviv anzugreifen. Daraufhin hatten sowohl das britische als auch das US-amerikanische Außenministerium »größte Besorgnis« geäußert. Der amtierende libanesische Außenminister Fawzi Salloukh wies die Vorwürfe zurück.

Auslöser der aggressiven Töne aus Israel dürfte ein Vorfall von Mitte Juli sein, bei dem es offenbar in einem Waffenlager der Hisbollah innerhalb der entmilitarisierten Zone zu einer Explosion gekommen war. Im Bericht des UNIFIL-Kommandeurs Alain Le Roy an den UN-Sicherheitsrat hieß es zu dem Vorfall, in dem leerstehenden Haus seien leichte Munition sowie Raketen gefunden worden, wie sie im Krieg 2006 zum Einsatz gekommen waren. Die »Mörser, AK 47-Maschinenpistolen, verschiedene Artilleriegranaten und 122 Millimeter-Raketen stammten aus verschiedenen Ländern« und seien zwischen 1970 und 1990 hergestellt, so der Bericht. Nichts deute darauf hin, »daß Waffen und Munition seit Inkrafttreten der UN-Resolution 1701 in das Gebäude geschmuggelt worden sind.«

Am Mittwoch (5. August) hatte bereits der israelische Außenminister Avigdor Lieberman bei einem Besuch in dem von Israel besetzten libanesischen Ort Ghajar harte Töne angeschlagen. Ghajar werde weiterhin unter Kontrolle bleiben, sagte Lieberman: »Es gibt keine Konzessionen, nicht an den Libanon, nicht an Syrien.« Die UN-Resolution 1701 bestimmt hingegen, daß Israel seine Truppen ganz aus Ghajar abziehen muß. In trilateralen Gesprächen versucht die UN zu vermitteln, bisher ohne Erfolg.

* Aus: junge Welt, 8. August 2009


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