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Verdächtigte Generale wieder frei

Libanon: UNO-Chefankläger im Hariri-Mordfall fehlen Beweise und Zeugen

Von Karin Leukefeld *

Vier des Mordes am früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri verdächtigte Generale sind wieder frei. Vier Jahre nach der Tat bleibt der Fall damit ungeklärt.

Mit Feuerwerk, Freudenschüssen, Tänzen, Fahnen und Blumen reagierten viele Libanesen am vergangenen Mittwoch auf die Freilassung von vier Exgeneralen, die seit August 2005 unter dem Verdacht des Mordes und der Beteiligung an der Ermordung des früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri inhaftiert waren. Der frühere Geheimdienstchef der Libanesischen Streitkräfte Raymond Azar, der Chef der Präsidentengarde Mustafa Hamdan, der Nationale Sicherheitschef Ali Hajj und der Direktor für allgemeine Sicherheit Jamil al-Sayyed waren aus dem Roumieh-Gefängnis in Beirut freigelassen worden, nachdem der Chefankläger des UNO-Sondertribunals zur Aufklärung des Mordes an Hariri, Daniel Bellemare, auf eine weitere Inhaftierung der vier Männer, die stets ihre Unschuld beteuert hatten, verzichtet hatte. Rechtsanwalt Naji Bustany kritisierte die lange Haftzeit von 44 Monaten. Man hätte sie nicht länger als einen Monat festhalten dürfen, sagte er.

Bellemare habe sich bei seiner Entscheidung »von drei grundlegenden juristischen Prinzipien leiten lassen«, hieß es in einer UN-Erklärung. Dies seien »die Unschuldsvermutung, Haft für als unschuldig Geltende als Ausnahme und die Notwendigkeit für ausreichend glaubwürdige und zulässige Beweismittel«. Weil das nicht gewährleistet gewesen sei, habe er eine längere Haft nicht vertreten können, so Bellemare. Eine Anklage zu einem späteren Zeitpunkt bleibe aber möglich. Der Vorsitzende Richter des Sondertribunals in Den Haag, Daniel Fransen, sagte, einige Zeugen hätten Aussagen gegen die Generale modifiziert und ein Schlüsselzeuge habe seine belastende Aussage zurückgezogen.

Für die Festnahme der vier Männer hatte der deutsche Staatsanwalt Detlev Mehlis gesorgt, der als erster UNO-Sonderermittler eingesetzt war. Sayyed bezeichnete seine lange Haft als »Verschwörung«. Als Leiter der Sicherheitsbehörden habe er im August 2005 Untersuchungen gegen Detlev Mehlis eingeleitet, weil dieser »die Mordermittlungen verdreht und falsche Zeugen benannt« habe, dann wurde er von Mehlis beschuldigt. Ein Richter habe ihm gesagt, er könne nichts gegen die Haft tun, »weil Saad Hariri ihm den Kopf abschneiden würde«. Der Sohn des ermordeten Rafik Hariri hat das politische Erbe seines Vaters angetreten und gilt als Widersacher der Hisbollah.

Hisbollahführer Hassan Nasrallah begrüßte die Entscheidung des Sondertribunals und nannte die Haft »politisch motiviert«. Er forderte das Tribunal auf, nun in alle Richtungen zu ermitteln. Dazu gehöre auch, eine mögliche Rolle Israels zu prüfen.

Die Freilassung der vier Generale macht deutlich, dass Ermittlungen im Fall Hariri äußerst schwierig sind. Schon im Februar waren drei Personen freigelassen worden. Ein weiterer Mann, der 2006 den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad sowie den damaligen libanesischen Präsidenten Emile Lahoud persönlich für den Mord verantwortlich gemacht hatte, soll kürzlich in den Vereinigten Arabischen Emiraten selbst als Verdächtiger festgenommen worden sein.

* Aus: Neues Deutschland, 4. Mai 2009


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