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Einmischung als "Hilfe" verkauft

Westen stützt libanesische Schrumpfregierung mit Euros und Dollars gegen die von der Hisbollah angekündigte Massenmobilisierung

Von Karin Leukefeld *

UN-Sekretär Kofi Annan zeigt sich besorgt über die politische Krise im Libanon. Nach dem Rücktritt von sechs Ministern des libanesischen Kabinetts in der vergangenen Woche, rief Annan sowohl den syrischen Präsidenten Bashir Assad als auch dessen iranischen Amtskollegen Mahmud Achmadinedschad an. Annan-Sprecher Stephane Dujarric sagte, Annan habe beide gebeten, die führenden Politiker im Libanon dahingehend zu beraten, »Geduld (zu) üben und ihre politischen Differenzen im Dialog (zu) lösen.«

Neben Annan versuchen auch arabische Botschafter im Libanon zu vermitteln. Sowohl der ägyptische Botschafter als auch Abdulasis Khoja, der saudische Botschafter, führten mit allen Seiten Gespräche über eine Beilegung der Krise. Ziel ist offenbar, die von Hisbollah angekündigten Massendemonstrationen zu vermeiden. Das Oppositionslager um die »Partei Gottes« erklärte inzwischen, daß ein Termin für den Beginn der Proteste zwar beschlossen sei, aber noch nicht bekanntgegeben werde, so Mahmud Qomati vom Hisbollah-Politbüro. Man sei jedoch weiter bereit, über Lösungen zu diskutieren. Ziel sei in jedem Fall eine Regierung, in der alle Parteien des Landes gleichberechtigt vertreten seien. Ansonsten müsse es vorgezogene Parlamentswahlen geben. Die Hisbollah wird von der Amal-Partei, der Freien Patriotischen Bewegung und der Beiruter Versammlung unterstützt.

Der Dialog über die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit war durch Israels Krieg im Sommer unterbrochen worden. Die Regierungsentscheidung, einem UN-Sondertribunal zuzustimmen, das den Mord an Rafik Hariri (Februar 2005) sowie andere politische Morde und Mordversuche untersuchen soll, hatte die aktuelle Regierungskrise und den Rücktritt der sechs Minister ausgelöst. Der schiitische Geistliche Mohammad Hussein Fadlallah kritisierte jüngst das Verhalten der Politiker. Die Libanesen seien sehr beunruhigt, das Land zudem extrem instabil. Er meinte, daß die Entscheidungen libanesischer Politiker vom Ausland getroffen würden: »Sie arbeiten daran, Libanon in ein Konfliktgebiet zu verwandeln.«

Der Vorwurf der Einmischung von außen ist nicht unberechtigt, wie auch die Telefonate von Kofi Annan mit Teheran und Damaskus zeigen. Manche fürchten einen neuen Stellvertreterkrieg im Libanon. Während des Angriffs Israels im Sommer war das Land weitgehend auf sich gestellt, die krisenhafte Nachkriegssituation jedoch wird von allen Seiten mit »humanitärer Einmischung« genutzt. Saudi-Arabien hilft beim Wiederaufbau zerstörter Schulen, die Golfstaaten konkurrieren beim Wiederaufbau im Südlibanon. Deutschland und Frankreich schickten humanitäre Hilfe und stehen zudem mit Polizeikräften und Soldaten im Rahmen der UN-Truppe UNIFIL in der Region. Der Leiter der US-Agentur für Entwicklung (USAID), Randall Tobias, teilte derweil mit, die USA habe in nur drei Monaten 50.000 Munitionsblindgänger im Südlibanon entfernt. Ein großer Teil der von Israel eingesetzten Munition während des Krieges, auch die Streubomben, ist aus US-amerikanischer Produktion. Nun sollen nach Aussage von Tobias die 250 Millionen von Washington zugesagten Dollar die »Durchsetzungskraft« der Regierung von Ministerpräsident Fuad Siniora »stärken«. Man werde keine Mühen scheuen, „um der legitimen Regierung des Libanon dabei zu helfen, die Bedürfnisse seiner Bevölkerung zu erfüllen«.

* Aus: junge Welt, 22. November 2006


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