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Politischer Streit endet mit Hisbollah-Sieg - Bürgerkrieg in Libanon abgewendet

Armeechef Michel Suleiman zum neuen Staatsoberhaupt gewählt. Drei Beiträge


Durchbruch in der Libanon-Krise

Konfliktparteien bilden gemeinsame Regierung – Hisbollah erhält Vetorecht

Von Karin Leukefeld *

Nach fünftägigen Verhandlungen in Doha (Katar) haben sich die zerstrittenen Fraktionen des Libanon – die prowestliche Regierung unter Fuad Siniora und die Opposition unter Führung der Hisbollah – am Mittwoch (21. Mai) geeinigt, ihren politischen Streit beizulegen. Die »Vereinbarung von Doha« kam unter Vermittlung der Arabischen Liga und des Scheichtums Katar zustande, nachdem bewaffnete Aktionen den Libanon gefährlich nahe an den Rand eines neuen Bürgerkriegs gebracht hatten. Nach 18 Monaten teilweise blutiger Auseinandersetzungen sollen nun eine Regierung der nationalen Einheit gebildet und ein neues Wahlgesetz verabschiedet werden. Voraussichtlich am 25. Mai, dem nationalen Feiertag Libanons anläßlich des Rückzugs der israelischen Armee 2000, soll Armeechef Michel Sleiman zum neuen Präsidenten gewählt werden. Die Frage der Waffen der Hisbollah, die nach dem Willen des Regierungslagers auch verhandelt werden sollte, war vom Vermittler Katar kurzerhand gestrichen worden. Dieses Thema werde in Beirut verhandelt, erklärte der Sprecher der Arabischen Liga, Hisham Youssef.

Das neue Kabinett sieht 16 Posten für die Regierungsmehrheit vor, elf für die Opposition und drei Posten, die vom Präsidenten ernannt werden. Die Opposition erhält damit die von ihr geforderte Stärke, die es ihr ermöglicht, per Veto Regierungsentscheidungen zu blockieren. Beobachter bezeichneten die Vereinbarung als einen »Triumph für die Hisbollah«. Es gebe »keinen Sieger und keinen Verlierer«, erklärte hingegen Amr Musa, der Generalsekretär der Arabischen Liga, bei der Präsentation der Vereinbarung am Mittwoch morgen in Katar. Telekommunikationsminister Marwan Hamadeh vom Regierungslager bezeichnete »Libanon als den einzigen Gewinner«.

Das neue Wahlgesetz sieht vor, die Stimmbezirke in Beirut zu verkleinern. Damit soll sichergestellt werden, daß die Religionsgruppen – Schiiten, Sunniten und Christen – besser repräsentiert werden können. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Einigung begann die Opposition damit, ihr Zeltlager in der Innenstadt von Beirut abzubauen, das 18 Monate lang das Leben im Beiruter Zentrum gelähmt hatte. Man werde für alle Schäden aufkommen, die durch die Streik- und Blockadeaktionen entstanden seien, teilte ein Sprecher der Opposition dem Bürgermeisteramt in Beirut mit.

* Aus: junge Welt, 22. Mai 2008


Einigung im Libanon: Bürgerkrieg verschoben

Von Maria Appakowa **

Die libanesischen Spitzenpolitiker haben sich nach sechstägigen Beratungen in Katar unter Vermittlung der Arabischen Liga auf ein Ende der innenpolitischen Krise geeinigt.

Heißt das, dass der Bürgerkrieg in Libanon beendet wird? Was bedeutet das in der katarischen Hauptstadt Doha erzielte Abkommen für die ganze Region?

Einige Worte über das Abkommen an sich. Das Dokument sieht eine Sondertagung des libanesischen Parlaments und die Wahl des Kompromisskandidaten Michel Suleiman zum Präsidenten vor. Der Präsidentenposten ist in Libanon seit dem 24. November 2007 vakant. Ebenfalls wurde die Bildung einer Einheitsregierung vereinbart, in der die Opposition das Vetorecht erhält. 16 von 30 Ministern sollen die Regierungskoalition vertreten, elf die Opposition. Drei sollen vom Präsidenten ernannt werden. Es wurde auch ein Kompromiss zur Änderung des Gesetzes über die Parlamentswahlen erreicht, das schon seit 1960 besteht. Außerdem haben die Seiten vereinbart, keine Waffengewalt zur Erreichung ihrer politischen Ziele anzuwenden und die Souveränität des Libanons zu respektieren.

Da das erzielte Abkommen fast völlig den Forderungen der Opposition entspricht, in der die Hisbollah die Hauptrolle spielt, hat sie beschlossen, das Zeltlager im Zentrum Beiruts, das seit fast anderthalb Jahren die Geschäftsaktivitäten der libanesischen Hauptstadt lahmlegt, abzubauen.

Obwohl es offensichtlich ein Sieg der Opposition ist, erfreuen die Nachrichten aus Doha die meisten Libanesen unabhängig von ihren politischen Ansichten. Ihnen scheint es, dass die Gefahr eines Bürgerkrieges vorbei sei. Doch zwischen dem Abkommen und dessen Verwirklichung liegt ein Abgrund. Die politischen Führer haben sich auf Kompromisse geeinigt, sind aber keinesfalls zum gemeinsamen Entschluss gekommen, wie sich Libanon weiter entwickeln soll. Hier bleibt alles beim alten: Sowohl der Westen als auch der Iran und die arabischen Länder streiten um das Recht, die Ereignisse in diesem kleinen Nahost-Land zu beeinflussen. Ihre Interessen sind recht widersprüchlich, was sich sicherlich auf der innenpolitischen Situation im Libanon niederschlagen wird. Vor allem in Hinblick auf den anstehenden Wahlkampf für das Parlament.

Hier drängt sich die Erinnerung an andere Abkommen auf, die zwei palästinensische Bewegungen Fatah und die Hamas ihrerseits mit saudi-arabischer Hilfe triumphal abschlossen. Der Vertrag, der in Mekka, dem heiligsten Ort für alle Muslime, abgeschlossen und von Riad, einem der einflussreichsten Spieler in der Region, beglaubigt wurde, schien unverletzlich zu sein. Doch heute ist von diesen Abkommen keine Spur mehr übrig. Die Situation kann sich auch mit den libanesischen Vereinbarungen wiederholen.

Doch das heißt nicht, dass es keinen Versuch wert war. Die Einsätze sind zu hoch. Die arabische Zeitung „Al-Hayat“ schrieb am Vortag: „Libanon retten heißt, die arabische Nation retten.“ Vor wem, ist für niemanden ein Rätsel. Die arabischen Länder befürchten einen wachsenden Einfluss des Iran und seine Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten.

In den Regionen, die traditionell unter arabischem Einfluss, vor allem der regionalen Spieler Ägypten und Saudi-Arabien, standen, spielt Iran jetzt die erste Geige. Es geht um Palästina, Libanon, Irak und andere Länder vom Mittelmeer bis hin zum Indischen Ozean. Die Araber, in erster Linie die Sunniten, und die Christen finden vor dem wachsenden Einfluss Irans keinen Schutz. Das Paradox besteht darin, dass selbst so radikale Bewegungen wie die Hamas und die Muslimbrüder, die ursprünglich sunnitisch sind, zunehmend von Teheran abhängen.

Iran führt ohne offene Kriege eine erfolgreiche politische Expansion. Das in Doha erreichte Abkommen bestätigt das. Der Erfolg der Hisbollah ist der Erfolg Teherans. Indem die Arabische Liga einen Kompromiss zwischen den libanesischen Kräften erarbeitete, kämpfte sie für arabische Interessen, erwies aber den Iranern einen Dienst. Doch hatte sie eine andere Wahl? Offensichtlich nicht, wenn die Alternative ein Bürgerkrieg wäre. So bleibt zumindest Zeit für politische Manöver.

Welche Manöver? Es gibt mannigfaltige Möglichkeiten für geopolitische Koalitionen und Varianten, um die Situation zu verändern. So vereinigt der Kampf gegen den iranischen Einfluss Israel mit den arabischen Ländern, selbst mit denen, die keinen Friedensvertrag mit ihm haben. Vor allem geht es um die Länder am Persischen Golf.

Es scheint auch unzufällig, dass Israel und Syrien just an dem Tag, als die libanesischen Führer in Doha einen Kompromiss erreichten, offiziell den Anfang von indirekten Friedensverhandlungen in der Türkei verkündeten. Die Israelis geben den Dialog mit den Syrern, den nächsten Verbündeten Teherans in der Region, erstmals öffentlich zu. Das Bündnis zwischen Syrien und Iran platzen zu lassen ist ein langjähriger Traum der USA genauso wie Israels und vieler arabischer Länder. Vorerst ist er aber nicht zu verwirklichen. Ein Frieden mit Israel, genauer, die Rückgabe der besetzten Golanhöhen, könnte für Damaskus ein wesentliches Argument für eine Revision der Beziehungen mit Teheran werden. Genau darauf hoffen die Amerikaner und Israelis. Doch es kann auch andersherum kommen: Nach der Rückgabe der Golanhöhen kann Israel entdecken, dass es de facto nicht mehr an Syrien, sondern an Iran (das heißt, an dessen Verbündete Hisbollah) grenzt. Genau deswegen hat der Plan für die Rückgabe der Golanhöhen in der israelischen Gesellschaft heute eine starke Opposition. Somit wird das Schicksal des Abkommens in großem Maße davon bestimmt, wie sich die Ereignisse im Libanon entwickeln werden und wie sich die Hisbollah verhält.

Ein weiterer Punkt sind die Verhandlungen um das iranische Atomdossier. Wenn Teheran seinen Einfluss in Libanon und in der gesamten Region ausweitet, treibt es seinen Preis im Handel mit der internationalen Gemeinschaft höher.

Mit Blick auf alle diese Umstände können die Libanesen einem nur leid tun. Ihr Land war und ist ein Territorium für das Austragen der Beziehungen zwischen den regionalen Spielern, darunter nicht nur Israel und die arabischen Länder, sondern auch Iran und die USA. Hier können ihnen keine Abkommen helfen. Sie können nur die Bürger von der Angst befreien, dass der Bürgerkrieg bereits am nächsten Tag anfange.

Die Meinung der Verfasserin muss nicht mit der der RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 23. Mai 2008



Letzte Meldung

Suleiman zum libanesischen Staatschef gewählt

Das Parlament im Libanon hat am 25. Mai mit der Wahl des Armeechefs Michel Suleiman zum neuen Staatsoberhaupt die 18 Monate währende politische Krise in dem Land beigelegt. Der christliche Armeechef, der die Nachfolge des im November 2007 zurückgetretenen Emile Lahoud antritt, legte umgehend seinen Amtseid ab. Die Wahl war nach einer Einigung zwischen der pro-syrischen Opposition und der westlich orientierten Regierung am Mittwoch (21. Mai) möglich geworden.

Die Abgeordneten wählten den 59-jährigen General mit 118 von 127 Stimmen zum Präsidenten. Sechs Abgeordnete gaben leere Stimmzettel ab, drei Stimmen gingen an andere Kandidaten. Ein Abgeordneter stimmte für den ermordeten früheren Regierungschef Rafik Hariri, ein anderer für den Ex-Parlamentarier Jean Obeid. Auch ein Mitglied der Regierungsmehrheit im Parlament, Nassib Lahoud, bekam eine Stimme. Die Wahl des Kompromisskandidaten Suleiman war zuvor 19 Mal verschoben worden.

Suleiman, der an der Armeespitze eine strikte Neutralität der Streitkräfte durchsetzte, hatte die Konfliktparteien vor der Wahl davor gewarnt, ihre Ziele mit Gewalt durchsetzen zu wollen. "Sicherheit kann nie mit Gewalt erreicht werden, sondern nur durch politischen Willen. Eine einzige Partei kann das Land nicht aufbauen", sagte er.

In Beirut herrschte derweil Aufbruchstimmung und Optimismus. Die Hauptstadt, in der Mitte Mai bei Kämpfen zwischen Schiiten und Sunniten noch 65 Menschen getötet worden waren, war mit libanesischen Flaggen geschmückt, an den Gebäuden hingen Fotos von Suleiman. In den Straßen waren nach der Wahl Freudenschüsse zu hören.

Die anti-syrische Mehrheit und die von Iran und Syrien gestützte Opposition hatten sich in der vergangenen Woche unter Vermittlung der Arabischen Liga im katarischen Doha auf ein Abkommen geeinigt. Die Hisbollah, die eine Parteiorganisation und eine bewaffnete Miliz umfasst, konnte sich dabei mit ihren Forderungen nach einer Regierungsbeteiligung und einer Sperrminorität weitgehend durchgesetzen. Die Entwaffnung der Schiitenmiliz, die die einzige noch bewaffnete Gruppe im Libanon ist, wurde nicht zur Debatte gestellt.

Die Opposition soll der Einigung zufolge künftig elf von 30 Ministerien erhalten. Umgehend nach Suleimans Wahl sollte Ministerpräsident Fuad Siniora zurücktreten, um die Verhandlungen über ein neues Kabinett aufzunehmen.

AFP, 25. Mai 2008


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