Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Libanon hofft auf Katar

In Doha entscheidende Gespräche Regierung–Hisbollah

Von Karin Leukefeld *

Kämpfer der Hisbollah, die aus Solidarität mit einem landesweiten Gewerkschaftsstreik für einen höheren Mindestlohn am Mittwoch vergangener Woche (7. Mai) zunächst verschiedene Stadtviertel von Beirut und die Autobahn zum Internationalen Flughafen von Beirut blockiert hatten, räumten am Donnerstag (15. Mai) die Barrikaden eigenhändig wieder weg.

Nach dem eintägigen Streik war die Situation eskaliert, als Regierungschef Fuad Siniora drastische Maßnahmen gegen die Hisbollah angekündigt hatte. Die darauf folgenden Kämpfe zwischen Milizen der Hisbollah und der Regierungskoalition endeten nach drei Tagen eindeutig zu Gunsten der Hisbollah. 65 Personen starben, mehr als 200 wurden verletzt. Siniora hat inzwischen die Maßnahmen gegen die Hisbollah wieder zurückgenommen, was für das Regierungslager und seine ausländischen Bündnispartner einen enormen Rückschlag bedeutet. Sowohl die von Hisbollah geführte Opposition als auch das Regierungslager um Siniora und Saad Hariri stimmten der Wiederaufnahme des nationalen Dialogs zu. Die Tageszeitung »As Safir« berichtete, Drusenführer Walid Dschumblatt habe in einem Telefonat mit dem Sicherheitskoordinator der Hisbollah, Haj Wafik Safa, seine Kooperation für eine friedliche Einigung erklärt.

Der Durchbruch gelang einer hochrangigen Delegation der Arabischen Liga, die von dem Premier und Außenminister Katars, Scheich Hamad bin Jassem al-Thani und dem Generalsekretär der Liga, Amre Musa geleitet wurde. Nach intensiven Gesprächen mit allen Seiten konnten sie die zerstrittenen Fraktionen Libanons davon überzeugen, zu einer Art Versöhnungskonferenz in die katarische Hauptstadt Doha zu kommen. In einem 6-Punkteplan wurde festgehalten, dass »unter Berücksichtigung der libanesischen Verfassung und des Taif-Abkommens (1990)« die Anordnungen der Regierung gegen die Hisbollah zurückgenommen werden und »der Status vor den darauf folgenden Ereignissen wieder hergestellt« wird.

Der Sicherheitschef des Flughafens wird damit wieder eingesetzt, und die Armee überprüft das Telekommunikationsnetz der Hisbollah. Alle Milizen sollen sich von den Straßen zurückziehen, für Sicherheit und Ordnung sorgt fortan ausschließlich die Armee, Hafen und Flughafen werden wieder geöffnet.

Der »Doha Dialog« soll so lange dauern, bis die beiden Lager sich geeinigt haben. Am Vorabend der Wahl des neuen Staatspräsidenten – der neue Termin ist für den 10. Juni vorgesehen – soll schließlich auch die Blockade der Innenstadt von Beirut beendet werden, wo die Opposition in einem Zeltlager seit Dezember 2006 für ihre Forderungen demonstriert.

Während die neue Entwicklung von den meisten Seiten begrüßt wurde, zeigte sich der Sprecher des US-Außenministeriums, Sean McCormack, skeptisch. Die Vereinbarung werde vermutlich nicht die komplizierten Probleme im Libanon lösen können, sagte er und bezeichnete die Hisbollah weiterhin als »Gefahr für die Demokratie« im Zedernstaat.

Die zwei Lager sind nach einem Bericht der Zeitung »An Nahar« inzwischen in zwei verschiedenen Flugzeugen in Richtung Doha aufgebrochen. Nun könne man nur noch hoffen, schreibt »An Nahar« weiter, dass «am Ende der Doha- Gespräche alle gemeinsam in einem Flugzeug zurückkehren.«

* Aus: Neues Deutschland, 17. Mai 2008

Aktuelle Meldungen

Hisbollah und libanesische Regierung beraten in Katar

Vertreter der schiitischen Hisbollah-Miliz und der libanesischen Regierung sind am Samstag (17. Mai) in Katar zu vertraulichen Gesprächen zur Beilegung der politischen Krise zusammengekommen. In dem Treffen in Doha, das die Arabische Liga vermittelt hatte, soll es um die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit und die Wahl eines Präsidenten gehen. Der Libanon befindet sich in der schwersten politischen Krise seit dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990.

Die Regierung fordert, dass in den Gesprächen auch der Waffeneinsatz der Hisbollah bei den jüngsten Unruhen angesprochen wird. Telekommunikationsminister Marwan Hamadeh sagte der Nachrichtenagentur AP, er erwarte mehrtägige harte Gespräche, bevor es eine Einigung geben könne.

Quelle: AP, 17. Mai 2008


Regierung und Opposition beraten über Krise im Libanon

Zur Überwindung der politischen Krise im Libanon haben führende Politiker von Regierung und Opposition in der katarischen Hauptstadt Doha Gespräche aufgenommen. Katars Regierungschef Scheich Hamad bin Dschassem el Thani sagte die Teilnehmer seien "in der Lage, gefährliche Entgleisungen zu vermeiden". Deutschland und die USA begrüßten den Dialog. Der Libanon ist seit November ohne Staatsoberhaupt, da die pro-westliche Regierung und die pro-syrische Opposition sich nicht auf die Wahl eines Kompromisskandidaten einigen können.

Katars Staatschef Scheich Hamad bin Chalifa el Thani eröffnete das Treffen mit hochrangigen Vertretern der libanesischen Regierung und der unter syrischem sowie iranischem Einfluss stehenden Opposition. Sie hatten sich am Donnerstag (15. Mai) unter Vermittlung der Arabischen Liga auf Gespräche geeinigt, um die seit 18 Monaten schwelende politische Krise in ihrem Land zu beenden. Neben Verhandlungen über eine Regierung der nationalen Einheit und ein neues Wahlrecht soll auch die Wahl von Armeechef Michel Suleiman zum Staatspräsidenten endlich vollzogen werden, die bereits 19 Mal verschoben wurde.

In der vergangenen Woche waren die Spannungen im Libanon eskaliert. Anlässlich eines Generalstreiks kam es zu ersten Scharmützeln; als kurz darauf der Chef der Schiiten-Miliz Hisbollah, Hassan Nasrallah, der Regierung eine "Kriegserklärung" vorwarf, kam es zu heftigen Feuergefechten zwischen Sunniten und Schiiten in mehreren Stadtteilen der Hauptstadt Beirut. Dabei wurden 65 Menschen getötet.

Die Bundesregierung begrüßte die neuen Bemühungen um eine Lösung der politischen Krise im Libanon als "Signal der Hoffnung". Die Gespräche zwischen den Konfliktparteien in Katar seien ein "erster, notwendiger Fortschritt", sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg am Freitag in Berlin. Die Regierung hoffe sehr, dass jetzt der Wille da sei, sich zu verständigen und einen neuen Präsidenten zu wählen.

Die USA unterstützten den Dialog, würden sich jedoch nicht in diese innerlibanesische Angelegenheit einmischen, betonte ein Ministeriumsvertreter. Washington will vermeiden, dass die Hisbollah US-Stellungnahmen zum Anlass nimmt, den Verhandlungstisch zu verlassen.

Ein ursprünglich geplantes Treffen zwischen dem libanesischen Regierungschef Fuad Siniora und US-Präsident George W. Bush, das für Sonntag (18. Mai) im ägyptischen Scharm el Scheich angesetzt war, sollte offenbar doch nicht stattfinden.

Quelle: Nachrichtenagentur AFP, 17. Mai 2008


Streit über Waffen der Hisbollah bei Libanon-Gesprächen

Ein Streit über die Waffen der Hisbollah hat die Gespräche über die Zukunft des Libanons vorerst blockiert. «Wir stehen immer noch am Anfang», sagte ein Gesandter der libanesischen Regierung am Sonntag (18. Mai), dem zweiten vollen Verhandlungstag beider Delegationen im Scheichtum Katar. Die von Sunniten dominierte Beiruter Regierung hatte tags zuvor gefordert, dass das Waffenarsenal der schiitischen Miliz zur Sprache kommen müsse. Die Hisbollah entgegnete, dieses Thema stehe nicht zur Debatte.

Der Chefunterhändler der Hisbollah, Mohammed Raad, beschuldigte die Regierungsdelegation, die Opposition mit ihren Forderungen erpressen zu wollen. Der Vorwurf richtete sich insbesondere gegen die Delegationsleiter der Sunniten und der Christen, Saad Hariri und Samir Geagea, die das Waffenthema auf die Tagesordnung gebracht hatten. Regierungsvertreter betonten, ohne eine Lösung dieser Frage könne es keine ernsthaften Fortschritte geben.

Bei dem Treffen in Doha, das die Arabische Liga vermittelt hat, geht es um die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit und die Wahl eines Präsidenten. Der Libanon befindet sich zurzeit in der schwersten politischen Krise seit dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990. Bei heftigen Gefechten vor rund zehn Tagen kamen 67 Menschen ums Leben, mehr als 200 wurden verletzt.

Die Regierungsseite erklärte, es müsse sichergestellt werden, dass die Hisbollah nie wieder ihre Waffen auf die eigene Bevölkerung richten könne. Die Miliz hatte bei den jüngsten Kämpfen mehrere Stadtviertel von Beirut unter ihre Kontrolle gebracht.

US-Präsident George W. Bush bekundete beim Besuch in Ägypten seine Unterstützung für die libanesische Regierung von Ministerpräsident Fuad Siniora. Der Libanon stehe zurzeit am Scheideweg, sagte Bush nach Gesprächen mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas. Es gehe darum, die radikalen Kräfte in die Schranken zu verweisen.

Quelle: AP, 18. Mai 2008




Zurück zur Libanon-Seite

Zurück zur Homepage