Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

CIA-Fiasko im Libanon

Hisbollah konnte US-Geheimdienst infiltrieren und seine Niederlassung im Zedernstaat neutralisieren

Von Rainer Rupp *

Die Schlappe sei so schwer, daß die US-Folter- und Spionageorganisation ihre Aktivitäten im Libanon weitgehend eingestellt habe. Verzweifelt hätten die CIA-Führungsoffiziere in den letzten Monaten versucht, den Schaden zu begrenzen und ihre im Zedernstaat noch nicht enttarnten Agenten zurückzuziehen, bevor Hisbollah ihrer habhaft werden konnte. Das enthüllten jetzt unabhängig voneinander vier teils aktive, teils ehemalige US-amerikanische Geheimdienstmitarbeiter gegenüber der Presse. Die geheime CIA-Niederlassung im Libanon, die zum Sammeln von wichtigen Informationen über Entwicklungen im Mittleren Osten, insbesondere in Syrien und Iran, von größter Bedeutung gewesen sei, habe praktisch aufgehört zu existieren. Und was Hisbollah betrifft, so befände sich der US-Geheimdienst derzeit »im Blindflug«.

Während die vier den Abwehrerfolg der Libanesen bei der Aushebung des gegen Hisbollah gerichteten US-Spionagerings nur widerwillig gegenüber den Medien anerkannten, machten sie die schlampige Arbeit und Sorglosigkeit der CIA vor Ort für das Geheimdienstdesaster verantwortlich. Demnach war es zwei Agenten der Hisbollah gelungen, sich von der CIA als Spione anwerben zu lassen. Denen fiel bald auf, daß die geheimen Treffs mit ihren Offizieren immer in den gleichen Restaurants stattfanden. Diese Örtlichkeiten wurden dann von der Abwehr der Hisbollah beobachtet, und mit der Zeit konnten so über ein Dutzend Spione sowie etliche Agentenführer identifiziert werden. Dann habe die Hisbollah zugeschlagen. Von den CIA-Leute gebe es seither kein Lebenszeichen mehr.

Bereits im Juni hatte der Generalsekretär von Hisbollah, Hassan Nasrallah, die Verhaftung von mehreren Spionen, die die Reihen der militanten Organisation infiltriert hatten, gemeldet. Diese hätten gestanden, von Offizieren des US-Nachrichtendienstes, die sich als Botschaftsdiplomaten ausgegeben hätten, angeworben worden zu sein. Von westlicher Seite war dies jedoch als reine Propaganda abgetan worden. Erst jetzt wird durch die Enthüllungen der vier aktiven bzw. ehemaligen CIA-Mitarbeiter die ganze Dimension des damals vertuschten Fiaskos offenkundig.

Dabei hätten die Amerikaner gewarnt sein müssen. Bereits im April 2009 konnte der Libanon dank Hisbollah landesweit mehrere israelische Spionageringe mit nahezu 100 Personen ausheben. Unter den Verhafteten befanden sich auch Mitarbeiter der Sicherheitskräfte des Landes und Techniker von Telekommunikationsbetrieben. Vor diesem Hintergrund erscheint der Versuch von Israel und anderen Ländern, die Verantwortung für den von der UNO untersuchten Mord an dem früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri mit Hilfe von angeblich geführten Telefongesprächen der Hisbollah anzulasten, in einem anderen Licht.

Eine Reihe der 2009 verhafteten Agenten hat inzwischen auch gestanden, Ziele für Israels Bombenangriffe im Libanon im Jahr 2006 ausgespäht zu haben. Sollten sie für schuldig befunden werden, zur Tötung libanesischer Bürger beigetragen zu haben, droht ihnen die Todesstrafe.

Aber nicht nur die libanesische Abwehr konnte in letzter Zeit Erfolge melden. Den vier US-Geheimdienstlern zufolge wurde in Teheran eine geheime Methode der CIA zur Internetkommunikation mit ihren bezahlten Agenten im Iran entdeckt. Dies habe schließlich zur Enttarnung von Dutzenden von US-Spionen im Land geführt.

* Aus: junge Welt, 24. November 2011


Zurück zur Libanon-Seite

Zur Geheimdienste-Seite

Zurück zur Homepage