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Süden hält zusammen

MERCOSUR-Staaten stellen sich hinter Argentinien, bauen die regionale Kooperation aus und treiben den Aufbau einer gemeinsamen Bank voran

Von Lena Kreymann *

In der Auseinandersetzung mit den sogenannten Geierfonds haben sich die MERCOSUR-Länder geschlossen hinter Argentinien gestellt. Die Regierungschefs der fünf Mitgliedsstaaten verabschiedeten auf dem Gipfeltreffen des Wirtschaftsblocks in Caracas am Dienstag (Ortszeit) eine Erklärung, in der sie ihre Solidarität mit Argentinien bei der Suche nach einer Lösung erklärten, »die nicht seiner Entwicklung und dem Wohl der Bevölkerung« schade und die »in Einklang mit der Politik« des südamerikanischen Landes stehe. US-Richter Thomas Griesa hatte Argentinien in einem jüngst gefällten Urteil dazu verpflichtet, vorrangig den Forderungen von Gläubigern nachzukommen, die sich nicht an den zwei Umschuldungsverfahren 2005 und 2010 beteiligt hatten. Eine Frist zur Verhandlung mit diesen Hedgefonds lief am Mittwoch ab.

In der geschlossenen Plenarsitzung besprachen die Staatschefs Argentiniens, Brasiliens, Paraguays, Uruguays und Venezuelas auf Anregung des uruguayischen Präsidenten José Mujica außerdem, wie sie Argentinien konkret unterstützen könnten. Dieser hatte erklärt, die Auseinandersetzung mit den Geierfonds schade »nicht nur Argentinien, sondern allen Ländern des Südens«. Man müsse über bloße »Solidaritätserklärungen hinausgehen«. Zu den Absprachen wurde nichts Genaueres bekanntgegeben, die Ideen sollen jedoch in den kommenden Monaten konkretisiert und auf der nächsten Sitzung im Dezember auf die Tagesordnung gesetzt werden. Auch Gäste wie der bolivianische Staatschef Evo Morales begrüßten das Vorhaben. Bolivien strebt einen MERCOSUR-Beitritt an und hat wie auch Ecuador, Chile, Kolumbien und Peru den Status eines »assoziierten Landes«.

Wie der lateinamerikanische Fernsehsender TeleSur berichtete, übernahm Argentinien auf dem Gipfeltreffen von Mercosur wie vorgesehen den Vorsitz der Regionalstruktur. Der venezolanische Staatschef Nicolás Maduro übergab die zeitweilige Präsidentschaft an seine argentinische Amtskollegin, Cristina Fernández de Kirchner. Diese betonte, wie wichtig »die Kooperation und gegenseitige Bereicherung« angesichts einer »multipolaren Welt« sei. Es gelte, »die Wirtschaft der Politik unterzuordnen, um die Entwicklung der Länder zu planen«. Sie regte insbesondere einen intensiveren Austausch auf dem Gebiet der Bildung und Forschung an.

Mit den Beschlüssen des Gipfeltreffens wurden Schritte zur besseren Zusammenarbeit auf politischer und ökonomischer Ebene gegangen. Die MERCOSUR-Länder planen nun eine gemeinsame Wirtschaftszone mit den Staaten der »Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas« (ALBA) und der karibischen Energiegemeinschaft Petrocaribe. Zur Bedeutung dieser Gemeinschaft, die 24 Länder Lateinamerikas umfassen soll, erklärte Maduro, sie weise »weit über den sogenannten Freihandel hinaus« und ziele »auf einen gerechten und integrierenden Handel ab, auf gemeinsame Investitionen und Produktivkraftentwicklung«. Der salvadorianische Präsident Salvador Sánchez Cerén erklärte laut TeleSur außerdem sein Interesse, eine verstärkte Kooperation des zentralamerikanischen Bündnisses SICA mit MERCOSUR auf wirtschaftlicher Ebene anzustoßen.

Zur Förderung staatsübergreifender Initiativen soll auch die »Bank des Südens« dienen. Wie die venezolanische Nachrichtenagentur AVN berichtete, beschlossen die Länder, das Projekt der lateinamerikanischen Entwicklungsbank noch in diesem Jahr umzusetzen. An diesem Gegenmodell zur neoliberalen Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds beteiligen sich neben den MERCOSUR-Staaten auch Bolivien und Ecuador.

Am Dienstag beschlossen die MERCOSUR-Staaten schließlich auch die Gründung einer Indigenen- und einer Arbeiterstruktur des Bündnisses. »MERCOSUR Indígena« soll die Politik und die Diskussionen rund um den Schutz der Rechte lateinamerikanischer Ureinwohner zusammenführen. Unter dem Titel »MERCOSUR Obrero« hatte im Februar dieses Jahres in Venezuela bereits ein Treffen stattgefunden, an dem Vertreter der Betriebe unter Arbeiterkontrolle aus den ­MERCOSUR-Staaten teilgenommen hatten. So soll perspektivisch ein Raum für politischen Austausch, Weiterbildung und konkrete Zusammenarbeit entstehen.

Angesichts der anhaltenden Diskussion über die Abschiebung von aus Mittelamerika in die USA geflüchteten Kindern brachten die MERCOSUR-Staaten in einer gemeinsamen Erklärung ihre »Besorgnis über Festnahmen« der Minderjährigen zum Ausdruck und forderten die »uneingeschränkte Einhaltung der Grundrechte dieser Kinder und Jugendlichen, die in improvisierten Unterkünften festgehalten« würden.

* Aus: junge Welt, Donnerstag 31. Juli 2014


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