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Washington verliert Einfluß

Kontroverse über Zukunft der Organisation Amerikanischer Staaten

Von Benjamin Beutler *

Am heutigen Freitag findet in Washington eine Tagung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) statt. Auf der Generalversammlung stehen Reformen der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (CIDH) an. Wie das System zum Schutz der Menschenrechte mit eigenem Gerichtshof und Berichtswesen auf dem Kontinent in Zukunft aussehen soll, daran scheiden sich die Geister. Zuletzt fand Boliviens Präsident Evo Morales scharfe Worte. »Ich überlege ernsthaft unseren Rückzug von der CIDH«, polterte Morales auf einer Pressekonferenz im Regierungssitz La Paz. »Das Büro ist in den Vereinigten Staaten, und die Vereinigten Staaten haben kein einziges Abkommen zur Verteidigung der Menschenrechte ratifiziert«, erklärte der Regierungschef der »Bewegung zum Sozialismus« (MAS). Die »prokapitalistische und imperialistische Rechte«, so Morales, würde die CIDH mit ihren Jahresberichten zur Lage der Menschenrechte nach Belieben zur »Verurteilung anderer Länder« mißbrauchen.

Kritikern gilt die OAS als verlängerter Arm Washingtons. Die Regionalorganisation war 1948 auf Drängen der Vereinigten Staaten gegründet worden. Im Kalten Krieg war sie ein Stein im »Bollwerk der Demokratie«. Nach Annäherung an Moskau war Kuba Anfang 1962 vor die Tür gesetzt worden.

Druck macht zunehmend der Block linksregierter Länder auf dem Kontinent. Neben Bolivien wollen Ecuador, Nicaragua und Venezuela eine Radikalkur. Ecuadors Präsident Rafael Correa kündigte »andere Entscheidungen« an, würde am Status quo festgehalten. Kaum zu erklären sei die Tatsache, daß die USA, Kanada und einige Karibikstaaten die OAS-Menschenrechtscharta bis heute nicht ratifiziert haben, erklärte jüngst Ecuadors Außenminister während einer Tour durch die Karibik. »Im 21. Jahrhundert, in unserem Amerika, können wir nicht hinnehmen, daß sich der CIDH-Sitz in einem Land der kriminellen Kuba-Blockade befindet, was offen gegen internationales Recht verstößt«, schießt Correa scharf. Das Embargo gegen die Karibikinsel sei »der größte Bruch von Menschenrechten auf unserem Kontinent«.

Kontrovers ist die Frage nach der Finanzierung. Größter Geldgeber mit rund 1,3 Millionen US-Dollar pro Jahr sind die USA. Mit den Geldern der anderen OAS-Mitglieder Argentinien, Kolumbien, Kanada, Chile und Costa Rica sind von 2010 bis 2012 vier Millionen US-Dollar zusammengekommen, was 55 Prozent der CIDH-Einnahmen ausmacht. Der Rest läuft über Spenden von Beobachterstaaten, NGOs und Privatstiftungen. Hier fordern die Linksregierungen Änderungen. Nur CIDH-Mitgliedsstaaten sollen zur Finanzierung beitragen dürfen. Über diesen Hebel wäre das Menschenrechtsorgan jedoch pleite. Washington fürchtet um den Erhalt der CIDH in der jetzigen Form. Die Reformen dürften »kein Vorwand zur Schwächung« des CIDH sein, warnt US-Vizeaußenminister William Burns.

* Aus: junge Welt, Freitag, 22. März 2013


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