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Gemeinsame Projekte

Treffen von Staatschefs aus Argentinien, Brasilien und Venezuela. Kooperation soll trotz politischer Differenzen verstärkt werden

Von Timo Berger *

Überraschend sind am Montag nachmittag (4. August) die Staatschefs von Argentinien, Brasi­lien und Venezuela in Buenos Aires zusammengekommen. Die argentinische Präsidentin Cristina Fernández empfing ihre Amtskollegen lnácio »Lula« da Silva und Hugo Chávez im Regierungssitz Palacio San Martín, um über gemeinsame Projekte zu sprechen. Der Minigipfel der drei Staatsoberhäupter sollte nach außen Kontinuität der Beziehungen demonstrieren. Nach dem Treffen stellte sich aber allein der venezolanische Präsident den Fragen der Presse. Die Verbindung zwischen Caracas und Brasilia sei das »Rückgrat Südamerikas«, sagte Chávez nach Angaben der argentinischen Tageszeitung Clarín. Es käme nun darauf an, der Zusammenarbeit »strategische Bedeutung« zu geben.

Auch müsse die Kooperation konkret gestaltet werden. Man stimme darin überein, mehrstaatliche Unternehmen zu gründen, so Chávez, der als Beispiel die petrochemische Industrie nannte. Möglich sei auch der Bau einer Eisenbahn durch das Amazonas-Gebiet und eine Erdgaspipeline von Caracas bis Buenos Aires. Dieses letzte Megaprojekt war unter anderem wegen der Wahlen in Brasilien und Venezuela auf Eis gelegt worden.

Die argentinische Botschafterin in Venezuela, Alicia Castro, brachte laut der argentinischen Tageszeitung Página12 eine gemeinsame Fluglinie der drei süd­amerikanischen Staaten ins Gespräch. Nötig geworden sei ein solches Projekt durch die jüngste Verstaatlichung der Fluglinie Aerolineas Argentinas, die bis vor wenigen Wochen zum spanischen Konzern Marsans gehört hatte.

Da Silva war bereits am Sonntag (3. August) mit einer Gruppe brasilianischer Unternehmer nach Argentinien gereist. Er versprach, einen unabhängigen Fonds aus den brasilianischen Haushaltsüberschüssen einzurichten, um Investitionen brasilianischer Firmen in Argentinien und die privatwirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder zu unterstützen. Präsidentin Fernández hofft, die seit mehr als fünf Jahren unausgeglichene Handelsbilanz zugunsten von Argentinien zu korrigieren.

Im ersten Halbjahr 2008 machte Argentinien umgerechnet rund drei Milliarden US-Dollar Verlust, 474 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Bei dem Treffen kamen aber auch die Differenzen zwischen Argentinien und Brasilien zum Vorschein. Während der Brasilianer das Potential beider Länder lobte, »die Welt zu ernähren«, betonte Fernández, man dürfe sich nicht mit der Rolle als Exporteur von Rohstoffen zufriedengeben.

Fernändez unterzeichnete zudem mehrere Abkommen mit Chávez. Unter anderem soll eine Studie über den Bau einer Erdölraffinerie erstellt werden, an der sich die staatlichen Mineralölkonzeren beider Länder, Enarsa und ­PdVSA beteiligen sollen. Chávez kündigte indes den Ankauf weiterer argentinischer Staatsanleihen an. Bislang besitzt Venezuela entsprechende Papiere im Wert von umgerechnet 5,5 Milliarden US-Dollar.

Das Verhältnis zwischen Argentinien und Venezuela auf der einen und Brasilien auf der anderen Seite hatte sich zuletzt leicht abgekühlt. Vergangene Woche war die siebte Doha-Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation in Genf gescheitert. Während Brasilien sich dabei vehement für einen Kompromiß zugunsten der Industriestaaten ausgesprochen hatte, lehnten Argentinien und Venezuela eine Einigung zu deren Bedingungen ab.

* Aus: junge Welt, 6. August 2008


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