Kehrseite des Goldaufschwungs
Umweltverschmutzungen und Vernichtung von Ackerland nehmen zu
Von Knut Henkel *
Die Finanzkrise in den USA und die wenig souveräne Krisenpolitik der Euro-Staaten hat die
Nachfrage nach Gold weiter angeheizt. Das sorgt für neue Rekordmarken und hat Auswirkungen in
den Förderländern.
Die Marke von 1600 Dollar könnte in ein paar Tagen fallen, sagten Analysten von der Barclays Bank
Mitte der Woche voraus. Verantwortlich dafür ist die Nervosität am Markt. Die Anleger sind
verunsichert angesichts der finanzpolitischen Krise im Euroraum und in den USA. Wohin also mit
dem Geld, wenn die Leitwährungen schwächeln – ins Gold. Das Edelmetall gilt in Krisenzeiten als
sicherer Hafen und der Preis pro Feinunze von 31,10 Gramm hat in dieser Woche bereits um knapp
drei Prozent zugelegt.
Dieser Trend führt dazu, dass die Minen weltweit auf die Steigerung ihrer Produktion setzten. Das
hat allerdings verheerende Folgen, denn es sind eben nicht nur große Minenunternehmen, die mit
moderner Technik nach Gold schürfen, sondern auch dubiose Unternehmen und Abertausende von
Kleinunternehmern, Genossenschaften und Glücksuchern, die sich mit Schaufel, Sieb und
Quecksilber auf den Weg machen.
Besonders verheerend sind die Folgen in Peru, wo Umweltminister Antonio Brack Egg seit mehr als
einem Jahr auf die steigende Zahl von Umweltkatastrophen durch das wilde Schürfen aufmerksam
macht. »Nicht die großen Förderer sind das Problem, sondern die unzähligen Kleinen, die sogar in
Naturschutzgebiete vordringen«, sagt der Umweltminister im Interview.
Die Konflikte nehmen zu. Bei der Ansiedlung einer Silbermine nahe der Grenze zu Bolivien starben
Ende Juni mehrere Menschen bei Straßenschlachten. Auch in Madre de Dios im Amazonasgebiet ist
es bereits zu Handgreiflichkeiten gekommen. Brack Egg hat in einigen Teilen der Region die Polizei
angewiesen, die Bergbaucamps zu räumen. Mehrere zehntausend Goldschürfer sind dort tätig. Sie
durchwühlen die goldhaltige Erde, lösen das Gold mit Hilfe von Quecksilber von anderen
Gesteinspartikeln und hinterlassen eine Mondlandschaft. »Nicht nur das illegale Abholzen großer
Flächen wertvollen Regenwaldes ist das Problem, sondern die Verseuchung von Flüssen und
Grundwasser mit Quecksilber«, so der Minister.
Es sind kleine Genossenschaften oder angeheuerte Arbeiter, aber auch Familien auf der Suche
nach Perspektiven. Solche Orte gibt es nicht nur in Peru, sondern auch in Kolumbien, El Salvador
oder Ghana und oft stecken mafiöse Strukturen dahinter, kritisieren Umweltschützer. Die Goldlobby
ist mächtig und mit jedem Dollar, den der Kurs klettert, steigt ihr Einfluss.
So wurden in El Salvador kritische Radiojournalisten, die die Verseuchung eines Flusses mit
Chemikalien durch die El Dorado Mine des kanadischen Investors Pacific Rim aufdeckten, von
Paramilitärs bedroht. Die Mine klagt gegen den Staat wegen der Aufhebung der
Bergbaugenehmigung und verlangt immense Ausgleichszahlungen. »Der Druck der Bergbaulobby
nimmt zu und die Regierungen neigen generell dazu, den Großen zu vertrauen, denn von denen
erhalten sie Steuern und Abgaben, von den Kleinen nicht«, so Sebastian Rötters, Bergbauexperte
der Menschenrechtsorganisation FIAN. Mit Besorgnis wird bei der Menschenrechtsorganisation der
Run auf das gelbe Metall beobachtet, denn durch die Ausweitung des Abbaus werden auch viele
Hektar wertvolles Ackerland vernichtet. Ein Effekt, der im Kurs allerdings nicht zum Ausdruck
kommt.
* Aus: Neues Deutschland, 16. Juli 2011
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