Mittelamerika: Minenkonzerne im Goldrausch
Statt Arbeit und Wohlstand bringt der Bergbau überwiegend Krankheit und Zerstörung
Von Torge Löding, San José *
Die Rohstoffmärkte boomen. Ein Bombengeschäft wittern Minenkonzerne wie GlamisGold: Die
weltweite Nachfrage nach Silber und Gold ist groß wie selten zuvor. Sie drängen nach Mittelamerika,
wo sie unerschlossene Vorkommen vermuten.
Poltische Krisen und Versorgungsengpässe treiben die Preise für Öl und Kupfer in Schwindel
erregende Höhen. Auch der Goldpreis steigt und selbst das Allzeithoch von 850 US-Dollar pro
Feinunze könnte bald fallen. Inflationsängste, geopolitischen Bedenken und die überhitze USKonjunktur
treiben Anleger in die Krisenwährung Gold. Für Minenkonzerne wie den USamerikanischen
GlamisGold ein gefundenes Fressen. GlamisGold dehnt nun seine Exploration
weiter aus. Zum Beispiel in Costa Rica, wo Indígenas vom Stamm der BriBri seit Ende Juli lautstark
gegen die Präsenz eines Bergarbeitercamps in ihrem Reservat in Talamanca protestieren. »Unter
Führung des Norwegers Helge Haauweersene werden Bäume gefällt und Helikopter überfliegen seit
einiger Zeit das Gebiet«, sagte der BriBri Carlos Jackson. Ein klarer Verstoß gegen Konvention 169
der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sei dies, denn die Indígenas seien weder informiert
noch um Erlaubnis gebeten worden.
Wie die BriBris wehren sich Indígenas und Campesinos von Costa Rica bis Guatemala gegen die
Propheten des neuen Goldrausches. »Bergbau impliziert keine Entwicklungschance für diese
Länder. Man sieht das in Peru, dort sind die Regionen, in denen es Minen gibt die ärmsten des
Landes. Cajamarca ist heute der ärmste Verwaltungsbezirk, die Verarmung begann aber erst
nachdem die Minengesellschaften kamen und die Gegend zu einer Bergbauregion machten«, sagt
Alois Möller, Vertreter des Lutherischen Weltbundes in Mittelamerika. Der Volkswirt vergleicht den
Bergbau mit Naturkatastrophen wie Hurrikanen oder Erdbeben.
»Rund 78 Prozent der weltweiten Goldproduktion ist für Schmuckproduktion bestimmt. Industriell
genutzt, also unter anderem für Medikamente oder Computerchips, werden zwölf Prozent. Die
restlichen zehn Prozent verbrauchen Investoren wie Banken oder Spekulanten, um ihre Geschäfte
zu machen«, erklärt Edgardo Mira vom Recherchezentrum CEICOM in San Salvador. Diese
Nichtregierungsorganisation wird von der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung gefördert. Einer Studie
von CEICOM zufolge hat die Präsenz einer Mine ökonomisch keinen positiven Effekt für die
Gemeinschaft, die sozioökologischen Folgen hingegen seien katastrophal. »Am Beispiel der
Wasservorkommen in der Gegend wird das deutlich. Dort wo es zuvor Trinkwasser gab, wird
vergiftetes Wasser fließen, das Krankheiten hervorruft. Die Anwohner haben viel zu verlieren und
nichts zu gewinnen«, sagt Mira.
Internationale Vernetzung
Straßenblockaden, Demonstrationen und Volksbefragungen sind die Mittel mit denen sich die
Betroffenen in ihren Ländern wehren. Damit dieser Widerstand effektiver wird will man sich nun
vernetzen. Aktivisten aus Basisgruppen und Mitglieder von nationalen
Nichtregierungsorganisationen wie Madreselva (aus Guatemala) haben sich mit internationalen
Agenturen wie Oxfam und dem Lutherischen Weltbund zusammen getan, um eine
mittelamerikaweite Strategie gegen die Ausweitung von Minen zu entwickeln. Im September soll es
dazu ein internationales Treffen geben. »Internationale Foren sind hilfreich«, schwärmt Francisco
Pineda vom Umweltschutzkomitee in San Isidros Cabañas in El Salvador. Voneinander lernen ist
ihm wichtig, zum Beispiel die Erfahrungen aus Honduras helfen ihm hierzulande besser zu erklären,
was auf die Menschen zukommt. Im Valle de Siria in Honduras fördert GlamisGold bereits seit
sieben Jahren Gold im Tagebau nach dem Zyanidlaugeverfahren: Das Wertmetall wird aus dem
Stein gelöst unter Einwirkung einer Lauge aus Zyankali, Quecksilber und Blei. Keine gesunde
Mischung. Obwohl die Minenbetreiber nicht müde werden zu versprechen, es würden keine
gefährlichen Chemikalien entwichen, häufen sich die Fälle von allergischem Hautausschlag bei
Erwachsenen und Kindern, Kleinkinder leiden unter Haarausfall.
Nicht alle Anwohner sehen das so wie die Mitglieder des Komitees. Viele hoffen auf Arbeit oder
stehen schon bei der Minengesellschaft unter Vertrag, um bei der Erkundung des Geländes zu
helfen. »Ja, es gibt eine Polarisierung. Die Konzerne arbeiten mit allen Mitteln«, sagt Pineda. Er
selbst habe bereits Morddrohungen erhalten. »Aber davon lasse ich mich nicht einschüchtern«, der
kräftige Mann hat schlimmere Zeiten erlebt; während des Bürgerkrieges in den Achtzigern in El
Salvador war San Isidro heiß umkämpftes Land.
Ökotourismus als Alternative
So wie Francisco Pineda für seine politischen Überzeugungen streitet, so kämpft er auch mit
ganzem Herzen für seine Familie. Mit seiner Frau und den zwei kleinen Kindern lebt er in einem
einfachen Häuschen, auf dem Dach weht die rote Fahne der Linkspartei FMLN. Und auch wenn
seine Frau mehr als einmal den Kopf geschüttelt hat und ihn einen Träumer nennt: Im Laufe der
Jahre hat er einen Kräutergarten angelegt, eine Ziege angeschafft und einen kleinen Verkaufsstand
für Pupusas (landestypische Doppeldecker-Maistortillas) und Bier hinter dem Haus aufgebaut.
»Davon kann die Familie jetzt schon gut leben. Aber es geht um mehr: Wir haben hier eine
wunderschöne Natur und interessante Mayastätten. El Salvador kann in einer Hinsicht viel lernen
von Costa Rica: Seit über einem Jahrzehnt ist der Ökotourismus dort erfolgreich. Das wäre eine tolle
Alternative zum Bergbau.«
* Aus: Neues Deutschland, 15. August 2006
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